Redaktionsgespräch mit Nicolas Blanchard

"CoCo-Markt wird Alternative für Banken bleiben"

Dr. Nicolas Blanchard, Persönlich haftender Gesellschafter, Bankhaus Lampe KG, Bielefeld

Vor nicht einmal zehn Jahren wurden im Zuge der Aufarbeitung der Finanzmarktkrise zur Stärkung der Kapitalbasis von Banken die sogenannten Contingent Convertible Bonds (CoCo-Bonds) geschaffen. Dass deren Einsatzmöglichkeiten als Eigenkapital- oder Fremdkapitalinstrumente hierzulande erst vergleichsweise spät in Schwung gekommen sind, führt Nicolas Blanchard auf die zuvor fehlende Klärung der steuer lichen Behandlung von Kupon-Zahlungen zurück. Seit gut zwei Jahren registriert der Persönlich haftende Gesellschafter der Bankhaus Lampe KG im Redaktionsgespräch aber eindeutig überdurch schnitt liche Wachstumsraten. Und mit Blick auf die Zukunft räumt er dem Instrument angesichts weiter steigender Kapitalanforderungen gute Chancen ein, sich am Markt als valide Alternative zu einer Kapitalerhöhung oder anderen Kapitalmaßnahmen zu etablieren. (Red.)

Warum werden CoCo-Bonds so kontrovers diskutiert?

Im Unterschied zu Hybridanleihen der ersten Generation verfügen AT1- und Tier-2-CoCo-Anleihen - die Instrumente der zweiten Genera tion - noch nicht über einen einheitlichen Marktstandard und eine valide Historie hinsichtlich des Verhaltens insbesondere in Stressszenarien. Erfahrungswerte sind aufseiten der Emittenten, Investoren und Bankenaufsicht kaum vorhanden. Die beschriebenen Faktoren führen im Zusammenspiel dazu, dass AT1- und Tier-2-CoCo-Anleihen durchaus differenziert betrachtet werden sollten. Die strukturgegebenen Risiken - wie Eigen- und nachrangige Fremdkapitalkomponenten oder die Diskretionarität der Kupon-Zahlungen - spiegeln sich in Konditionen und der Volatilität der Marktpreise wider. Eine Vergleichbarkeit ist aufgrund der sehr unterschiedlichen Strukturen und Kriterien der Anleihen schwierig.

Sie werten die Kritik an CoCo-Bonds somit teils als Folge der fehlenden Erfahrung mit dieser noch jungen Anlageklasse. Wie ist diese eigentlich entstanden?

Im Rahmen der Umsetzung von Basel III haben europäische Banken mit der Ausgabe der zweiten Generation von verlustabsorbierenden Kapitalinstrumenten begonnen, um die schärferen Kapitalanforderungen zu erfüllen. Nach anfänglicher Skepsis gegenüber diesen neuen Hybridanleihen hat sich seit dem dritten Quartal 2013 ein Markt mit überdurchschnittlichen Wachstumsraten und einem Volumen von mittlerweile über 135 Milliarden Euro (Europa ex Asien) entwickelt. Hierbei ist festzustellen, dass das Wachstum dieses jungen Nachrangsegments insbesondere im europäischen Raum angesiedelt ist. Vorreiter bei der nationalen Implementierung der Basel-III-Direktiven war insbesondere die Schweiz, die somit früh die Rahmenbedingungen für die Emission von AT1-Anleihen geschaffen hat.

Und was unterscheidet CoCo-Bonds von "alten" Instrumenten wie Hybrid-Tier-1-Anleihen?

Die unter Basel II genutzten Instrumente unterscheiden sich grundsätzlich von den Ausgestaltungsmerkmalen der AT1-Anleihen und öffnen darüber hinaus eine Vielzahl von Strukturierungsmöglichkeiten. Letztere verfügen - anders als die Instrumente der "alten Welt" - über eine größere Stückelung und damit über eine ausschließliche Vermarktbarkeit an professionelle Investoren. Charakteristische Merkmale sind: 1. Keine festen Rückzahlungen (Permanance), 2. die Flexibilität beziehungsweise keine feste Verpflichtung, Kupon-Zahlungen leisten zu müssen (Flexibility of Payments) und 3. die Verlustabsorptionsfähigkeit, sprich die Teilnahme am Verlust - im laufenden Jahr als Puffer für Senior Lender im Insolvenzfall (Loss Absorbtion). Der Unterschied zwischen "alten" und "neuen" Instrumenten liegt also darin, dass bei den "neuen" Instrumenten die Wandlung beziehungsweise die Nennwertherabschreibung vordefiniert sein muss. Das umfasst auch die Zahlbarkeit der Kupons.

Wenn der Markt von den Regulierungsbehörden initiiert ist - wie stehen Investoren und Emittenten dazu?

Eine breite Ansprache von Investoren für Banknachrangtitel, wie sie beispielswiese bei "alten" Instrumenten wie Bank-Hybridkapital unter Basel II stattgefunden hat, ist mittlerweile aus mehreren Gründen nicht mehr möglich. Das Problem besteht in der Komplexität und den optionalen Ausgestaltungsmerkmalen der "neuen" Instrumente für die unterschiedlichen Investorenklassen. Diese schränken die bilanzielle "Verarbeitung" im Zuge der Bewertung bei Investoren ein, beispielsweise aus dem Versicherungssektor. Klassische Investoren von Bankenemissionen wie Versicherungen können nicht nur aufgrund der aufsichtsrechtlichen Hürden, sondern auch im Hinblick auf die Kapitalunterlegungspflicht und Produktzulässigkeit nur noch begrenzt komplexe Instrumente von Finanzinstituten zeichnen.

Diese aufsichtsrechtlichen Hürden resultieren nicht zuletzt aus der Einführung von Solvency II. So stellt die Bewertung von eingebetteten Optionen - beispielsweise das fünfjährige Kündigungsrecht - eine Herausforderung dar. Folglich werden Co-Co-Bonds primär von Asset Managern und Fondsgesellschaften gezeichnet. Großvolumige Emissionen von Emittenten stehen im Fokus, da diese Sekundärmarktpreise aufgrund des Vorhandenseins von Derivaten (Aktienoptionen, Credit Default Swap) Absicherungsmöglichkeiten bieten können.

Einer breiten deutschen Öffentlichkeit bekannt wurden die CoCos durch entsprechende Transaktionen der Deutschen Bank. Welche Institute gehörten denn zu den Vorreitern?

Vorreiter waren insbesondere Schweizer Emittenten im US-Dollar- und Schweizer-Franken-Segment. Eine erste Benchmark-Emission fand 2012 durch die Credit Suisse statt.1) Danach folgten kleinere Institute, die Hybridanleihen der zweiten Generation als "domestic placement" begeben haben. Diese Anleihen wurden in der Schweiz vertrieben und mit Stückelung von 5000 Schweizer Franken und vergleichsweise geringem Kupon zwischen 3,5 Prozent und 5,375 Prozent emittiert. Die ersten Emissionen außerhalb der Schweiz fanden im Jahr 2013 statt und waren durch südeuropäische Institute getrieben. Im Euro-Raum ist die Emission der CoCo-Anleihe von Barclays als tatsächlicher Marktöffner zu verstehen. Die Anleihe wurde mit einem Kupon von acht Prozent und mit einem Trigger von sieben Prozent ausgegeben. Dabei wurde bei einer vielfachen Überzeichnung eine Milliarde Euro eingesammelt.

Insgesamt prägen europäische und asiatische Institute den Markt. Heute zählen UBS, Barclays, HSBC, Credit Suisse und Lloyds zu den größten europäischen Emittenten. Der deutsche Markt wird - wie erwartet - durch Benchmark-Emissionen der Deutschen Bank dominiert - mit ausstehenden AT1-Anleihen von rund fünf Milliarden Euro. Darüber hinaus gibt es einige Emittenten kleinerer Institute, darunter unter anderem die Aareal Bank sowie Institute aus dem öffentlichen und genossenschaftlichen Sektor.

Und wie wurden diese Transaktionen im Markt aufgenommen?

Die ersten großvolumigen Transaktionen verzeichneten eine sehr hohe Nachfrage. Diese haben aufgrund ihrer Transaktionsmerkmale (öffentliche Platzierung, Emissionsvolumen von mehr als 500 Millionen Euro) und auch aufgrund der relativ attraktiven Kupons eine breite Investorenschaft angesprochen. Insbesondere die Transaktion von Barclays im Dezember 2013 gilt als Türöffner im Euro-Raum. Die Anleihe war zwölffach überzeichnet. Bis Juli 2014 folgten weitere deutlich überzeichnete Emissionen wie die der Danske Bank im März 2014 (rund 17,3-fach) oder die der Deutschen Bank im Juli 2014 (zirka 7,1-fach). Diese Emissionen stellten den bisherigen Höhepunkt der Marktaktivität dar.

Warum kamen die deutschen Transaktionen so spät in den Markt?

Laut vorherrschender Marktmeinung war die fehlende steuerliche Abzugsfähigkeit der Kupon-Zahlungen eines der zentralen Hemmnisse für den deutschen Markt für Hybridanleihen der zweiten Generation. Hier fehlte die Klarheit über die steuerliche Behandlung der Kupon-Zahlungen aufseite der Emittenten. Diese ist erst im April 2014 durch das Bundesfinanzministerium geschaffen worden. Vorteil für die Emittenten war dann allerdings, dass sich bereits ein aktiver Markt etabliert hatte. Die Emittenten konnten somit von vorhanden Preisfindungsdatenpunkten und einer erschlossenen Investorenbasis profitieren.

Wo steht der Markt heute?

Ende November 2016 befinden sich AT1-Anleihen in Höhe von 135 Milliarden Euro und Tier-2-CoCo-Anleihen in Höhe von 23 Milliarden Euro im Umlauf. Die Strukturausgestaltung der Instrumente ist weiterhin sehr heterogen. Insbesondere der Markt für AT1-Transaktionen konnte zuletzt nur ein schwaches Emissionsvolumen vorweisen. Grund dafür war neben der aktuellen Einschätzung, dass die meisten Institute ausreichend kapitalisiert sind, was durch den vergangenen Stresstest der EBA bestätigt worden ist.

Hinzu kam die Unsicherheit bezüglich des Brexit-Votums, der US-Wahl und des italienischen Verfassungsreferendums. Diese politischen Ereignisse hatten und haben einen nachhaltigen Einfluss auf die Volatilität von Bankentiteln, sodass es schwierig war, ein Zeitfenster für eine großvolumige öffentliche Platzierung zu finden.

Welche Wahrnehmung bei den Investoren registrieren Sie?

Die anfänglich hohe Nachfrage der Investoren hat nachgelassen. Denn bei einigen Emittenten drängt sich mit Blick auf das Geschäftsergebnis die Frage auf, wie die Zahlungsfähigkeit eingeschätzt und Instrumente im Ernstfall vom Emittenten beziehungsweise der Aufsicht ausgesteuert werden. Aufgrund der Ausgestaltung der Instrumente - insbesondere der doppelten Diskretionarität - stellt sich die Frage der Ausschüttungsfähigkeit.

Hat sich schon ein Standard durchgesetzt?

Auch wenn sich der Low-Trigger (5,125 Prozent) mit Temporary Write-Down im Jahr 2016 als mehrheitliche Ausgestaltung durchgesetzt hat, lässt sich insgesamt kein eindeutiger Marktstandard ablesen. Je nach Emittent kann die Wahl des Triggers auch eine geschäftsstrategische Entscheidung sein. Ein börsennotiertes Finanzinstitut könnte demnach einen höheren Trigger vorziehen, da im Falle eines Durchbrechens der Schwelle eine Kapitalerhöhung vielleicht eher möglich wäre, als bei einem Low-Trigger.

Gibt es einen Privatplatzierungsmarkt?

Eine Reihe von Privatplatzierungen hat stattgefunden, die Credit Suisse hat mit ihrer ersten Transaktion den Anfang gemacht. Allerdings ist der Markt für kleinere Emissionen aufgrund der geringen Sekundärmarktliquidität sehr begrenzt. Zudem sind dabei derivative Absicherungsinstrumente nicht vorhanden. In der Regel scheiden große institutionelle Investoren bei solchen kleineren Privatplatzierungen als Investoren aus - Ausnahmen bestätigen aber auch hier die Regel.

Wie sehen Sie den Sekundärmarkt und wie entwickeln sich die Preise?

Nicht nur aufgrund der Eigenkapitalcharakteristika von Hybridanleihen der zweiten Generation reagieren diese sensibel auf Stressszenarien und Spekulationen über mögliche Zinserhöhungen durch die Fed beziehungsweise die EZB oder Anpassungen von regulatorischen Vorhaben - beispielsweise die Diskussion um Basel IV. Darüber hinaus war zuletzt eine gewisse Unsicherheit über die Bedienung von Kupon-Zahlungen ausstehender Hybridanleihen verschiedener Emittenten im Markt zu sehen. Das wirkt sich auf die Sekundärmarktpreise aus. Mehrere Emissionen liegen daher aktuell weit unter dem Ausgabekurs.

Kann sich der Investor absichern? Ein Problem scheint doch die Sorge zu sein, dass Banken die Bonds aus regulatorischen Gründen nicht bedienen können oder sogar ganz abschreiben?

Die Investition in Hybridanleihen der zweiten Generation bedarf einer tiefgehenden Analyse durch den Investor, um zugehörige Risiken richtig einzuschätzen und zu steuern. Dazu zählen die Prüfung der Bonität und der Ertragskraft sowie die detaillierte Auseinandersetzung mit dem Geschäftsportfolio - insbesondere mit spezifischen Risiken wie beispielsweise nicht-performanten Krediten (NPL) oder Rechtsrisiken - also den Risikopositionen der Bank. So können Trigger-Events, die Zahlbarkeit von Kupons und eine eventuelle Kündigung des Instruments eingeschätzt werden. Die Sicherheit eines Investments ist natürlich immer vom jeweiligen Emittenten und seinem spezifischen Geschäftsmodell abhängig. Zusätzlich kann eine Absicherung bei börsengelisteten Emittenten durch die Diversifikation über andere Instrumente und mithilfe - aber nur partiell - von Aktienoptionen oder über Credit Default Swaps stattfinden. Hierfür ist allerdings eine Analyse komplexer Zusammenhänge notwendig, die letztlich keine Absicherung im eigentlichen Sinne ermöglicht.

Wie sehen die Ratingagenturen diese Instrumente?

Maßgebliche Ratings der Agenturen Moody's und Fitch basieren auf dem Adjusted Baseline Credit Assessment (Moody's) oder dem Viability Rating (Fitch). S& P stellt auf das Stand Alone Credit Profile ab. Betrachtet man die deutschen Emittenten liegen diese bei Moody's derzeit drei Notches unterhalb des Adjusted Basiline Credit Assessment, bei Fitch fünf Notches unterhalb des Viability Ratings und bei S& P fünf Notches unterhalb des Stand Alone Credit Profiles.2) Zudem sind unterschiedliche Einschätzungen bezüglich einzelner Instrumente unterhalb der Rating-Agenturen zu sehen. Dies spiegelt die Heterogenität der Instrumente wider, sodass zumeist kein einheitliches und somit klares Rating für die einzelnen Instrumente vorliegt, beziehungsweise einzelne Komponenten unter den Agenturen unterschiedlich gewertet werden.

Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Aktienkurs und einer AT1-CoCo-Emission?

Eine Korrelation zwischen den Kursen von AT1-Anleihen und dem Aktienkurs wäre zu vermuten, vor allem aufgrund der eigenkapitalnahen Strukturen der Anleihen. Ein ähnlich sensitives Verhalten auf allgemeine Marktbewegungen und Implikationen bestärkt diese Vermutung. Als Beispiel: Die Korrelation zwischen der letzten AT1-Anleihe der Deutschen Bank und deren Aktienkurs zeigt über einen Zeitraum von rund einem Jahr eine Korrelation von 0,51 und liegt damit deutlich über der Korrelation zwischen Aktienkurs und Anleihen (Sr. Unsecured Benchmark Bond), jedoch trotzdem weit von einer 1,0 entfernt.

Welche Renditeerwartungen gibt es?

Das hängt ganz von der weiteren Entwicklung des Bankensektors und der entsprechenden Nachfrage ab. Momentan finden nur sehr wenige Transaktionen im Eigenkapitalmarkt für Banken statt. Aktuelle Preise sind daher nur schwer ableitbar. Es bleibt spannend, welche Kapitalkosten beziehungsweise welche Konditionen zukünftig für eine Bank ökonomisch tragbar und vor allem darstellbar sind. Eine künftig hohe Nachfrage kann die Preise weiter treiben. Als Refinanzierungsinstrument werden AT1-Anleihen wohl eine Alternative bleiben.

Welche Alternativen für das Eigenkapital-Funding gäbe es für kleine und große Banken?

Private AT1-Platzierungsformate stellen für kleinere Institute eine mögliche Alternative zur Schaffung von zusätzlichem Eigenkapital dar - entweder innerhalb oder auch außerhalb des Gesellschafterkontextes. Zudem können diese Institute Tier-2-Instrumente nutzen, um neben zusätzlichem Kernkapital auch Ergänzungskapital zu schaffen. AT1-Instrumente eignen sich primär für Banken mit etabliertem Kapitalmarktzugang. Diese Institute sind in der Lage entsprechend mit institutionellen Investoren zu kommunizieren, Marktstandards zu erfüllen und entsprechende Mindestvolumina umzusetzen.

Ein Blick in die Zukunft: Wie entwickelt sich der Markt für Investoren und welchen Einfluss hat das Phasein von Basel III?

Vor dem Hintergrund der sich verändernden Ertragssituation von Banken erscheint eine Eigenkapitalschöpfung durch Thesaurierung von Gewinnen in Zeiten eines anhaltenden Niedrigzinsumfelds schwierig. Die Ertragssituation der Stoxx-600-Institute spiegelt sich ebenso in den Aktienkursen und ihren Price-to-Book-Ratios wider. Letztere sind seit Mitte 2015 um rund 30 Prozent von 1,03x auf 0,75x gesunken - seit der Finanzkrise sogar um mehr als 65 Prozent. Kapitalerhöhungen scheinen daher im aktuellen Kontext wahrscheinlich nur mit erheblichen Abschlägen möglich zu sein.

Eine fundierte Studie der zeb Unternehmensberatung zeigt am Beispiel der 50 größten Institute in Europa, dass sich trotz der aktuell komfortablen Kapitalisierung zusätzlicher Kapitalbedarf ergeben wird - einerseits aus der Marktsituation beziehungsweise dem Zinsumfeld, wie auch durch die weitergehende Umsetzung der regulatorischen Bestrebungen. Hier wird erwartet, dass die durchschnittliche Eigenkapitalrendite der 50 größten europäischen Institute bis 2020 auf nahezu Null sinkt und damit voraussichtlich die Attraktivität des Sektors für externe Eigenkapitalgeber weiter abnehmen könnte. Demgegenüber steht der Kapitalbedarf, der aus den bis 2020 steigenden Kapitalanforderungen resultiert.

Banken haben an dieser Stelle kein Wahlrecht. Was das konkret für den Markt bedeutet, ist stark an die künftige Entwicklung des Bankensektors und des Kapitalmarktumfeldes geknüpft. Gerade die nahe Vergangenheit hat gezeigt, wie sensibel der Markt auf einzelne Ereignisse reagiert und welche langfristigen Auswirkungen diese haben können. Eine Stagnation könnte kurzfristig aufgrund von Marktverwerfungen wahrscheinlich sein. In diesem herausfordernden Umfeld haben AT1-Anleihen die Chance, sich erneut als valide Alternative zu einer Kapitalerhöhung oder an deren kapitalschöpfenden Maßnahmen zu etablieren.

Grafiken zur aktuellen Marktentwicklung von CoCo-Bonds sind unter Eingabe von Autorenname und/oder Titel auf unserer Homepage kostenlos abrufbar: www.kreditwesen.de

CoCo-Bonds - ein Baustein in den Regulierungsvorhaben Die Entstehung des sich seit 2012 entwickelnden Contingent Convertible Bonds-Segments - kurz CoCo-Bonds - ist ein Baustein in den Regulierungsvorhaben seit der Finanzkrise. Das resultierende regulatorische Rahmenwerk Basel III und die damit verbundene Beteiligung von Nachranggläubigern - Stichwort: zusätzliches Kernkapital - schafft die Grundlage für diese AT1- beziehungsweise Tier-2-CoCo-Anleihen. Gerade große europäische Institute nutzen diese zweite Generation von Hybridanleihen, um auslaufende Instrumente, die die Anrechnung als zusätzliches Kernkapital verlieren, zu ersetzen und die durch Basel III bis Ende 2018 geforderten Kapitalquoten qualitativ und quantitativ zu erfüllen.Grundsätzlich kritisiert wurden die Eigenkapitalerfordernisse, die an Banken unter Basel II gestellt worden sind - insbesondere da keine adäquate Anpassung des Eigenkapitals an Art, Größe und Charakteristika der Risikoaktiva stattgefunden hat. Basel II erlaubte, dass rund 50 Prozent des Kernkapitals aus Hybridkapital besteht. Das darüber hinausgehende Volumen wurde nicht angerechnet. Unter Basel III findet deshalb eine Unterscheidung statt zwischen Going-Concern-Kapital, also CET1- und AT1-Kapital, sowie Gone-Concern-Kapital, dem Ergänzungskapital oder Tier-2-Kapital. Dabei dient das Going-Concern-Kapital dazu, Verluste auszugleichen und die Geschäftstätigkeit der Bank sicherzustellen. Gone-Concern-Kapital dient dazu, Verluste bei Nicht-Fortführung des Betriebs auszugleichen.Generell verfügen AT1-Anleihen über keine festen Rückzahlungsmodalitäten. Die Anleihe darf frühestens nach fünf Jahren vonseiten des Emittenten gekündigt werden. Eine Kündigung kann nur erfolgen, wenn genügend Mittel für eine Rückzahlung vorhanden sind und zuvor eine aufsichtsrechtliche Zustimmung eingeholt worden ist. Weiterhin darf keine feste Verpflichtung des Emittenten bestehen, einen Kupon zu zahlen, ähnlich wie bei der Dividendenausschüttung. Darüber hinaus orientiert sich der Anteil des Kupons, der ausgezahlt wird, an dem Maximum Distributional Amount (MDA) des emittierenden Finanzinstitutes. Und das wiederum kann durch die Aufsichtsbehörden oder den Vorstand diskretionär entschieden werden. Daher stammt auch der Begriff der "doppelten Diskretionarität".

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