Stresstest

Unaufgeregte Prozedur - aber nur bedingt vertrauensbildend

Verglichen mit dem Stresstest vor knapp zwei Jahren lief die Prozedur im Vorfeld der Bekanntgabe der Ergebnisse diesmal geradezu unaufgeregt ab. Die Statements vieler Stresstestteilnehmer waren vorbereitet. Nur Minuten nach Veröffentlichung der EZB-/EBA-Zahlen wurden sie von einigen Instituten routinemäßig abgesetzt. Eine allgemeine Präsenzpflicht in den Kommunikationsabteilungen der Kreditinstitute war weder für den Veröffentlichungstermin der Zahlen am späten Freitagabend noch für das gesamte letzte Juliwochenende dieses Jahres vorgesehen. Anders als 2014 gab es auch keine Pressekonferenzen der Aufsichtsbehörden. Die EZB flankierte das umfangreiche Zahlenmaterial der europäischen Bankenaufsicht mit der beruhigenden Botschaft von einer stärkeren Widerstandsfähigkeit der europäischen Kreditwirtschaft, den deutschen Banken bescheinigte die hiesige Notenbank ein solides Abschneiden. Mit ähnlichem Tenor meldeten sich jene gemeinsam am Samstag zu Wort: Der BdB als derzeitiger Federführer der Deutschen Kreditwirtschaft veröffentlichte die entsprechende Bewertung auch aus Sicht des VÖB, des DSGV und des VdP. Als fünfter großer Verband der Deutschen Kreditwirtschaft war der BVR diesmal nicht dabei, er hatte kein Institut im Rennen. Die Apo-Bank war unter der festgelegten Größenschwelle geblieben und auf eine Einbeziehung der DZ Bank war wegen der zum 1. August vollzogenen Fusion mit der WGZ Bank verzichtet worden.

Dank allgemein gründlicher Vorbereitung fielen auch die ersten Kommentare in den Medien erwartet sachlich und nüchtern aus. Dass die italienische Banca Monte dei Paschi di Siena Probleme haben werde, angesichts der Stressszenarien über der kritischen Kapitalquote zu bleiben, war erwartet worden. Aber in diesem Fall war schon im Vorfeld der Zahlen über mögliche Stützungsmaßnahmen gesprochen worden. Fast parallel zu den Veröffentlichungen wurde ein maßgeblich aus privaten Quellen gespeistes Sanierungskonzept bekannt und seither diskutiert. Mit Blick auf die deutschen Banken wirkt in der breiten Öffentlichkeit allenfalls irritierend, dass sich gemessen an den Kapitalquoten ausgerechnet die beiden hiesigen Großbanken in der Liste der geprüften Banken im hinteren Drittel bewegen, und zwar zum Teil deutlich hinter den in der öffentlichen Meinung so viel gescholtenen Landesbanken. Dass die deutschen Teilnehmer ebenso wie die Institute aus den Niederlanden oder Irland wegen des vergleichsweise hohen Anteils an zinstragendem Geschäft angesichts der gewählten Stressszenarien tendenziell einen Nachteil gegenüber Ländern mit höherem Anteil an Gebühren oder Provisionsanteilen haben, wie ihn etwa die italienischen Banken aufweisen, registrieren nur Insider. Für die bloßen Anhänger von Ranglisten spielt das hingegen eine untergeordnete Rolle. Sie wundern sich nur über das vergleichsweise schlechte Abschneiden der deutschen Banken. Aber auch die stark von institutionellen Anlegern geprägten Märkte konnten sich bei allen Hinweisen auf insgesamt verbessert Kapitalquoten, auf die begrenzte Aussagefähigkeit der Stresstestergebnisse im Allgemeinen sowie hinsichtlich einzelner Institute im Speziellen nicht von heftigen Reaktionen freimachen.

Die Unaufgeregtheit in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit hielt jedenfalls dem Praxistest an den Börsen nur kurzzeitig stand. Nach dem Wochen ende wurden europäische Banktitel auf eine beträchtliche Talfahrt geschickt. Einbußen von bis zu zehn Prozent waren am ersten Handelstag nach Vorliegen der Stresstestergebnisse für viele der geprüften Institute zu verzeichnen. Für die Deutsche Bank und die Commerzbank folgten in den kommenden Tagen sogar Tiefpunkte ihrer Aktienkursentwicklung in den vergangenen Jahrzehnten, die allerdings zusätzlich von den nicht gerade ermutigenden Halbjahreszahlen 2016 mitbeeinflusst waren.

Für die deutsche Kreditwirtschaft als Ganzes zeigt der Stresstest ohnehin nur einen kleinen Ausschnitt der wahren Herausforderungen. Denn für die große Zahl der hiesigen Institute sind die Niedrigzinsen das ganz große Problem. In diesem nicht erfassten Umfeld wirklich wettbewerbsfähig zu bleiben, ist allen absehbaren geldpolitischen Entwicklungen nach die wirkliche Herausforderung. Erschwerte Nebenbedingung dabei: Die Geldpolitik wie die aufsichtsrechtlichen Aktivitäten laufen derzeit tendenziell auf eine Gleichmacherei der Geschäftsmodelle zu - weg vom zinstragenden Geschäft.

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