Nachgefragt bei Stefan Siebert

"Wir befürworten ein begleitendes Regionalprinzip"

Sind die Risiken der neuen Geschäftsfelder beherrschbar? Wie sieht die Aufsicht die strategische Ausrichtung der VR-Bank Bad Salzungen Schmalkalden? Und wie interpretiert die Bank die Umsetzung des Regionalprinzips? Rund um diese drei Fragestellungen hat die Redaktion flankierend zu seinem Fachbeitrag mit dem Vorstandsvorsitzenden die Erschließung neuer Ertragsquellen erörtert. Für regional verwurzelte Banken und Sparkassen hält Stefan Siebert solche Ansätze für unerlässlich, um in strukturschwachen Regionen überleben zu können. (Red.)

Wie sind die Geschäfte Ihres Hauses im ersten Quartal dieses Jahres gelaufen? Müssen Sie künftig noch mehr Gewicht auf eine Forcierung der sonstigen Erträge legen?

Nein, das müssen wir nicht mehr. Wir planen hier in den Folgejahren lediglich Optimierungen unseres Portfolios.

Das regionale Kundengeschäft ist also gut gelaufen ...?

Das Kundengeschäft ist gut gelaufen. Die Einwohnerzahl in unserem Geschäftsgebiet sinkt aufgrund demografischer Faktoren in den kommenden zehn bis 15 Jahren um etwa 30 Prozent. Adäquates Wachstum für die Bank können wir allein aus diesem regionalen Geschäftsgebiet somit nur begrenzt generieren.

Sie haben Ihr Geschäftsgebiet in Richtung Landeshauptstadt ausgeweitet?

Ja, und zwar in Richtung der Achse Erfurt - Weimar - Jena. Das sind die Lebensadern der Region, dort führen die wesentlichen Verkehrswege entlang, dort sind Arbeitsplätze und Fachpersonal verfügbar.

Welche Genossenschaftsbank ist in Erfurt am Markt?

Die Erfurter Bank eG ist dort tätig.

In der Region herrscht demnach ein fröhliches Hauen und Stechen?

Nein. Wir pflegen gute Kontakte und halten genossenschaftliche Grundsätze und Werte ein. Im Markt treffen wir nicht direkt aufeinander. Unsere Bank hat jedoch im Lauf der vergangenen Jahre in Erfurt Immobilien erworben und Energieprojekte realisiert, dies im Wert von insgesamt rund 75 Millionen Euro. Für uns war es dann eine logische Konsequenz, auch mit Teilen unserer Verwaltung dort präsent zu sein.

Dort generieren Sie sonstige Erträge, die Sie als Säule 2 definieren?

Ja, wir sind dort vor allem mit unserem Geschäftsfeld Vermietungswirtschaft am Markt. Dieses Segment zieht häufig weitere Käufe, Verkäufe oder Finanzierungen anderer Projekte - auch in Erfurt - nach sich. In diesem Geschäftsfeld ist in Erfurt übrigens weder die ansässige genossenschaftliche Bank noch die Sparkasse tätig. Mit beiden Häusern möchten wir nicht in einen Wettbewerb treten.

Was sagt die Bankenaufsicht zu der Ausrichtung Ihres Geschäftes auf sonstige Erträge? Welche Rolle spielt das in den Aufsichtsgesprächen?

In Gesprächen haben BaFin und Bundesbank durchaus gewisse Bedenken geäußert, dass wir uns strategisch "verzetteln" könnten. Zudem stand die Frage im Raum, ob wir die richtigen Instrumente vorhalten, diese Geschäftsfelder, ähnlich wie das Kreditgeschäft, im Hinblick auf die Einhaltung der MaRisk ordnungsgemäß zu handhaben. Dazu hat die BaFin zu Beginn des vergangenen Jahres eine Prüfung unseres Geschäftsbetriebes gemäß § 44 KWG durchgeführt, um aufsichtsrechtlich zu untersuchen, ob die Ausgestaltung unseres Risikomanagements den Anforderungen des KWG entspricht.

Ist das zur vollkommenen Zufriedenheit der BaFin abgelaufen?

Im Ergebnis der Prüfung ergaben sich nur geringfügige Feststellungen. Es wurde uns durchaus bescheinigt, dass wir zur Steuerung unserer alternativen Investments geeignete organisatorische Regelungen und Steuerungsmechanismen vorhalten. Wir haben lediglich einige Nachjustierungen vorgenommen.

Bis zum Jahr 2020 will Ihre Bank eine Bilanzsumme von 1 Milliarde Euro ausweisen. Welche EK-Quote haben Sie heute bei einer Bilanzsumme von rund 660 Millionen Euro und wie hoch soll diese in vier Jahren sein?

Die Gesamtkapitalquote liegt derzeit bei rund 13 Prozent. Im Jahr 2020 soll diese Quote, korrespondierend zur Geschäftsentwicklung, auf 15 Prozent steigen.

Kommt das Eigenkapital, das Sie bis ins Jahr 2020 noch aufbauen möchten, aus dem Kundengeschäft?

Wir haben dargelegt, dass wir im Jahr 2015 rund 43 Prozent unseres Betriebsergebnisses aus den alternativen Ertragsquellen erneuerbare Energien und Vermietungswirtschaft erzielt haben. Im Jahr 2016 wird dieser Anteil ebenfalls über 50 Prozent liegen und er soll auch in den Folgejahren möglichst konstant gehalten werden. Das gesamte Geschäftsmodell soll tragfähig bleiben, wir möchten unsere Bilanzstruktur nicht maßgeblich verändern. In Sachanlagen unserer ergänzenden Geschäftsfelder sind derzeit rund 25 Prozent unserer Bilanzsumme gebunden, ergänzt durch 50 Prozent Kundenforderungen, der verbleibende Anteil besteht aus kurzfristig verfügbaren Mitteln. Diese bilanzielle Grundstruktur möchten wir beibehalten.

Ist es nicht eine Bankrotterklärung für die gesamte Kreditwirtschaft oder zumindest für andere Volksbanken und Sparkassen in strukturschwachen Regionen, wenn sie für das regionale Bankgeschäft lediglich noch eine Kostendeckung, aber keinen Gewinn mehr anstreben? Lassen sich mit "normalem" Bankgeschäft keine auskömmlichen Erträge mehr erzielen?

Ja, das trifft nach unserer Einschätzung durchaus zu. Wir haben die Geschäftsausrichtung in den vergangenen Jahren - veranlasst durch die geänderten Rahmenbedingungen - modifiziert, da die Fähigkeit, allein aus dem Geschäftsgebiet heraus die notwendigen Erträge ausschließlich mit originärem Bankgeschäft zu generieren, aus unserer Sicht nicht mehr gegeben war. Diesem Dilemma sind wir zum Erhalt unserer Eigenständigkeit zunächst durch die Hinwendung zu alternativen Energien entkommen. Ausgehend von dieser Basis hat sich unser Grundsatz der Diversifikation, das heißt der Streuung der Ertragsquellen und damit auch des Risikos, stetig weiterentwickelt.

Wir erachten es als unbedingt notwendig, in unserer Region andere Wege zu beschreiten. Das kann eine Fusion sein oder eben auch das Erschließen neuer Ertragsquellen. Der Markt bietet in strukturschwachen Regionen faktisch keinen Bestandsschutz mehr für regional verwurzelte Banken und Sparkassen.

Warum sind Sie nicht den Weg einer Fusion mit einer anderen Genossenschaftsbank gegangen?

Wir haben einen genossenschaftlichen Auftrag zu erfüllen. Dieser besteht darin, unseren Mitgliedern ein umfassendes Leistungsportfolio zur Verfügung zu stellen. Dazu nutzen wir überregionales Geschäft, um das regionale Geschäft für unsere Mitglieder und Kunden weiterhin darstellen zu können. Im Fokus steht dabei insbesondere der Erhalt unseres umfangreichen Filialnetzes. Die Situation zahlreicher regionaler Banken und Sparkassen ist gerade in den fünf neuen Bundesländern überaus ernst.

50 Prozent Ihrer Erträge sollen zum Ablauf dieses Jahrzehntes aus Ihrer zweiten Säule kommen. Dort setzen Sie 25 Prozent Ihres Geschäftsvolumens ein. Gibt es hinsichtlich solcher Richtgrößen Vorgaben von der Aufsicht?

Nein, das entstammt keiner pauschalen Vorgabe, sondern entspricht der Logik. In den Jahren 2007/2008 haben wir uns über die Grundformel Gedanken gemacht, um mit den sonstigen Ertragsquellen den Gesamtertrag in unserem Geschäftsmodell zu stabilisieren. Dabei haben wir einen Anteil von 20 bis 25 Prozent an der Bilanzsumme ermittelt. Hierzu haben wir verschiedene Szenarien simuliert, um zu eruieren, ob wir damit den langfristigen Erfolg unserer Bank sichern können.

Diesen Unternehmensplan haben wir dann offen kommuniziert. Wir haben unsere Satzung entsprechend angepasst und die Prüfungsverbände, den BVR sowie die Aufsichtsbehörden informiert. Ebenso haben wir an den genannten Adressatenkreis auch externe Gutachten und unsere Auswertungen weitergegeben, darüber hinaus weiterführende Informationen zu unserer Ertragssituation.

Lässt sich der Erfolg dieser Methode betriebswirtschaftlich erklären?

Betriebswirtschaftlich gesehen werden solche Nebengeschäfte oft unterbewertet. Der Klassiker dabei ist der Lohman-Ruchti-Effekt. Dieser beschreibt das Modell der Nutzung der verbrauchsbedingten Abschreibungen als ausschließlicher Reinvestitionsquelle für Neuinvestitionen auf das Sachanlagevermögen. Nachdem ein Projekt einmal fünf bis acht Jahre als Historie aufweist, erwirtschaftet das eingesetzte Kapital eine sukzessive steigende Rendite infolge des Effekts der geschäftsfeldbezogenen Abschreibung. Eine Windenergieanlage beispielsweise hat im Durchschnitt eine jährliche Abschreibung von 6,25 Prozent. Das eingesetzte Kapital steigert dadurch kontinuierlich seine Nettorendite, wenn die Erträge relativ konstant bleiben.

Warum arbeiten nicht alle Volksund Raiffeisenbanken oder auch Sparkassen in strukturschwachen Gebieten nach dieser Methode?

Ganz einfach: Aus der Not heraus wird man agiler. Wenn eine Bank 20 Jahre lang herausragende Ergebnisse produziert hat, wird sie sich meist schwertun, ihr Geschäftsmodell anzupassen. Die Bedrängnis infolge demografisch bedingter Wanderungsbewegungen, zunehmender gesetzlicher Regulatorik sowie der anhaltenden Niedrigzinsphase wirken bei vielen Banken und Sparkassen erst jetzt. Auch dort werden sicherlich bald verstärkt neue Wege gesucht. Wir haben diesen Weg frühzeitig beschritten und sehen uns heute darin bestätigt.

Gibt es zu den internen Vorgaben (Zielvorstellungen) Ihres Hauses, zu dem Verhältnis "reguläre Erträge aus dem traditionellen Kundengeschäft" (Säule 1) und den Erträgen aus Säule 2 von 50 Prozent Reaktionen der Aufsicht? Setzt sie Obergrenzen für diese Quote?

Nein, die Bankenaufsicht betrachtet unser Geschäftsmodell unter drei Gesichtspunkten. Erstens: Ertragsseitig sehen sie es positiv. Die Erträge sind nachhaltig gesichert, wir können damit zur Stärkung unserer Ertragslage beitragen und in der Folge aus den erwirtschafteten Jahresergebnissen Eigenkapital thesaurieren. Zweitens wird das Geschäft unter Risikogesichtspunkten betrachtet. Im Hinblick darauf stellt sich gegenwärtig insbesondere die Frage, ob eine Immobilienblase droht. Drittens prüft die Aufsicht, ob wir über die notwendigen Mechanismen zur Steuerung der Geschäfte verfügen. Unser Haus hat sowohl im Bereich erneuerbare Energien als auch im Geschäftsfeld Vermietungswirtschaft das entsprechende Know-how aufgebaut.

In Ihrem Fachbeitrag haben Sie am Rande ein noch exotischeres Thema angesprochen. Welche Rolle spielt die Finanzierung im Bereich des europäischen Sport- und Fußballgeschäfts?

An dieser Stelle bewegen sich die Volumina auf dem Level eines unteren zweistelligen Millionenbetrages. Wir betätigen uns hier in Form einer Unterbeteiligung. In diese Geschäfte ist im Übrigen auch die R+V Versicherung eingebunden, die einen Teil des Risikos übernimmt.

Woher kommt in Ihrem Hause das Risiko-Know-how für dieses internationale Geschäft und für die Segmente Vermietung und Energie?

Intern haben wir in den Bereichen Vermietungswirtschaft und erneuerbare Energien Expertise aufgebaut. Zudem lassen wir jedes maßgebliche Engagement sehr sorgfältig von renommierten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften prüfen - von der Rentabilität bis zur vertraglichen Ausgestaltung. Das gilt beispielsweise auch für größere Investitionen in Windenergie- oder Fotovoltaikanlagen. So steigern wir mit unseren neuen Geschäftsfeldern zwar einerseits unsere Erträge, gleichzeitig erhöhen sich jedoch auch unsere Kosten für externe Beratungen. Die Geschäftsfelder, in denen wir unsere sonstigen Erträge generieren, verursachen damit im Durchschnitt deutlich höhere Prüfungskosten als bei vergleichbaren anderen Banken. Wir halten dies jedoch für unerlässlich, da ohne eine solche zusätzliche Absicherung die Reputation unserer Bank gegebenenfalls gefährdet wäre.

Zurück zum Regionalprinzip: Wie großzügig handhaben Sie dessen Auslegung? Die Immobilienaktivitäten in Erfurt und anderswo deuten darauf hin, sich nicht haarklein daran zu halten.

Das stimmt nicht ganz. Wir kommen aus dem alten (IHK-)Bezirk Erfurt. Genauso gehören wir mit einem anderen Teil unserer Bank der IHK Südthüringen in Suhl an. In diesen Gebieten sind und bleiben wir im Wesentlichen tätig. Darüber hinaus vergeben wir sicherlich den einen oder anderen Kredit an Kunden, die in unserem Geschäftsgebiet geboren sind, mit uns schon über längere Zeit eine Geschäftsbeziehung pflegen und nun beispielsweise in Frankfurt ein Haus bauen wollen. Konkret begleiten wir bei Finanzierungen langjährige Kunden auch, wenn diese ihren Lebensmittelpunkt verlagern, insbesondere falls in unserem Geschäftsgebiet die Sicherheiten gestellt werden. Aber es ist keineswegs unser Credo, bundesweit aktiv zu werden. Die genossenschaftlichen Ortsbanken brauchen uns dort nicht. Und dafür haben wir auch keine ausreichende Infrastruktur.

Was sagt der Regionalverband zur Ihrer Art der Umsetzung des Regionalprinzips?

Gegenfrage: Halten sich die Direktbanken beider Verbünde, die bundesweit auftreten, vollumfänglich an das Regionalprinzip? Wir haben eine Regelung gefunden und mit dem Regionalverband eine Einigung erzielt, die unserer speziellen Situation gerecht wird. Rund 325 000 Thüringer aus unserem Geschäftsgebiet leben heute in den alten Bundesländern. Die Mehrzahl dieser Kunden hat heute noch ihren Erstwohnsitz in Thüringen. Wir erachten es unter dem genannten Aspekt für selbstverständlich, diese gewachsenen Kundenbeziehungen weiter zu pflegen. Die umfassende und auf Dauer angelegte Betreuung steht dabei im Mittelpunkt unseres Handelns. Unsere Bestandskunden bei ihren Bankgeschäften zu begleiten war und bleibt unser Ansatz. Wir befürworten deshalb ein begleitendes Regionalprinzip.

Weshalb ist Ihr Haus vom Frankfurter Verband zum Genossenschaftsverband Weser Ems gewechselt?

Diese Thematik möchte ich hier ausklammern.

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