Redaktionsgespräch mit Peter Nettesheim

"Die Notwendigkeit und der Nutzen aus unseren Investitionen wird gesehen und eine Finanzierung auf breiter Ebene mitgetragen"

Dr. Peter Nettesheim, Geschäftsführer, Sparkassen Rating und Risikosysteme GmbH, Berlin

Quelle: Sparkassen Rating und Risikosysteme GmbH

Ursprünglich als Dienstleister der S-Finanzgruppe für die Entwicklung und Pflege von Rating-Verfahren und Methoden des Adressenrisikomanagements geschaffen, ist die Sparkassen Rating und Risikosysteme GmbH (SR) mittlerweile in der Gruppe auch zur Unterstützung bei der Banksteuerung gefragt. Insbesondere die Rating-Verfahren werden von vielen Praktikern als echtes Asset und Alleinstellungsmerkmal gewürdigt. Geschäftsführer Peter Nettesheim lobt im Redaktionsgespräch ausdrücklich die gute Zusammenarbeit in den zuständigen Gremien der Gruppe bei der Festlegung wichtiger Themen der SR sowie der Sicherstellung der Finanzierung. Auch bei der regelmäßigen Prüfung und Zulassung der Verfahren durch die Aufsicht registriert er eine Wertschätzung für die Qualität der Verfahren. Von der EZB erhofft er sich ähnlich wie bei der nationalen Aufsicht eine Bereitschaft, auch Poolverfahren in ihren Prozessen adäquat zu berücksichtigen. (Red.)

Herr Dr. Nettesheim, wie lässt sich schlagwortartig die Entstehung sowie das Arbeitsfeld der Sparkassen Rating und Risikosysteme (SR) skizzieren? Wie hat sich das Produkt- und Dienstleistungsspektrum entwickelt?

Die Gründung der SR 2004 wurde maßgeblich durch das anstehende Basel-II-Regelwerk ausgelöst. Mit seiner 100-prozentigen Tochter wollte der DSGV seinerzeit einen zentralen Dienstleister in der Sparkassen-Finanzgruppe für die Entwicklung und Pflege von Rating-Verfahren und Methoden des Adressenrisikomanagements schaffen. Aufgrund der deutlich zugenommenen Regulierung seit Beginn der Finanzkrise und der stark quantitativ ausgerichteten Aufsicht hat der DSGV-Vorstand dann 2015 die SR beauftragt, zu den Aufgaben der Banksteuerung den Sparkassen Unterstützungsleistungen anzubieten.

Ein essenzieller Teil für den Erfolg bei der Unterstützung der Sparkassen ist die Zusammenarbeit der SR mit dem DSGV und der Finanz Informatik (FI), dem zentralen IT-Dienstleister der Gruppe. Während wir auf fachlich-operative Unterstützung ausgerichtet sind, setzt die FI die Vorgaben technisch um. Die strategische Ausrichtung und die Begleitung aufsichtlicher Konsultationen werden weiterhin durch den DSGV verantwortet.

Inwieweit sind die Mitarbeiterzahlen mit dem zunehmenden Aufgabenspektrum mitgewachsen?

2004 ist die Sparkassen Rating und Risikosysteme als sehr kleine Einheit mit wenigen Mitarbeitern als Ausgründung des DSGV gestartet. Als ich 2009 als Geschäftsführer angefangen habe, waren es zirka 50 bis 60 Mitarbeiter. Aktuell beschäftigt die SR 170 Mitarbeiter und wird voraussichtlich leicht weiterwachsen. Falls neue Themen hinzukommen sollten, gilt das natürlich ohnehin. Durch die Vielzahl regulatorischer Initiativen und Anforderungen ebbt die Nachfrage nach Unterstützung nicht ab. Offensichtlich empfinden die Kunden unsere Unterstützung qualitativ als hochwertig und erleben vor Ort spürbare Entlastungen.

Welche Qualifikationen bringen Ihre Mitarbeiter mit? Haben diese einen Bank-Hintergrund oder beschäftigen Sie vorwiegend Mathematiker und Physiker?

Mit Blick auf die fachliche Ausrichtung unserer Mitarbeiter kann man im Wesentlichen drei Gruppen unterscheiden. Die erste besteht aus stark quantitativ ausgerichteten Experten für mathematische Modelle. Diese werden zweitens aber eng begleitet von Mitarbeitern mit guter betriebswirtschaftlicher Ausbildung sowie gleichzeitig starker Bank-, Sparkassen- oder Landesbankkenntnis und einer hohen Affinität zu quantitativen Methoden. Diese Gruppe fungiert als "Kommunikator" und dokumentiert und präsentiert die intern entwickelten Modelle und Validierungsergebnisse bei den Mitarbeitern unserer Kunden. Sie schaffen also quasi die Übersetzungsleistung von den Modellen hin zur Realität in den Sparkassen oder Landesbanken.

Die dritte Mitarbeitergruppe der SR sind IT-Experten, die in Abstimmung mit der Finanz Informatik effiziente Analysewerkzeuge für unsere großen Datenpools bereitstellen. Heutzutage ist die ständige Weiterentwicklung der Analysemöglichkeiten ein wesentlicher Treiber für den Erhalt und den Ausbau der Leistungsfähigkeit unseres Hauses.

Sind oder waren die dafür benötigten Investitionsmittel ein Engpass für die erforderliche Ausstattung Ihres Hauses?

Nein. Aber unsere finanzielle Mittelausstattung verlangt immer eine Priorisierung. Und natürlich müssen wir die Notwendigkeit unserer Investitionen und den Nutzen aus der Mittelausstattung den Mitgliedern in den zuständigen Gremien genau erklären, um deren Unterstützung zu erhalten. Aber bisher hatte ich bei der Mehrzahl unserer Themen immer das Gefühl, dass sowohl die Notwendigkeit und der Nutzen aus unseren Investitionen gesehen und damit auch eine Finanzierung auf breiter Ebene mitgetragen wird.

Wie transportiert Ihr Haus die Informationen über seine Produkt- und Dienstleistungspalette in die Sparkassen-Finanzgruppe? Brauchen Sie dafür einen speziellen Vertrieb?

Das sind mehrschichtige Abläufe. Wir versammeln die Experten der Gruppe regelmäßig an einem Tisch und holen deren Expertise ein. Konkret arbeiten Mitarbeiter aus Instituten, Verbänden, den Prüfungsstellen und den Verbundunternehmen dazu in vielen Arbeitskreisen und Gremien mit uns zusammen. Es werden mögliche Projekte benannt und Prioritätenlisten aufgestellt. Das weist uns den Weg hin zur Entwicklung konkreter Lösungen.

Beim Weg zurück, also der Information und dem Rollout unserer Produkte in die Fläche, bedienen wir uns der Regionalverbände. Wir stellen dafür Unterlagen zentral bereit. Unsere Mitarbeiter informieren und schulen die Sparkassen gemeinsam mit den Regionalverbänden in speziell darauf ausgerichteten Veranstaltungen, die in den Regionen stattfinden. Die Betreuung der einzelnen Sparkassen im First-Level-Support findet in den Regionalverbänden statt. Für den Second-Level-Support, also alle Fragen, die nicht direkt beantwortet werden können, stehen wir dann wieder zur Verfügung.

Müssen Sie Ihr Leistungsspektrum in der Fläche vertreiben und den Instituten Ihre Dienstleistungen aktiv vorstellen?

Neben unseren Kommunikatoren benötigen wir keine eigene Vertriebstruppe. Mittlerweile kennt man uns und unsere Arbeit in der Sparkassen-Finanzgruppe. Trotzdem müssen wir natürlich den Kosten-Nutzen-Aspekt unserer Arbeit rechtfertigen. Bei der Erarbeitung von Lösungen steht der Nutzen einzelner Dienstleistungen für die Institute immer im Zentrum.

Wie ist die Bezahlung für Ihre Leistungen geregelt?

Wir sind nicht umlagefinanziert, sondern haben ein Preismodell, das vom Aufsichtsrat genehmigt worden ist. Dort wird auch über Preisanpassungen entschieden. Besetzt ist dieses Gremium mit Sparkassenvorständen, Verbandsgeschäftsführern und Landesbankenvorständen. Den Vorsitz hat Dr. Karl-Peter Schackmann-Fallis, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des DSGV. Die Institute selbst können unsere Leistungen buchen. Die meisten unserer Verfahren werden von allen Sparkassen genutzt und die Rating-Verfahren auch von den Landesbanken, Landesbausparkassen und einer Reihe sonstiger Institute. Einzelne Institute verzichten aber auf einzelne Rating-Verfahren, weil sie diese in ihrem Geschäftsmodell nicht benötigen.

Ist es denkbar, die Angebote der SR auch über die Sparkassen- Finanzgruppe hinaus anzubieten?

Die Rating-Verfahren werden in der Sparkassen-Finanzgruppe als ein echtes Asset und Alleinstellungsmerkmal angesehen. Dementsprechend möchten die Institute vorrangig Nutznießer der guten Prognosegüte sein. Ausnahmen sind Förderinstitute. In der Banksteuerung geht es eher um die Abarbeitung regulatorischer Anforderungen. Dort könnte man sich Gedanken machen, an welchen Stellen man mit Kunden außerhalb der Gruppe zusammenarbeiten kann, um Synergien zu heben.

Der DSGV hat wiederholt die hohe Qualität der Sparkassen-Rating-Verfahren betont und sie nicht zuletzt auf die breite Datengrundlage aus der Sparkassen-Finanzgruppe zurückgeführt. Lässt sich gegenüber Rating-Verfahren anderer Bankengruppen tatsächlich ein Vorsprung erkennen?

Es gibt bekanntlich strenge Vorgaben an die Validierung von Rating-Verfahren, unsere sind alle nach IRB-Standard (Internal Rating Based Approach) von der Aufsicht zugelassen. Unsere Verfahren werden jährlich auf ihre Funktionalität und Qualität überprüft und bestätigen dabei ihre gute Prognosegüte. Die Datenmenge, aber auch die Datenqualität, sind dabei das Entscheidende für die Entwicklung dieser Rating-Verfahren. Mit der Konkurrenz ist das allerdings schwer zu vergleichen, es sind verschiedene Ansätze und unterschiedliche Datengrundlagen im Spiel.

Wie stuft die Aufsicht Ihre Rating-Verfahren ein? Spüren Sie im Zuge der Neubewertung interner Modelle ein Umdenken?

Wir sind auf der Rating-Seite Anbieter von Poolverfahren. Das heißt, wir poolen die Daten und haben viele Häuser, die diese Rating-Verfahren nutzen. Solche IRB-Verfahren unterliegen zentralen Abnahmeprozessen. Und an dieser Stelle sind wir darauf angewiesen, dass die EZB ihre ursprünglichen institutsindividuellen Abnahmeprozesse an Poolverfahren anpasst. Die deutsche Aufsicht hat sich unter dem Gesichtspunkt der Vorteile von Poolverfahren immer sehr dafür eingesetzt. Die EZB mit ihrem Blick auf ganz Europa und nicht nur Deutschland scheint aktuell dabei zu sein, auch Poolverfahren in ihren Prozessen adäquat zu berücksichtigen. Wir sind hoffnungsvoll, dass die EZB hierbei die Vorteile von zentralen Poolabnahmen für die Aufsicht und die Institute auch realisiert.

Bei vielen Erhebungen der Aufsicht wird die Datenqualität beklagt. Inwieweit hat ein Unternehmen wie die SR Einfluss auf die Steuerung der Datenqualität?

Wir sind mittlerweile sehr streng geworden in der Überwachung der Anwendung unserer Rating-Verfahren. Die gleichartige Nutzung der Systeme ist dabei eine ganz wesentliche Voraussetzung für gute Qualität. Das führt dazu, dass wir den Instituten nicht nur klare Vorgaben machen, wie unsere Rating-Verfahren anzuwenden sind, sondern wir überprüfen auch die Ergebnisse, die wir bekommen, mit verschiedensten Analysen. Im Anschluss liefern wir den Instituten Berichte, in denen sie erkennen können, ob sie die Verfahren korrekt anwenden, ob die Datenqualität richtig ist oder die Indikatoren dafür sprechen, dass die Prozesse nicht richtig gelebt werden.

Auch die Abschlussprüfer und die Interne Revision schauen übrigens mittlerweile verstärkt auf unsere Berichte zum Thema Datenqualität. Uns spiegeln sie dann anschließend zurück, ob alles funktioniert oder nicht.

Wie läuft das Zusammenspiel und der Austausch mit der Praxis? Wie werden Bedarfsanalysen gemacht?

Sich auf die Anforderungen der Kunden zu fokussieren, ist für jeden Dienstleister eine essenzielle Herausforderung. Bei uns gibt es mehrere Schienen, auf denen wir die Bedürfnisse der Institute abprüfen. Ein Weg führt über unsere Gremien und Arbeitskreise. Dort wird jährlich erhoben, welche Anforderungen existieren und es werden in einem sehr transparenten Prozess Prioritäten gesetzt. Daneben bitten wir jedes Institut, sich an sogenannten Nutzerfeedbacks zu beteiligen. Dabei werden verschiedene Fragen geklärt: Funktionieren die Verfahren so, wie die Sparkassen es sich erwarten? Sehen die Institute aktuell Änderungsbedarf? Welche Themen müssen als Nächstes angegangen werden? Der dritte Treiber schließlich sind die Anpassungen, die durch den Regulator und die Aufsicht initiiert sind, sei es durch neue aufsichtliche Vorgaben oder durch Prüfungstätigkeiten in der Fläche.

Haben Sie die Flexibilität, selbst auf neue regulatorische Entwicklungen zu reagieren - also quasi proaktiv? Oder müssen Sie immer warten, bis Ihnen der Auftrag erteilt wird?

An dieser Stelle ist unser unternehmerischer Ansatz ein großer Vorteil. Dass unser Haus mit einem ausreichenden Budget ausgestattet ist, gibt uns die Möglichkeit, viele Dinge frühzeitig anzustoßen. Sobald hierzu in den Instituten eine IT-Umsetzung verlangt und somit die Finanz Informatik benötigt wird, sind wir sehr früh in der Abstimmung über die notwendigen Schritte zu einer rechtzeitigen Umsetzung. Die enge Verzahnung mit dem DSGV und der Finanz Informatik ist dabei ein wesentlicher Baustein.

Individualleistungen nach Maß und Auftragsleistungen werden in Ihrem Angebotskatalog genannt. Wie wird dieser Service genutzt? Können diese Auftragsleistungen für Einzelne zu Angeboten für die gesamte Gruppe werden?

Wir bieten in begrenztem Umfang Individualleistungen und Auftragsleistungen an, wobei wir uns nicht als Beratungshaus verstehen. Einzelne Institute haben aufgrund ihres Geschäftsmodells Bedarf an einer Anpassung unserer Standardprodukte. Dann bieten wir eine Individualisierung an, sozusagen eine Ergänzung zum Standard.

Auftragsleistungen wiederum setzen wir ein, wenn wir den Eindruck haben, dass für kleinere Gruppen von Instituten Produkte benötigt werden, die in unseren Gremien nicht mehrheitsfähig sind. Zum Teil fließen solche Auftragsleistungen später in unsere Standardleistungen ein. Zum Beispiel haben einige Institute ein Agrarrating beauftragt. Dieses haben wir dank ihrer Finanzierung für sie umgesetzt. Heutzutage ist das Agrarrating ein Teil unseres Firmenkundenratings geworden und wird allen Instituten zur Verfügung gestellt. Das erfolgte schnell und ohne nachträgliche Diskussion über die Finanzierung.

Welchen Stellenwert haben Reporting-Dienstleistungen im Angebot der SR? Welche Kundengruppen nutzen sie?

Bei unseren Angeboten zum Reporting sind uns derzeit drei Aspekte besonders wichtig. Der erste betrifft den gerade anlaufenden Rollout für ein standardisiertes MaRisk-Reporting. Bei der Konzeption dieses Produktes haben wir besonders die Heterogenität der einzelnen Sparkassen beachtet, wollen gleichzeitig aber die schiere Masse von Reports reduzieren. Es gibt folglich zwar eine Vielzahl von Berichten, die automatisiert bereitgestellt werden. Abhängig von ihrem jeweiligen Portfolio können die Institute darüber hinaus aber einzelne Teile unserer Lösung auswählen. Dazu bekommt jedes Haus eine Handreichung, der es entnehmen kann, welche Berichte bei seinem jeweiligen Geschäftsmodell im Rahmen des MaRisk-Reporting vorgelegt werden sollten.

Zusätzlich machen wir Vorgaben, wie die IT-Umsetzung und die Prozesse in den Instituten beim aufsichtsrechtlichen Meldewesen, beispielsweise FinRep, zu funktionieren haben. Der dritte und für das Reporting wahrscheinlich wichtigste Punkt ist die Entwicklung eines Integrierten Datenhaushaltes. Dieses Projekt läuft gemeinsam mit der Finanz Informatik: Wir übernehmen die Konzeption, die Finanz Informatik ist für die Umsetzung zuständig. Ziel ist letztlich die Schaffung eines dispositiven Datenhaushalts, der alle Banksteuerungssysteme in der Organisation befüttert, die Ergebnisse aufnimmt, und auf dessen Basis man zentral alle Daten erheben kann. Das wird das Reporting qualitativ und von der Geschwindigkeit her auf ein ganz anderes Level bringen.

Die SR kann und soll Dienstleistungen für den Verbund erbringen, das Aufsichtsrecht sieht teilweise eine Verantwortlichkeit der Sparkassen vor Ort vor. Behindert diese Ausgangslage die Arbeit der SR? Welche Rahmenbedingungen müssten gegebenenfalls angepasst werden?

In der Tat liegt die grundsätzliche Verantwortung bei den Vorständen in den Sparkassen vor Ort. Unsere Aufgabe als Dienstleister ist in erster Linie deren Unterstützung bei der Erfüllung von Aufgaben. Wir sind eine wesentliche Auslagerung nach dem Gesetz über das Kreditwesen (KWG) für alle Institute. Damit erfüllt die SR die sehr hohen Anforderungen an Transparenz und räumt den institutseigenen Revisionen alle erforderlichen Möglichkeiten der Überprüfung ein. Auf der anderen Seite können wir dem Institut weitreichende Unterstützung anbieten. Momentan sehen wir an dieser Stelle keine große Hürde, solange die Verantwortlichkeit vor Ort gewahrt bleibt.

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