Fragen an ... ... Richard David Precht

Geld im Spiegel der Philosophie

Richard David Precht

Im Rahmen des Bargeldsymposiums der Bundesbank war der Philosoph, Publizist und Autor Richard David Precht eingeladen, um das Thema Geld in das Licht der Philosophie zu stellen. Zu Beginn seines Vortrags stellte er rhetorisch die Frage nach der Kompetenz eines Philosophen, sich zu diesem Thema zu äußern, um sie zugleich zu beantworten: Die Aufgabe des Philosophen sei es, Dinge in einen größeren Zusammenhang zu stellen. Damit betonte Precht seine Rolle als Außenstehender und Gegenpol zur im Raum versammelten Bargeld-Kompetenz.

Mit einem Streifzug durch die Zeit erläuterte Precht das Werden des Geldes von seiner Erfindung im 7. Jahrhundert vor Christus über die antike Münzwirtschaft bis zum Wechsel und Papiergeld der Neuzeit. Erst die Entstehung und Entwicklung des Geldes zu seiner heutigen Form habe den gegenwärtigen Wohlstand ermöglicht. Der Philosoph erkenne drei Eigenschaften des Geldes, die ganz wesentlich seien: Die Überwindung von Grenzen; Geld strebe nach Globalisierung. Die Virtualisierung; nicht was Geld physisch ist, sei entscheidend, sondern was man damit machen kann.

Zuletzt und seiner Meinung nach zukunftsweisend, die Digitalisierung; die Zweiteilung in Soll und Haben, die Betonung der Marktnormen gegenüber den Sozialnormen. Nachdem Richard David Precht dem Thema Geld die versprochene Tiefe verliehen hatte, stand er für ein kurzes Interview zur Verfügung.

Herr Precht, zahlen Sie lieber mit Bargeld oder Karte?

Darüber denke ich wenig nach. Aber ich wünsche mir nicht das Verschwinden des Bargeldes. In einer bargeldlosen Welt wären sehr viele Menschen nicht in der Lage, sich entsprechend zu orientieren. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Verschuldung der privaten Haushalte steigt, halte ich für sehr hoch und für ein gefährliches Unterfangen. Ähnlich wie das schon durch Kreditkarten passiert ist.

Der Begriff Geld steht für Münzen, Scheine oder Sichtguthaben. Mithilfe des Geldes werden auch Schuldbeziehungen zwischen Menschen organisiert. Wofür steht Geld für Sie als Philosoph?

Geld ist in der Antike in einer Welt von differenzierten Produkten und einer zunehmend arbeitsteiligen Gesellschaft erfunden worden. Es diente dem Zweck, zwischen Produkten und den Bedürfnissen der Menschen zu vermitteln. Durch ein Tertium comparationis, also durch ein Drittes, sollte eine Ebene eingezogen werden, durch die die Waren und die Menschen miteinander vergleichbar wurden. Am Anfang der Geschichte stellte das Geld einen Materialwert dar, dieser ist im Laufe der Geschichte aber immer weniger relevant geworden. Bis hin zur Einführung des Papiergeldes und in Form von Kartenzahlungen unterlag das Geld einem Abstraktionsprozess. Das Abstrakte selbst ist aber von jeher Bestandteil des Geldes. Und so wird die Natur des Geldes umso freier gesetzt, je abstrakter Geldbeziehungen gehandhabt werden. Das Geld entwächst den Kinderschuhen und wird erwachsener. Die Frage ist nur, ob es dann irgendwann überreif wird und für uns nicht mehr allzu günstig zu handhaben.

Könnte es angesichts dieser fortschreitenden Abstraktion dazu kommen, dass die Menschen Vertrauen in das Geld verlieren?

Das sehe ich nicht. Die Menschen verlieren das Vertrauen in die Finanzmärkte. Das ist aber nochmal ein Unterschied. Der Anteil der Menschen, die sich für ein ökonomisches System ohne Geld aussprechen würden, dürfte bei etwa einem Prozent liegen. Der Teil, der bei einer Umfrage angeben würde, dass er den Finanzmärkten nicht traut, dürfte bei 70 bis 80 Prozent liegen.

Steht das nicht im Widerspruch zum tatsächlichen Verhalten der Menschen? Viele profitieren doch vom Finanzsystem und nehmen beispielsweise einen Immobilienkredit auf.

Die Frage ist, ob ich die Kräfte, die auf den Finanzmärkten entstehen, für so entfesselt halte, dass sie nicht mehr demokratisch kontrolliert werden können.

Führt das zu einem Unbehagen oder gar einer Angst vor den Märkten?

Meine große Leidenschaft ist Zoologie und deswegen habe ich ein zoologisches Bild, um diese Angst genauer zu erklären. Eine portugiesische Galeere ist eine Qualle, die wie eine Seeblase oben auf dem Wasser treibt und unten ganz lange Tentakel hat. Sie sieht aus wie ein einzelnes Tier. Die portugiesische Galeere besteht aber aus Millionen von Tieren. Jedes einzelne Stück dieser Seeblase ist ein einzelner Organismus, der eine andere Funktion hat. Zu diesen zählt es, Giftpfeile abzuschießen oder für den Ernährungs- und Verdauungskreislauf zu sorgen. Die portugiesische Galeere gehört damit zur Familie der Staatsquallen, ist also ein staatenbildendes Tier.

Es ist äußerst faszinierend, wie jeder einzelne Organismus perfekt das tut, was für ihn und auch für den Gesamtorganismus das Beste ist. Die portugiesische Galeere hat nur einen Nachteil. Es gibt niemanden, der darüber entscheidet, wo sie hinschwimmt. Sie wird stattdessen von den Wellen und vom Wind hin- und hergetrieben.

Dieses Bild ist auf die Finanzmärkte übertragbar. Auch hier besteht viel Schärfe, Rationalität und Kalkül im Einzelnen und eine ungeheuerliche Gleichgültigkeit im Ganzen. Das macht den Menschen Angst.

Um eine andere Sicht zu nehmen: Manche verbinden Geld mit Glück. Ist Glück mit Geld zu quantifizieren?

Wenn man deutlich weniger Geld hat, als der Bevölkerungsdurchschnitt der Gesellschaft, in der man lebt, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass man unglücklich ist, recht hoch. Man hat das Gefühl, kein gleichwertiger Teil dieser Gesellschaft zu sein. In vielen Entwicklungsländern ist das natürlich ein riesiges Problem. Dort kann man sich dann die Dinge, die man zum Leben braucht, nicht leisten.

In unseren Gesellschaften ist aber die Statusarmut das Hauptproblem. Man möchte mindestens im Durchschnitt liegen oder ein klein bisschen darüber. Sobald Sie aber mehr Geld haben, werden Sie ihr soziales Umfeld ändern und dann wieder mit Leuten zusammen sein, die wiederum sehr viel mehr Geld haben als Sie. Und dabei gibt es ja überhaupt keine Grenze. So kommen Sie immer wieder in die gleiche Statusfalle, in der Sie bereits waren.

Armut und Reichtum werden immer relativ empfunden und zwar nicht nur zu den anderen Menschen im eigenen Land, sondern vor allem zu der Gruppe, zu der ich mich zugehörig fühle. Das sorgt dafür, dass das Glück mit zunehmendem Wohlstand ab einem bestimmten Punkt nicht mehr wächst.

Zur Person Richard David Precht, geboren 1964, ist Philosoph, Publizist und Autor und einer der profiliertesten Intellektuellen im deutschsprachigen Raum. Er ist Honorarprofessor für Philosophie an der Leuphana Universität Lüneburg sowie Honorarprofessor für Philosophie und Ästhetik an der Hochschule für Musik Hanns Eisler in Berlin.Seine Bücher wie "Wer bin ich - und wenn ja, wie viele?", "Liebe - ein unordentliches Gefühl" und "Die Kunst, kein Egoist zu sein" sind internationale Bestseller und wurden in insgesamt mehr als 40 Sprachen übersetzt. Seit 2012 moderiert er die Philosophiesendung "Precht" im ZDF.Quelle: www.randomhouse.de
Noch keine Bewertungen vorhanden


X