Redaktionsgespräch mit Stefan Ermisch

"Wir entwickeln jetzt die nach vorne gerichtete Bank, damit sie einem Investor Freude macht"

Stefan Ermisch, CEO, Hamburg Commercial Bank (HCOB), Hamburg

Quelle: HCOB

Dass der laufende Verkaufsprozess seines Hauses das Neugeschäft derzeit nicht gerade beflügelt, räumt Stefan Ermisch im Redaktionsgespräch offen ein. Die eigenen Ziele im Kundengeschäft sieht der Vorsitzende des Vorstands im Verlauf des ersten Halbjahres 2017 gleichwohl übertroffen und dem potenziellen Käufer stellt er in der Kernbank ein jährliches Ergebnispotenzial vor Steuern von 350 Millionen Euro in Aussicht. Darüber hinaus verweist er auf gute Leistungskennziffern sowie sichtbare Erfolge des Branchenansatzes mit Schwerpunkten bei erneuerbaren Energien, Infrastruktur, Handel, Gesundheitswirtschaft sowie Industrie und Dienstleistung. Perspektivisch hält er auch das Segment Schiffe in seinem stark zurückgeführten Zuschnitt für weiterhin attraktiv. (Red.)

Herr Ermisch, beeinflusst der politische Wechsel in Schleswig-Holstein Ihrer Wahrnehmung nach den Verkaufsprozess der HSH Nordbank?

Ich hoffe und setze auf Kontinuität. Es ist im Interesse der beiden Länder, die in ihrer Rolle als öffentliche Eigentümer in der Verantwortung stehen, den Verkauf zum Erfolg zu führen. Deshalb eignet sich dieses Thema überhaupt nicht für parteipolitische Auseinandersetzungen. Es darf hier nur um die Sache gehen.

Wie bewerten Sie die Stellungnahme der Finanzministerin aus Schleswig-Holstein und des Hamburger Finanzsenators zum Stand des Verkaufsprozesses per Ende Juni 2017?

Die Stellungnahme von Monika Heinold und Peter Tschentscher spricht für sich: Wir sind im Plan. Das ist eine gute Nachricht. Es gibt genügend ernsthafte Interessenten, die in unserem Datenraum sehr aktiv sind und die wir mit vielen Informationen versorgen. Im Sommer analysieren die Bieter unsere Bank noch intensiver, für den Herbst rechnen wir mit verbindlichen Angeboten.

Was beansprucht Sie derzeit zeitlich mehr, der Verkaufsprozess Ihres Hauses oder die Weiterentwicklung der Kernbank? Wie viel Ihrer Arbeitskraft können Sie rein zeitlich derzeit der Weiterentwicklung der Kernbank widmen?

Um es klar zu sagen: Wir machen derzeit natürlich Multitasking - und zwar in verschärfter Form. Im aktuell herausfordernden Umfeld als Bank zu bestehen ist schwer genug, gelingt uns aber gut. Das zeigt unser Jahresergebnis 2016 genau wie das positive Resultat der ersten drei Monate 2017, in denen wir einen Vorsteuergewinn von 128 Millionen Euro erzielt haben. Auch das zweite Quartal läuft zufriedenstellend. Neben dem operativen Geschäft entwickeln wir die Bank organisatorisch weiter - die HSH Nordbank hat ihre Restrukturierung in der Kernbank zu weiten Teilen abgeschlossen. Unsere Prozesse sind sicher und auf dem aktuellen Stand. Das bescheinigt uns übrigens auch die Aufsicht. Wir entwickeln jetzt die nach vorne gerichtete Bank, damit sie einem Investor Freude macht.

Gleichzeitig unterstützen wir unsere Eigentümer nach Kräften bei der Privatisierung. Dazu gehört beispielsweise, dass wir einen Datenraum mit etwa 20 000 Dokumenten eingerichtet haben. Unsere Teams beantworten hunderte detaillierter Fragen. Das ist echte Arbeit. Aber wir machen das gern, weil wir überzeugt sind, damit einen wichtigen Beitrag zum erfolgreichen Verkauf und damit zur Zukunft der Bank zu leisten.

Verstehen Sie grundsätzlich die Weiterentwicklung der Kernbank und das Management der Abbaubank als gleichgewichtige Teile Ihrer Arbeit?

Beide Aspekte sind sehr wichtig. Ich bin allerdings sehr froh, dass sich mein Vorstandskollege Ulrik Lackschewitz sehr erfolgreich mit dem Abbau befasst. Dabei machen wir große Fortschritte. Allein vergangenes Jahr haben wir Altlasten in Höhe von zehn Milliarden Euro (EaD) abgebaut. Das gibt mir den Raum, mich vorrangig um die Weiterentwicklung der Kernbank zu kümmern.

Mit welchen Geschäftsfeldern der Kernbank fühlen Sie sich am wohlsten, welche halten Sie für ausbaufähig?

Wir sind breit aufgestellt und alle Bereiche haben weiteres Potenzial. Ein neuer Eigentümer wird das - befreit von aktuellen Beschränkungen - zu nutzen wissen. Bei der gewerblichen Immobilienfinanzierung sind wir mit unserer anerkannten Strukturierungskompetenz seit vielen Jahren einer der großen und starken Player in Deutschland. Im Bereich Unternehmenskunden erreichen wir in Norddeutschland eine hohe Marktdurchdringung und sind auch in anderen Teilen Deutschlands erfolgreich. Dabei zahlt sich unser Branchenansatz aus: Bei erneuerbaren Energien, Infrastruktur, im Handel, in der Gesundheitswirtschaft, bei Industrie und Dienstleistung und in vielen anderen Bereichen sind wir als Bank erfolgreich.

Im Shipping, mit dem wir traditionell verbunden sind, haben wir unsere Aktivitäten reduziert. Derzeit schließen wir nur sehr selektiv Neugeschäft ab. Dieser Bereich ist in der Kernbank nur noch etwa halb so groß wie Immobilienkunden oder Unternehmenskunden. Die Gewichte haben sich deutlich verschoben. Die Schifffahrtsindustrie steckt seit vielen Jahren in einer historischen Krise, die sie durch die Schaffung von Überkapazitäten selbst produziert hat. Aber dennoch: Perspektivisch ist Shipping interessant, denn der Welthandel ist ohne Seetransport nicht möglich. Wir bleiben dem Segment Shipping in der Zukunft treu - allerdings auf einem völlig anderen Fundament als früher. Ein weiterer wichtiger Teil der Bank ist der Bereich Treasury & Markets, in dem die Kapitalmarktfunktionen gebündelt sind - wir verstehen uns hier als Dienstleister unserer Kunden genauso wie im Wealth Management.

Inwieweit konzentrieren Sie sich bei der Entwicklung der Kernbank auf den Erhalt der Geschäftsbeziehungen? Gibt es für zukunftsgerichtete strategische Entscheidungen mit Blick auf die Kernbank eine selbst auferlegte Zurückhaltung bis zum Ende des Verkaufsprozesses?

Wir entwickeln die Kernbank konsequent weiter. Die Investoren sollen eine Bank übernehmen können, die nach vorne gerichtet ist und die ihre Hausaufgaben gemacht hat. Dazu gehört, dass wir intensiv und durchaus erfolgreich um neue Kunden kämpfen - aber natürlich pflegen wir unseren Bestand ebenfalls intensiv. Man darf eins nicht vergessen: Mit der HSH steht eine Bank in einer wirtschaftlich starken Region in einem der ökonomisch stärksten Länder der Welt zum Verkauf - so eine Gelegenheit gibt es nicht sehr oft. Die Leistungskennziffern der Kernbank sind gut.

Wie wichtig für den Erfolg sind die Geschäftsaktivitäten der HSH-Kernbank mit den Sparkassen ausgerichtet beziehungsweise vom Sparkassengeschäft abhängig? Erwarten Sie an dieser Stelle je nach Verlauf des Verkaufsprozesses Auswirkungen, sprich eine Verlagerung der Geschäftsbeziehungen?

Die Sparkassen sind unsere Geschäftspartner, sie sind Stakeholder und wir sind Mitglied im Haftungsverbund. Insofern befinden wir uns in einem permanenten und guten Dialog. Unsere Kernbank-Aktivitäten sind allerdings nicht mehr primär an den Sparkassen ausgerichtet. Unabhängig vom Verlauf der Privatisierung wünsche ich mir enge Beziehungen zu den Sparkassen, denn sie sind ein starker Teil der deutschen Bankenlandschaft.

Welche Rolle spielt das Konsortialgeschäft für die HSH-Kernbank? Wie könnte sich an dieser Stelle der Verkauf auswirken?

Das Konsortialgeschäft spielt eine wichtige Rolle, und zwar weit über unsere Beziehungen zu den Sparkassen hinaus. Daran dürfte sich durch den Eigentümerwechsel nichts ändern.

Die HSH Nordbank spricht auch im ersten Quartal 2017 von einem operativ erfolgreichen Geschäftsverlauf. Registrieren Sie keine Störeffekte durch den Verkaufsprozess? Oder umgekehrt gefragt: Könnte ohne den Verkaufsprozess das Potenzial besser ausgeschöpft werden?

Natürlich erleichtert der Verkaufsprozess das Neugeschäft nicht. Wir müssen uns vielen - durchaus verständlichen - Fragen unserer Kunden stellen, die wir offen beantworten. Aber trotzdem haben wir unsere ambitionierten Ziele im Neugeschäft sogar übertroffen. Wir stehen im Rahmen unserer Möglichkeiten, schließlich wird das Verfahren von den Ländern Hamburg und Schleswig-Holstein gesteuert, für Transparenz im Verkaufsverfahren.

Natürlich nutzen auch Wettbewerber die Situation, um unsere Kunden gezielt anzusprechen. Umso höher ist einzuschätzen, dass wir unser Neugeschäft in den ersten drei Monaten des Jahres um 26 Prozent auf 2,15 Milliarden Euro gesteigert haben. Das ist ein Beleg für unsere operative Stärke sowie für unsere Kompetenz und unsere guten Beziehungen zu den Kunden. Wir kennen die Märkte, wie haben viel Erfahrung sowie ein gutes Netzwerk - das zahlt sich aus. Die Kernbank bietet Investoren, die im deutschen Bankenmarkt aktiv werden möchten oder hier ihre Position ausbauen wollen, eine exzellente Plattform für das Wholesale Banking.

Mit welchen Instituten sieht sich die HSH-Kernbank im Wettbewerb?

Die Liste ist lang, denn - das wissen Sie - Deutschland und speziell der deutsche Mittelstand ist bei Banken, auch aus anderen europäischen Ländern, sehr beliebt. Wir nehmen diese Konkurrenzsituation an und kommen damit gut zurecht. Das zeigen unsere Ergebnisse. Wir punkten nicht über den Preis, sondern über unsere Kompetenz, unsere Handlungsschnelligkeit, unsere Lieferfähigkeit und Zuverlässigkeit.

Versteht sich die HSH-Nordbank vom Geschäftsmodell her als Regionalbank?

Nein, wir sehen uns als Geschäftsbank, die zwar im Norden verankert, aber weit darüber hinaus aktiv und erfolgreich ist.

Wie sieht die geplante Entwicklung der Kernbank aus, die Sie Stand heute einem möglichen Käufer präsentieren können? Welche Verschlankungsprozesse sind noch eingeleitet beziehungsweise geplant? Welche Aktivitäten sollen gegebenenfalls ausgebaut werden?

Die Kernbank wird sich nach vorne gerichtet auf unsere zentralen Geschäftsfelder konzentrieren: Das gesamte Firmenkundengeschäft mit so starken Segmenten wie erneuerbare Energien, in dem wir europaweit zu den führenden Banken gehören, ist dafür nur ein gutes Beispiel. Aber auch in der Gesundheitswirtschaft, im Handel, bei Industrie und Dienstleistungen oder bei Finanzierungen von Infrastrukturprojekten sehen wir Potenzial genau wie im Wealth Management.

Dazu kommt unsere Immobilienfinanzierung, bei der wir gerade bei komplexeren Strukturen unsere Stärken ausspielen, das Kapitalmarktgeschäft sowie Transaction Banking. Langfristig bietet auch das Shipping gute Chancen, vielleicht weniger in Deutschland, aber dafür mehr im Ausland. Wir rechnen damit, dass unsere Kernbank - in einer Segmentbetrachtung - künftig ein Gesamtertragspotenzial von etwa 750 Millionen Euro hat, das Ergebnispotenzial vor Steuern sollte bei etwa 350 Millionen Euro pro Jahr liegen. Das kann sich sehen lassen.

Was unsere Effizienz anbetrifft - hier haben wir in den vergangenen Jahren viel verbessert. Aber natürlich muss es das Ziel jedes Unternehmens sein, die Produktivität weiter zu steigern. Das ist ganz unabhängig davon, was bereits erreicht wurde.

Wie viele Mitarbeiter der Bank arbeiten an der Verkleinerung des Abbauportfolios? Inwieweit werden dabei externe Spezialisten einbezogen?

Damit sind sehr viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter befasst, das ist eine dreistellige Zahl. Und ja, wir machen den Abbau mit unseren eigenen Leuten, das läuft sehr gut. Nur bei speziellen juristischen, steuerlichen oder regulatorischen Fragen holen wir uns den Rat von entsprechenden Fachleuten.

Leistungsgestörte Schiffsaktivitäten abbauen zu wollen, ist derzeit ja kein Privileg der HSH Nordbank. Kommt man sich an dieser Stelle mit anderen Banken, die ebenfalls ihr Schiffsportfolio verkleinern wollen, in die Quere? Oder gibt es auf diesem Feld sogar Ansätze für eine Zusammenarbeit oder zumindest einen Informationsaustausch?

Sie haben recht: Derzeit versuchen viele Banken, sich von Schiffskrediten - nicht nur von leistungsgestörten - zu trennen. Eine Zusammenarbeit gibt es rein zwangsläufig, denn nicht selten haben mehrere Banken eine Schiffsfinanzierung gemeinsam bereitgestellt. Allerdings verfolgt jede Bank in der Restrukturierung - unabhängig vom Shipping - ihre eigene Strategie und ihre eigenen Interessen. Das ist verständlich, führt aber automatisch zu Diskussionen.

Ein Verkauf außerhalb der Sparkassenorganisation eröffnet auch neue Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit. Werden solche Möglichkeiten schon durchgespielt?

Klar, eine neue Eigentümerstruktur eröffnet neue Perspektiven. Derzeit ist es aber zu früh, sich detaillierte Vorstellungen zu machen. Erst muss klar sein, wie die Besitzverhältnisse im nächsten Jahr geregelt sind. Wir gehen Schritt für Schritt voran. Das haben wir bislang so gemacht, damit sind wir gut gefahren. Auch für den weiteren Verlauf des Eigentümerwechsels bin ich optimistisch.

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