Redaktionsgespräch mit Stefan Teis

"Blockchain wird in Nischenmärkten, neuen Anwendungsfällen oder in manuellen Geschäftsprozessen starten"

Dr. Stefan Teis, Senior Vice President im Bereich Group Business & Product Development, Deutsche Börse AG, Frankfurt am Main

Quelle: Deutsche Börse AG

Auch Anbieter von Finanzmarktinfrastruktur beschäftigen sich derzeit intensiv mit potenziellen Anwendungsfällen der Blockchain. Besonders aktiv ist hierzulande die Gruppe Deutsche Börse, die im Rahmen diverser Projekte und Kooperationen die Möglichkeiten der Technologie auslotet. Den Schwerpunkt dieser Forschungsaktivitäten sieht Stefan Teis dabei klar in Anwendungen im Post-Trade (Clearing und Settlement). Für den klassischen, hochvolumigen Börsenhandel hält der Senior Vice President der Deutschen Börse die Technologie einerseits noch nicht für ausgereift, und andererseits auch aus Kundensicht nicht für wünschenswert. Dass die heute unabdingbaren zentralen Instanzen in einer hypothetischen Blockchain-Welt obsolet würden, glaubt er im Übrigen nicht: Die Rolle der Zentralverwahrer beziehungsweise Zentraler Gegenparteien würde sich zwar verändern, eine Daseinsberechtigung bescheinigt er ihnen jedoch nach wie vor. (Red.)

Die Börsenbranche befindet sich momentan im Umbruch. Auch die Gruppe Deutsche Börse treibt aktuell die Gestaltung der "Börse 4.0" voran. Was hat es damit auf sich und welche Rolle kommt dabei der Blockchain zu?

"Börse 4.0" ist die IT-Vision der Deutschen Börse, sie beschreibt, was wir perspektivisch an zukunftssicherer Technologie entwickeln und implementieren wollen, um auch künftig eine Marktinfrastruktur anbieten zu können, die den Anforderungen der Zeit genügt und führend ist - sei es in hinsichtlich Geschwindigkeit, Effizienz, Stabilität oder Transparenz. "Börse 4.0" steht somit weniger für neue Produkt- oder Assetklassen als vielmehr für den Faktor Technologie. Wesentliche Stichworte dabei sind "Datafizierung", cloudbasierte Lösungen und Blockchain.

Eine engere Verzahnung zwischen der Nutzung der "Cloud" und Blockchain bietet sich an, da die "Cloud" es ermöglicht, Blockchains verteilt und weitläufig zugänglich bereitzustellen. Jegliche technologischen Weiterentwicklungen werden dabei von Themen wie Compliance und Datenschutz maßgeblich beeinflusst und genießen höchste Priorität, denn die Deutsche Börse verwaltet und besitzt hochsensible Daten, die auch in der Cloud beziehungsweise Blockchain unbedingt geschützt werden müssen.

Wie viele Mitarbeiter beschäftigen sich bei der Deutschen Börse denn aktuell mit dem Thema Blockchain? Und wie heterogen ist deren fachlicher Hintergrund?

Es gibt ein Kernteam, das von Mitarbeitern aus den Fachbereichen und Zentralfunk tionen unterstützt wird, beispielsweise aus den Business Units Clearstream oder Eurex Clearing. Diese Kollegen beschäftigen sich nicht ausschließlich mit dem Thema, wissen aber genau, wie es ihr jeweiliges Geschäftsmodell beeinflusst und machen sich über potenzielle Anwendungsfälle Ge danken. Bei den verschiedenen Projekten ziehen wir dann das beste Team aus der Gruppe Deutsche Börse zusammen.

Das Kernteam ist hochgradig interdisziplinär aufgestellt. Grundsätzlich wurde bei dessen Zusammenstellung großer Wert darauf gelegt, beiden Welten - IT und Business - Rechnung zu tragen. Schließlich ist nicht alles, was aus IT-Sicht vielleicht funktioniert vor dem Hintergrund des jeweiligen Geschäftsmodells sinnvoll. Aber auch juristische Expertise ist im Rahmen von Blockchain-Projekten oft gefragt und notwendig. Alles in allem beschäftigen sich daher rund 25 bis 30 Mitarbeiter regelmäßig mit dem Thema. Man kann sich das Ganze als eine Art "atmende Organisation" vorstellen. So stellen wir sicher, dass Projekte schnell und effektiv angegangen werden können.

Blockchain-Befürworter vergleichen das Potenzial der Technologie gerne mit dem des Internets. Ist dieser Hype nicht ein bisschen übertrieben?

Die Blockchain-Enthusiasten sind grundsätzlich der Überzeugung, dass sich alles ändern wird. Den Hype um die Thematik registrieren wir, versuchen jedoch, uns nicht davon anstecken zu lassen. Wir sind deutlich realistischer. Grundsätzlich ist oberster Gradmesser, dass Lösungen Mehrwert liefern müssen. Wir folgen daher nicht dem Ansatz "Solution in search for a problem". Vielmehr wird versucht, Probleme durch eine (neue) Lösung anzugehen. Sprich: Wir werden bezüglich der Blockchain nichts unternehmen, nur um behaupten zu können, wir seien beim Thema aktiv. Was angegangen wird, muss Sinn haben, und zwar vor dem Hintergrund eines konkreten Anwendungsfalls. Zu guter Letzt: Blockchain ist nicht nur für die Finanzbranche von Interesse, auch andere Branchen wie Energie und Logistik können davon profitieren.

Handelt es sich bei der Blockchain um eine disruptive Technologie? Oder muss man sich das ganze eher wie einen gemächlichen, evolutionären Prozess vorstellen?

Sowohl als auch. Wir glauben, dass die Blockchain im Rahmen eines evolutionären Prozesses ihren Einsatz finden wird beziehungsweise der Prozess bereits im Gange ist. Disruptiv wird die Blockchain dann sein, wenn jemand ein wirklich gutes Geschäftsmodell präsentiert, das sich zur Implementierung eignet.

Welche Hürden gibt es auf dem Weg zum Einsatz in der Praxis?

Als Finanzmarktinfrastruktur-Anbieter bewegen wir uns in einem stark regulierten Umfeld. Zwar glauben wir nicht, dass der aktuelle nationale und europäische Rechtsrahmen Blockchain-Anwendungen ausschließt, aber wir stoßen immer wieder auf Aspekte, die noch genauer geprüft und analysiert werden müssen. Das Thema "Digital Iden tity" etwa ist sehr wichtig für Anwendungen in der Finanzindustrie - und ist Gegenstand einiger aktueller Blockchain-Projekte in der Industrie. Es ist deshalb so wichtig, da es die Basis für die verpflichtenden KYC (Know-Your-Customer)-Prozesse der Finanzindustrie darstellt.

Ein Beispiel: Bei Bitcoin herrscht keine Transparenz über die Nutzer; jeder kann das System anonym nutzen mittels einer Krypto-ID. Niemand kann kontrollieren, wer sich hinter dieser Krypto-ID verbirgt. Es handelt sich also um ein komplett anonymes System - und ist deshalb für ein Unternehmen wie die Deutsche Börse als reguliertem Finanzdienstleister ein undenkbares Konzept. Regularien wie das Geldwäschegesetz oder die "Know-yourcustomer"-Vorschriften stehen dem entgegen. Bei der Deutschen Börse gehen wir aufgrund dieser existierenden Vorgaben davon aus, dass - sollten eines Tages Systeme auf der Blockchain betrieben werden - diese Systeme im Zugang genauso aussehen werden wie heute. Die Identitäten der Akteure, die auf dem System agieren, werden uns aufgrund regulatorischer Vor gaben bekannt sein müssen. Die Deutsche Börse würde diesen Akteuren dabei unverändert im Rahmen der Anmeldung einen Zugang geben und deren Aktivitäten mit verbindlichen recht lichen Verträgen unterlegen - Blockchain-Technologie hin oder her.

Ist die Blockchain momentan auch noch zu langsam, um dem auf Hochgeschwindigkeit getrimmten Börsenhandel gerecht zu werden?

Das stimmt. Die Geschwindigkeit der Datenübertragung, wie wir sie für unser Kerngeschäft benötigen, kann momentan nicht gewährleistet werden. Bereits produktive Blockchain-Systeme sind deshalb bislang vor allem in Nischenmärkten vorzufinden. Den klassischen, hochvolumigen Börsenhandel - seien es Aktien, Derivate - oder das Clearing auf die Blockchain zu übertragen, steht Stand heute überhaupt nicht zur Debatte. Was den Wertpapierhandel betrifft: Ein reiner "Peer-to-Peer"-Ansatz konterkariert im Prinzip die Idee, wie eine Börse funktioniert.

Angenommen, es gäbe 100 Handelsteilnehmer und jemand möchte einen Kontrakt handeln. Bei einer bilateralen Lösung, sprich "peer-to-peer", müsste diese Person dazu zunächst mit 99 Leuten Kontakt aufnehmen, um Preise abzufragen. Ein umständlicher Prozess, der vor allem aus Kundensicht nicht wünschenswert erscheint. Im Übrigen ist die Vorstellung, dass der Faktor "Schnelligkeit" der einzig relevante Vorteil einer Börse ist, schlichtweg irreführend. Eine Börse ist kein technisches Vehikel, sondern ein Marktplatz, an dem Liquidität aggregiert wird, Preise trans parent ermittelt werden und anonymer Handel möglich ist. Die Frage der Schnelligkeit beziehungsweise Latenz ist dabei zweitrangig.

Der Nachhandel bei Wertpapieren nimmt heute zwei bis drei Tage in Anspruch. Eine Vision der Blockchain-Befürworter beruht darauf, eine Art "Real Time Settlement" zu erreichen. Wie realistisch ist diese Vorstellung?

Die Vision eines sofortigen Settlements ist mit der Blockchain in der Tat denkbar. Wie das gehen könnte, wurde beispielsweise im Rahmen des von uns gemeinsam mit der Deutschen Bundesbank konzipierten Prototyps demonstriert. Was es dabei allerdings wiederum zu beachten gilt: Ist so etwas vor dem Hintergrund bestehender Geschäftsmodelle wünschenswert? Angenommen zwei Handelspartner tauschen im Laufe eines Tages zweimal eine Aktie - morgens und abends. Ein Echtzeit-Settlement würde bedeuten, dass die involvierten Parteien zu beiden Zeitpunkten über das für die Transaktionen benötigte Geld verfügen müssen. Liquidität muss also pro Transaktion bereitgestellt werden. In der heutigen Welt dagegen werden im Rahmen des "Netting Agreement" offene Positionen verrechnet und letztlich nur einmal pro Tag (abends) abgewickelt.

Hier muss in der Regel weniger Liquidität vorgehalten werden, da die Transaktionen eines Tages sozusagen "aufaddiert" werden mit einer Summenbildung am Ende des Tages. Verstehen Sie mich nicht falsch: Die Idee der Blockchain-Technologie ist sehr interessant und die Vorstellung eines Echtzeit-Settlements hat durchaus seinen Reiz. Denken Sie an Banken: Im OTC-Handel (dem direkten Handel zwischen Marktteilnehmern) müssen Banken derzeit sicherstellen, dass die zu liefernden Papiere zum Zeitpunkt des Settlements verfügbar sind. Im Real Time Settlement müsste dies bei jeder Transaktion sichergestellt werden, was operativ durchaus schwieriger ist. Meines Erachtens muss das Konzept des Real Time Settlements zumindest für den "uncleared" Handel noch reifen. Die Betonung liegt hier auf "uncleared", denn im geclearten (das heißt unter Einschaltung eines Central Counterparts) Derivatehandel hat man heute schon durch den Margining-Prozess ein (fortwährendes) Real Time Settlement.

Wie ist der Blockchain-Ansatz in Ihrem Beispiel aus Risikogesichtspunkten zu beurteilen?

Positiv, schließlich wäre das Risiko offener Positionen bei Real Time Settlements nicht mehr vorhanden. Angenommen, heute wird eine Partei insolvent, so sind deren noch nicht abgewickelten Positionen weiter offen - und die Gegenpartei muss entsprechend recht liche Schritte einleiten, um ihre Leistung zu bekommen. Hingegen ist die Transaktion beim Real Time Settlement sofort abgeschlossen.

Wie könnte sich die Rolle der Zentralen Gegenparteien (Central Counterparts, CCP) in der Blockchain-Welt verändern?

Eine Zentrale Gegenpartei garantiert, dass am Ende eines Deals beide Verpflichtungen zu den anfangs vereinbarten Konditionen erfüllt werden. Somit ist es bei einem Ausfall eines Akteurs die Pflicht der Zentralen Gegenpartei, für die Erfüllung seiner Pflichten zu sorgen. Beim Real Time Settlement könnte man sich vorstellen, dass diese Aufgabe der Zentralen Gegenpartei nicht länger benötigt wird. Aber: Die Aufgabe sicherzustellen, dass der Austausch der versprochenen Leistungen in der "echten Welt" auch tatsächlich stattfindet, müsste auch in der Blockchain-Welt noch jemand übernehmen. Und diese Rolle wird vermutlich wieder einer vertrauenswürdigen/zentralen Instanz obliegen.

Ferner ist zu betonen, dass eine der Hauptaufgaben eines CCP die Mitigation des Kreditrisikos offener/schwebender Positionen ist, zum Beispiel offener Derivatepositionen. Dieses Risiko und damit die resultierenden Aktivitäten eines CCP basieren auf den jeweiligen Finanztransaktionen und ist nicht von der zum Handel verwendeten Technologie oder dem Handelsprozess abhängig. Somit sehe ich die Rolle des CCP nicht verschwinden, auch wenn sich die Prozesslandschaft eines CCP vielleicht technologiebedingt ändern würde.

Und wie ist es um die Zukunft der Zentralverwahrer bestellt?

Theoretisch ist es denkbar, dass künftig alle Wertpapiere auf der Blockchain gehalten werden. Auch in diesem Szenario wird in Zukunft eine "Registrarfunktion" benötigt werden, die die Korrektheit der Wertpapierpositionen sicherstellt und bestätigt sowie die Korrektheit der entsprechenden System-Funktionalität sicherstellt. Diese Rollen könnte wiederum vom Zentralverwahrer übernommen werden. Bis zur vollständigen Transformation ist es aber noch ein sehr weiter Weg, denn die heute bei Zentralverwahrern liegenden Bonds auf die Blockchain zu bringen, ist eine nicht zu unterschätzende Herausforderung.

Für einen Bond-Emittenten stellt der Zentralverwahrer sicher, dass die für die Emission relevanten Informationen bekannt sind sowie korrekt und vollständig hinterlegt werden. Würden diese Bonds auf die Blockchain verlagert, so müsste der Zentralverwahrer als Halter der Gesamturkunde des Bonds diesen Übergang sicherstellen. Die Verwahr- und Administrationseigenschaften blieben somit in ihrer aktuellen Ausprägung - zumindest auf absehbare Zeit - bestehen. Um genau zu sein so lange, wie der Lebenszyklus eines Wertpapiers nicht in Gänze auf der Blockchain abgebildet wird.

Und selbst nach einer kompletten Umstellung existieren ungeklärte Fragen. Bonds sind in der Regel mit einem Kupon ausgestattet, den der Inhaber ausgezahlt bekommen möchte. Heute übernimmt diesen Auszahlungsservice beispielsweise Clearstream. Das Blockchain-System kann diese Aufgabe jedoch nicht übernehmen, schließlich ist es keine rechtliche Einheit. Wer also erfüllt diese Funktion? Womöglich wieder ein Zentralverwahrer. Zusammengefasst: Die Rolle des Zentralverwahrers würde sich ändern, aber an der künftigen Relevanz und Notwendigkeit gibt es keine Zweifel.

Könnte an dieser Stelle nicht der Einsatz von Bitcoins Abhilfe schaffen?

Ob und in welchem Umfang Banken und große institutionelle Investoren Bitcoins nutzen wollen, ist völlig unklar. Auch die Zentralbanken stehen aus nachvollziehbaren Gründen neuen digitalen Währungen reserviert gegenüber. Insofern erscheint eine derartige Lösung aktuell sehr unwahrscheinlich. Das Thema Krypto-Währungen oder allgemeiner "Geld auf der Blockchain" wird derzeit weltweit kontrovers diskutiert und es ist meines Erachtens noch zu früh, endgültige Schlussfolgerungen zu ziehen.

Die Deutsche Börse ist derzeit in mehreren Blockchain-Projekten involviert. Können Sie kurz erörtern, in welchen Bereichen Ihrer Wertschöpfungskette der Blockchain-Einsatz theoretisch denkbar ist?

Wir schauen uns die gesamte Wertschöpfungskette genau an. Derzeit liegt unser Schwerpunkt auf Anwendungen im Post-Trade, sprich Clearing und Settlement. Im Bereich Clearing arbeitet die Deutsche Börse aktuell an der "Collateral Coin" mit dem Ziel, Geschäftsbankengeld auf der Blockchain transferieren zu können. Hier befinden wir uns aber noch in einem frühen Konzeptstadium, in dessen Rahmen gerade eine Durchführbarkeitsstudie erstellt wird. Erst im Anschluss wenden wir uns an Regulatoren und Kunden.

Im Bereich Settlement ist der zusammen mit der Bundesbank erarbeitete Prototyp zu Settlement und Asset-Servicing-Prozessen zu nennen, der allerdings ein reines Forschungsprojekt ist. Unser dritter Prototyp in Zusammenarbeit mit der Liquidity Alliance, genauer vier nationalen Zentralverwahrern, eruiert die Möglichkeit, Sicherheiten grenzüberschreitend zu mobilisieren.

Wie wichtig ist bei diesen Blockchain-Projekten die Kommunikation mit den Regulatoren? Wäre es hypothetisch etwa denkbar, dass ein marktreifes Konzept entwickelt wird, nur um dann von den Aufsichtsbehörden eine Absage zu bekommen?

Nur theoretisch. Um dem vorzubeugen, suchen wir frühzeitig den Kontakt und präsentieren auf Wunsch Prototypen, um regulatorische Fragestellungen zu adressieren. Der Dialog mit den Regulatoren ist somit sehr wichtig. Wir sehen aktuell auch, dass das Interesse von Regulatoren auf nationaler und europäischer Ebene stetig wächst, mehr über mögliche blockchainbasierte Anwendungen zu erfahren.

Worum genau geht es bei der "Liquidity Alliance", bei der die Clearstream gemeinsam mit drei internationalen Zentralverwahrern arbeitet? Und wie weit ist man hier noch von konkreten Ergebnissen entfernt?

Beim Projekt "Liquidity Alliance Ledger" geht es um die mögliche grenzüberschreitende Mobilisierung von Sicherheiten, es ist also ebenfalls im Post-Trade verortet. Ziel ist es, dass Teilnehmer mithilfe einer Blockchain-Lösung Sicherheiten möglichst einfach zwischen verschiedenen Ländern bewegen können.

Was hat es mit diesen Begrifflichkeiten "public" beziehungsweise "private" im Zusammenhang mit der Blockchain auf sich?

Bitcoin ist ein klassisches Beispiel für eine "Public"-Blockchain. Dies bedeutet vereinfacht gesagt, dass jeder ohne Zulassungsbeschränkungen und auch anonym von überall auf das System zugreifen kann. Bei der "Private"-Blockchain handelt es sich dagegen um ein geschlossenes System, das nur einer begrenzten Zahl an bekannten Teilnehmern offensteht. Darüber hinaus existieren noch die Kategorien "permissioned" und "permissionless" - mit Zulassung oder eben ohne Zulassung.

Ein Blockchain-System lässt sich beispielsweise "public-permissioned" ausgestalten. In einem solchen Fall haben nur Akteure mit gewissen Rechten Zutritt zum System. Eine Autobahn ist ein gutes Beispiel dafür: Grundsätzlich steht ihre Benutzung allen Verkehrsteilnehmern offen ("public"), allerdings nur unter gewissen Voraussetzungen, wie Besitz eines Führerschein, Verkehrstüchtigkeit des Fahrzeugs et cetera ("permissioned").

Welche Varianten kommen bei den Projekten der Deutschen Börse zum Einsatz?

In aller Regel greifen wir derzeit auf das Prinzip "private" zurück. Schließlich müssen wir darüber Kenntnis haben, wer auf unserem Blockchain-System agiert - nicht zuletzt aufgrund gesetzlicher Vorgaben. Generell könnte ich mir aber vorstellen, dass auch "Public-permissioned"-Ausgestaltungen in Zukunft eine Rolle spielen könnten.

Macht es bei der Blockchain Sinn, einen Zukunftsausblick zu wagen?

Die Dynamik lässt sich nur schwer abschätzen, daher sind Prognosen unmöglich. Während Optimisten meinen, es könnte nächstes Jahr konkret werden, gehen andere Teilnehmer eher von fünf bis zehn Jahren aus. In der Diskussion ist ein Punkt entscheidend: Die derzeitigen, gut funktionierenden Kernsysteme auf die Blockchain zu heben, ergibt keinen Sinn. T2S, das europäische Cross-Border-Settlement-System, ist ein Beispiel. Es gibt keinen triftigen Grund - weder für Zentralverwahrer wie Clearstream noch für die EZB - schon wieder darüber nachzudenken, auf eine neue Technologie umzusteigen.

Daher würde ich erwarten, dass der Blockchain-Einsatz in Bereichen startet, in denen kein funktionierendes, bereits den Anforderungen voll genügendes Altsystem abgelöst werden muss, also in Nischenmärkten, neuen Anwendungsfällen oder auch in Geschäftsprozessen mit hohen manuellen Anteilen. Vor diesem Hintergrund ist es auch sehr wahrscheinlich, dass man die Blockchain in Segmenten sehen wird, in denen es heute noch keine funktionierende elektronische beziehungsweise nur unmoderne Infrastrukturen gibt, beispielsweise im Bereich Supply-Chain in der Fracht- und Containerschifffahrt.

Zur Person Dr. Stefan Teis, Senior Vice President im Bereich Group Business & Product Development, Deutsche Börse AG, Frankfurt am Main
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