Redaktionsgespräch mit Andreas Jäger

"Bankmanager müssen in digitalen Konzepten denken können - das ist heute eine Schlüsselqualifikation"

Andreas Jäger, Senior Client Partner, Korn Ferry International, Frankfurt am Main

Eine Vertriebskultur in den Kreditinstituten zu etablieren und einen möglichst hohen Anteil der Mitarbeiter in der direkten Kundenbetreuung einzusetzen galt vor einigen Jahren als erklärtes Ziel der Personalmanager der Branche. Zumindest an der Unternehmensspitze sieht Andreas Jäger im Redaktionsgespräch heute hingegen einen starken Bedarf an Managern, die in digitalen Konzepten denken können und ein tiefes Verständnis für digitale Abläufe mitbringen. Die fachliche Eignung von möglichen Kandidaten zu erkunden, hält der Senior Client Partner von Korn Ferry International auch mit den technischen Möglichkeiten im Internetzeitalter nur für einen ersten Schritt und setzt in seinem Metier daneben weiterhin auf langfristig angelegte und stabile menschliche Beziehungen als wichtigstes Asset eines Personalberaters. Von der aufkommenden Fintechszene können Banker seiner Ansicht nach lernen, sich ein wenig von der traditionellen Ordnungskultur zu lösen und eine Innovationskultur zu fördern. (Red.)

Korn Ferry hat kürzlich als eine der Kernbotschaften einer Studie die Bedeutung des technischen Know-hows für Spitzenmanager und CEOs in der gesamten Wirtschaft betont. Welche Relevanz hat das für die Kreditwirtschaft?

Hohe Technologiekompetenz ist auch in den Banken in den vergangenen Jahren zu einem der wichtigsten Wettbewerbsvorteile geworden. Die Kreditwirtschaft ist an vielen Stellen schon digitalisiert und ihr weiterer Erfolg ist derzeit sehr davon abhängig, wie schnell dieser Transformationsprozess vorangetrieben wird.

Jeder CEO in dieser Branche muss heute eine digitale Agenda haben. Dazu ist es notwendig, auch die technischen Zusammenhänge zu verstehen. Und das in einem ganz anderen Ausmaß, als dies in früheren Zeiten notwendig war, in denen sich - lapidar gesprochen - die IT-Abteilung schon um eine Lösung gekümmert hat. Denn Geschäftsmodelle hängen unmittelbar mit den technischen Gegeben- und Möglichkeiten zusammen. Diese technisch-digitale Komponente muss darum frühzeitig in jede Entscheidungsfindung auf CEO-Ebene miteinbezogen werden.

Der abnehmende Stellenwert der Unternehmenskultur wie er in den Studienergebnissen ebenfalls angedeutet wird, klingt mit Blick auf die Finanzbranche überraschend. Muss nicht gerade die Bankenbranche ihr Vertrauen und ihr Image stark aufpolieren?

Ganz gewiss muss sie das. Ich empfehle die Studie aber nicht nach der Lesart zu betrachten, dass Kultur jetzt weniger wichtig wäre. Eine Dominanz der Technik-Themen hängt damit zusammen, dass Unternehmen heute richtungsweisende Entscheidungen ob ihrer technischen Entwicklung treffen müssen.

Dass Digitalisierung und damit einhergehende agile Organisationsformen aber nur mit der richtigen Kultur einhergehen können, ist vielfach bei den digitalen "Pure Playern" zu beobachten. So entscheidend eine hohe IT- und Technologiekompetenz ist: Apple, Google oder Amazon stellen niemanden ein, der ihnen in seiner Rolle nicht konform zur Unternehmenskultur erscheint - mit Ausnahme, dass sie diesen Bruch wirklich wollen.

Dieser Bruch ist für Banken allerdings vielfach notwendig, um überhaupt in eine digitalere Welt vorstoßen zu können. Die sprichwörtliche Hypothek, die sie durch die Wirtschafts- und Finanz- mit der dann folgenden Bankenkrise in den letzten Jahren tragen müssen, macht die Lage nicht leichter.

Banken-CEOs müssen "digitales" Denken in der Unternehmens-DNA verankern. Das wird ein anstrengender und langwieriger Prozess sein, der nicht mit einem verordneten Kulturwandel möglich sein wird.

Ist das realistisch? Ist Ihr Haus als Personalberater mit einer Neubesetzung in einer Bank auch für die Kulturveränderung verantwortlich?

Wir begleiten eine Kulturveränderung sowohl organisatorisch als auch die Besetzung von dazu notwendigen Schlüsselpositionen mit den Kandidaten, die wir gemeinsam mit unseren Kunden als geeignet erachten. Verantwortlich für die Veränderung der Kultur ist aber die Bank selbst. Wir versuchen sie nach bestem Wissen und Gewissen dabei zu unterstützen.

Was wird aus den Vertriebsprofis? Verlieren die im Managementgefüge der Banken Ihrem Eindruck nach an Einfluss?

Der Tendenz nach mag das so sein, aber man wird in den Banken wie auch in der gesamten Finanzindustrie weiterhin den Vertriebsvorstand und klassische Vertriebsleute brauchen und diese auch über Personalberater suchen. Asset Manager beispielsweise, die im institutionellen Geschäft den Zugang zu Versicherungen, Pensionskassen und Altersvorsorge-Unternehmen haben, brauchen in diesem personalisierten Geschäft auch in Zukunft hervorragende Vertriebsspezialisten.

Nicht mehr in so großer Zahl notwendig und damit auch weniger oft gesucht werden Vertriebsmitarbeiter für all diejenigen Geschäfte, die vergleichsweise leicht einem Onlinevertrieb zugänglich sind. Diese Vertriebskanäle müssen zwar von Vertriebsprofis technisch aufgebaut und soweit notwendig mit versiertem Beratungspersonal ausgestattet werden. Aber dazu bedarf es veränderter Mitarbeiterprofile.

Die Mitarbeiter und Führungskräfte dieser Bereiche müssen in digitalen Konzepten denken und diese verstehen. Dabei muss es immer die notwendigen Rückkopplungen von unten nach oben geben, um mögliche Vertriebsschwächen in einer Bank auf zudecken. Wir brauchen und suchen die richtige Kombination aus Verständnis für digitales Denken, Offenheit, Transparenz, Kundenorientierung und Kostenbewusstsein.

Neben dem Verständnis für Technik und Vertrieb ist die Regulierung zu einem wichtigen Anforderungsprofil für das Bankmanagement geworden. Wie schlägt sich dieser Aspekt in Ihrer Arbeit nieder?

Selbstverständlich haben wir dieses Anforderungsprofil der Banken im Auge. Der Trend zu fähigen Risikomanagern ist ungebrochen. Dazu greifen wir über unser Netzwerk auch auf internationale Kandidaten oder potenzielle Talente aus anderen Branchen zu.

Welche Rolle spielen in Ihrem Metier noch die persönlichen Kontakte?

Unser Geschäft lebt davon, dass Menschen uns vertrauen: Unternehmen wie Kandidaten. Damit ist Ihre Frage leicht zu beantworten: langfristig angelegte und stabile menschliche Beziehungen sind - neben aller Diagnostik und Methodenkompetenz - das wichtigste Asset eines Personalberaters. Das ist nicht digitalisierbar.

Wie kann die erforderliche fachliche Qualifikation der Kandidaten sichergestellt werden? Sie und Ihre Beraterkollegen können bezüglich technischer und regulatorischer Anforderungen ja nicht selbst in allen Spezialbereichen up to date sein. Auf wen verlassen Sie sich bei der fachlichen Beurteilung?

Wir untersuchen alle Kandidaten in vier Dimensionen: ihre beruflichen Erfahrungen, ihre vorhandenen Kompetenzen, ihre charakterlichen Eigenschaften und ihre individuellen Motivationstreiber. Wir nennen das Modell "Korn Ferry's 4 Dimensions of Leadership" (KF4D). Dazu greifen wir auch auf die fachlichen Beurteilungen Dritter zurück - wie ehemalige Vorgesetzte und Kollegen. Unser Anspruch ist es, unseren Kunden ein möglichst exaktes Bild verbunden mit einer klaren Einschätzung der entsprechenden Kandidaten zu vermitteln.

Haben sich Ihrer Erfahrung nach die Persönlichkeitsmerkmale für Bankmanager in den vergangenen zwanzig Jahren geändert?

Bankmanager müssen heute in digitalen Konzepten denken können. Das zu verstehen und in ein zielführendes Handeln umzusetzen, ist heute in vielen Branchen eine Schlüsselqualifikation. Dazu gehört unter anderem auch die Bereitschaft, Dinge einmal auszuprobieren und mit Teilprojekten scheitern zu können, also Offenheit für neue Wege. Dieses Denken verlangt in vielen Instituten nach einer Anpassung der Unternehmenskultur. In vielen Banken wurde in der Vergangenheit nicht die Innovationskultur gefördert, sondern eher eine Ordnungskultur. Das ändert sich aber mittlerweile.

Was genau kann ein externer Dienstleister zur Unternehmenskultur einer Bank beitragen?

Wir unterstützen bereits zahlreiche internationale Großbanken auf ihrer kulturellen Reise. Mithilfe organisationsdiagnostischer Instrumente wie beispielsweise Befragungen helfen wir zu identifizieren, wo das Unternehmen hinsichtlich kultureller Aspekte steht und welchen Veränderungsbedarf beziehungsweise auch Fortschritt es auf dieser Reise gibt. Als externer Berater erhalten wir oft ein viel offeneres und ehrlicheres Feedback vonseiten der Mitarbeiter. Im Rahmen des kulturellen Wandels haben Führungskräfte eine besondere Schlüsselrolle. Hier unterstützen wir Unternehmen bei ihrer Führungskräfteentwicklung, natürlich ausgerichtet auf die gewünschten kulturellen Verhaltensweisen. So beinhalten diese Programme ganz gezielt Themen wie digitale Kompetenzen, Agilität, Innovation und Change, um die Führungskräfte für die sich verändernde Arbeitswelt fit zu machen.

Und schließlich nützen alle angestoßenen kulturellen Veränderungen nicht viel, wenn nicht auch die Prozesse und Systeme im Unternehmen entsprechend darauf ausgerichtet sind, die gewünschte Kultur zu unterstützen. Auch hier nutzen wir unsere Expertise und Best-Practice-Erfahrung, um beispielsweise Performance-Management-Systeme so aufzusetzen, dass eben nicht nur das Ergebnis zählt, sondern auch wie dieses erreicht wurde im Sinne des gewünschten Verhaltens.

Gibt es in Ihrem Haus eine Art Erfolgskontrolle Ihrer Arbeit? Sprich verfolgen Sie generell wie die auf Ihren Rat hin eingestellten Topmanager sich bewähren? Begleiten Sie die Kandidaten in ihren ersten Monaten?

Wir begleiten alle unsere Kunden und Kandidaten über viele Jahre hinweg und kontinuierlich, mal aktiv, mal passiv. Eine Onboarding-Begleitung bieten wir an, wenn Kandidaten in eine neue Funktion wechseln.

Gehört das Coaching zum Angebot Ihres Hauses?

Wir sind Coach, Sparringspartner und enger Berater für viele Führungskräfte weltweit.

In welchen Bankengruppen ist Ihr Haus unterwegs, auch in den Verbünden?

Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass es bei uns Hauspolitik ist, grundsätzlich nicht über unsere Mandatierungen zu sprechen. Wir begleiten eine Vielzahl von Unternehmen im Bereich der Financial Services. Dazu zählen heute auch Fintechs sowie Verbünde.

Kann man Ihrem Eindruck nach in Fintech-Unternehmen geeignete Kandidaten für Führungspositionen in Banken finden oder ist der Weg eher umgekehrt?

Fintechs wissen, dass für sie das Thema Regulierung sehr relevant ist. Da fehlen ihnen meistens kompetente Spezialisten. Und darum suchen sie häufig erfahrene Regulierungsexperten.

Gleichzeitig halten traditionelle Banken Ausschau nach Menschen, die eine hohe technologisch-digitale Expertise mitbringen. Da liegt es nah, auch nach geeigneten Kandidaten bei Fintechs zu schauen. Letzteren muss aber mehr als ein ordentliches Vergütungspaket geboten werden, damit sie eine solche Herausforderung annehmen.

Inwieweit wertet Ihr Haus Social-Media-Kanäle aus?

Das machen wir, reden aber ungern darüber.

Wie präsentieren sich Ihre Klientel in den sozialen Medien? Werden an dieser Stelle Fehler gemacht?

Die Frage ist mit einem eindeutigen Ja zu beantworten. Aber ebenso viele machen Fehler in konkreten Gesprächssituationen mit ihrem Personalberater oder den möglichen Arbeitgebern. Wo Menschen sind, werden Fehler gemacht. Soweit möglich, weisen wir Kandidaten darauf hin.

Altbekanntes Stichwort Frauen in Führungspositionen: Hat sich im Bankensektor an dieser Stelle in den vergangenen Jahren Grundlegendes geändert?

Im Allgemeinen entscheidet bei unseren Empfehlungen nicht das Geschlecht, sondern Qualifikation und Potenzial. Ich halte es aber für richtig, dass gerade der Bankensektor noch mehr dafür tut, geeigneten weiblichen Kandidatinnen gute Karriereperspektiven aufzuzeigen.

Zum Abschluss noch ein Blick auf Ihr Haus und seine Branche: Wie hat sich in Zeiten des Internets und der Digitalisierung das Personalberatungsgeschäft entwickelt? Und was bedeutet das für die Ausrichtung von Korn Ferry weltweit und in Deutschland?

Korn Ferry war und ist das führende Beratungsunternehmen im Bereich Executive Search. Das heißt: Wir werden mit der Suche nach Positionen für die erste und zweite Führungsebene beauftragt. Das basiert auf Vertrauen und jahrzehntelanger Erfahrung. Heute müssen alle Kandidaten intensive psychologisch-diagnostische Verfahren zur Einschätzung ihrer Kompetenzen und ihres Potenzials durchlaufen. Bereits vor der Jahrtausendwende hat unser Haus angefangen, das dazu nötige Knowhow aufzubauen, heute gehört es zum Standard bei seriösen Executive-Search-Anbietern. Viele dieser diagnostischen Tests finden heute online statt, die Ergebnisse werden im Anschluss persönlich mit geschulten Psychologen besprochen. Hier hilft uns die Digitalisierung, zielgerichtete Testverfahren zu entwickeln und effizient umzusetzen.

Gleichzeitig führt das Internet zu erhöhter Transparenz. Zunächst gab es die Befürchtung, dass damit der Wissensvorsprung der Executive-Search-Spezialisten über den Kandidatenmarkt verloren geht. Diese Befürchtungen haben sich aber nicht bewahrheitet. Zum einen gibt es nach wie vor genügend Kandidaten, die nicht im Internet aufzufinden sind - durch unseren handverlesenen Auswahlprozess aber sehr wohl. Zum anderen wollen Kandidaten für Spitzenpositionen häufig nicht direkt von möglichen Arbeitgebern angesprochen werden, sondern durch neutrale Dritte in eine mögliche Diskussion eintreten.

Wie hängen Ihre Unternehmensbereiche Hay Group und Futurestep damit zusammen?

Mit diesen beiden Unternehmensbereichen machen wir heute unseren Kunden ein ganz anderes weltweit einzigartiges Angebot. Wir lösen damit das in der Dienstleistung Personalberatung enthaltene Versprechen einer "Beratung" ein.

Wenn Sie einen klassischen Executive-Search-Berater treffen, ist dessen Ziel stets klar: Er will eine vakante Position in Ihrem Unternehmen besetzen. Unser Ansatz lautet heute im ersten Gespräch: Wieso soll diese Position von außen besetzt werden? Kennen Sie die Potenziale der Mitarbeiter in Ihrem Unternehmen? Gibt es ein strategisches Nachfolgemanagement und eine strukturierte Talent-Pipeline? Welche Vergütungsmaßstäbe legen Sie bei der Förderung Ihrer "High Potentials" an - und so weiter. Hier kommen die Kollegen der Korn Ferry Hay Group ins Spiel, die ein Unternehmen aus Organisations- und HR-Sicht betrachten. Und damit einen ganz anderen Blickwinkel in die Debatte mit einbringen. So kann am Ende eines Gesprächs stehen, dass es viel sinnvoller ist, zunächst intern das richtige Talent zu identifizieren. Es kann aber auch darauf hinauslaufen, die Position jetzt extern zu besetzen, bis zur der nächsten Rotation aber einen internen Nachfolger aufbauen zu können und dafür die entsprechenden Instrumente zu schaffen. In diesen Projekten arbeiten Personal- und Organisationsberater Hand in Hand.

Hinzu kommen unsere Kollegen von Futurestep, die zwei Schwerpunkte verfolgen: Zum einen die Suche nach exzellenten Fachkräften, die besonders gefragt sind - zum Beispiel Spezialisten im Bereich Cyber Security. Zum anderen können Unternehmen ihre Rekrutierung auch vollständig an die Spezialisten von Futurestep auslagern - und haben damit mehr Zeit, sich auf ihre Kernaufgaben zu konzentrieren.

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