Redaktionsgespräch mit Uwe Trautmann

"Mit der reinen Administration ist kaum noch ein Mandat zu gewinnen"

Uwe Trautmann, Vorsitzender der Geschäftsführung, Helaba Invest Kapitalanlagegesellschaft mbH, Frankfurt am Main

Kontinuität in der strategischen und personellen Ausrichtung sieht Uwe Trautmann als die wichtigsten Treiber für das stete Wachstums seines Hauses in den vergangenen zwanzig Jahren. Und auch wenn der Geschäftsführer der Helaba Invest einen Teil des derzeitigen Booms der Branche und seines Hauses den günstigen Rahmenbedingungen durch die aktuelle Geldpolitik der Notenbanken zuschreibt, gibt er sich im Redaktionsgespräch zuversichtlich, weiterhin attraktive Wachstumsfelder zu finden. Chancen sieht er beispielsweise in der bAV sowie in neuen Produkten und Dienstleistungen rund um die Umsetzung von Solvency II und Basel III. Bei der Neukundenakquise registriert er ein zunehmendes Interesse an einer ganzheitlichen Beratung und Begleitung in allen Fragen rund um das Asset Management. (Red.)

Das institutionelle Asset Management schreibt zu Beginn des Jahres 2015 Rekordzahlen. Wie liegt Ihr Haus im Vergleich zum Markt?

Mit einer Verdopplung des Volumens am Spezialfondsmarkt von rund 620 Milliarden Euro Ende des Jahres 2008 über 812,8 Milliarden Euro Ende 2011 bis zu den 1,292 Milliarden Euro per Ende März 2015 konnte man zu Zeiten der Lehman-Pleite ganz und gar nicht rechnen. Die Helaba Invest ist dabei insbesondere in den Jahren 2009 bis 2011 deutlich stärker gewachsen als der Markt. Als dann die Konditionen im harten Wettbewerb unter Druck kamen, gerade im Administrationsgeschäft, haben wir nicht zuletzt unter Ertragsgesichtspunkten bewusst auf selektives, sprich qualitativ hochwertiges Wachstum gesetzt. Gleichwohl haben wir per Ende des ersten Quartals dieses Jahres im Spezialfondsmarkt ein Volumen von 109,5 Milliarden Euro erreicht. Das bedeutet für das vergangene Jahr ein Wachstum von rund 15 Prozent und für die ersten drei Monate dieses Jahres ein Plus von 9,3 Prozent, damit liegen wir leicht über der Branche.

Welche Rolle spielt für Ihr Haus die Performanceentwicklung?

Berücksichtigt man die vergleichsweise hohe Rentenquote unserer Portfolios unterstreicht das zusätzlich den überdurchschnittlichen Mittelzufluss. Da wir viele große Mandate von Versicherungen und Kreditinstituten haben, deren Aktienquote tendenziell niedriger ist, hat uns ein Dax-Zuwachs von über 20 Prozent im vergangenen Jahr tendenziell bei der reinen Betrachtung der Mittelzuflüsse "benachteiligt".

Die Branche und auch unser Haus profitieren allerdings von den Rahmenbedingungen. Die niedrige Rendite klassischer Anlagen veranlasst viele Investoren dazu, noch breiter in andere Assetklassen zu diversifizieren. Stark begünstigt wird dieser Zufluss von der aktuellen Geldpolitik der EZB. Das momentane Zins-Level trägt mit zu einem immer größeren Anlagebedarf der Institutionellen bei. Unser Gesamtvolumen hat sich in den ersten vier Monaten 2015 um ziemlich genau 12 Milliarden Euro erhöht. Das übertrifft bereits heute unser geplantes Wachstum von 7,7 bis 8 Milliarden Euro für das Gesamtjahr.

Inwieweit schlägt sich das gute Neugeschäft in der Ertragslage Ihres Hauses nieder?

Auch beim Ertrag haben wir unsere Planungen bereits angehoben. Voraussichtlich werden wir nach 2014 auch im Jahre 2015 mit einem neuen Rekordergebnis aufwarten. Beim Aufsichtsrat und dem Gesellschafter haben wir daher angefragt, zusätzliches Personal einstellen zu dürfen, um dieses unerwartete Wachstum bewältigen zu können.

Es ist nahe liegend, in solchen Marktphasen die Kapazitäten aufzustocken, um möglichst viel Geschäft mitzunehmen. Doch wie stellt Ihr Haus sicher, auch die langfristigen strategischen Ziele im Auge zu behalten?

Das macht uns wirklich keine Sorge. Im Gegenteil: Durch unsere bestehende strategische Ausrichtung, die auf drei Säulen basiert, wird dieser Wachstumsschub sehr begünstigt. Zu diesem Dreisäulenmodell zählen erstens die Full-Service-KVG, zweitens das Portfoliomanagement von liquiden Assetklassen, also insbesondere Wertpapiere, und drittens das Portfoliomanagement von illiquiden Assetklassen (Immobilien und Alternatives). Mit dieser strategischen Ausrichtung sind wir voll im Plan, es bedarf auch in der aktuellen Boomphase keiner Veränderungen. Zurzeit profitieren wir in allen drei Bereichen schneller von dem aktuellen Wachstum als das geplant war.

Müssen Sie bei so gutem Geschäftsverlauf derzeit eigentlich noch Akzente im Vertrieb setzen?

Ein Selbstläufer ist das Geschäft auch in dieser guten Phase nicht. Ohne eine funktionierende Kundenbetreuung und eine gute Akquisition hätten wir keinen Erfolg. Dabei sind wir nie Produktverkäufer gewesen, sondern legen Wert auf die ganzheitliche Betrachtung unserer Kunden. Unsere Betreuer stehen im ständigen Kundenkontakt und sind vor Ort, wenn Ausschreibungen anstehen und/oder Beratungsbedarf besteht.

Wie beurteilen Sie die Wettbewerbsverhältnisse im institutionellen Asset Management innerhalb des Sparkassensektors? Gilt immer noch der viel zitierte harte Wettbewerb oder lässt sich eine Spezialisierung beobachten?

Wir befinden uns nach wie vor im Wettbewerb und richten uns strategisch selbstständig aus. Dabei sind die Dekabank, die Bayern-Invest und die Nord-LB ähnlich breit aufgestellt wie unser Haus. Die LBBW betreibt primär Asset Management. Ihre Daseinsberechtigung haben alle diese Häuser. Ob es in Zukunft weniger werden, wird auf Ebene des DSGV und der Landesverbände entschieden. Im Übrigen wäre es schwierig, das Geschäft aus mehreren Standorten zu betreiben. Stand heute sieht die Helaba Invest im Vergleich mit diesen Wettbewerbern gut aus.

Hat die Zentralbankfunktion der Helaba in NRW für Ihr Haus etwas gebracht?

Eindeutig ja! Natürlich versuchen alle Anbieter aus der Sparkassenorganisation, die Mandate von Meriten Investment Management (ehemals WestLB) auf ihre Plattform zu bringen. Dabei darf man nicht unterschätzen, dass auch Meriten sehr gute, langjährige Beziehungen zu ihren Kunden aufgebaut hat, die die Gesellschaft zum neuen Eigner Oddo Group mitnehmen will.

Zurück zu den Geschäftsfeldern Ihres Hauses: Wollen Sie in den drei Säulen gleichmäßig wachsen?

Wachsen wollen wir überall. Gerade im Master-KVG-Geschäft sind wir ein sehr etablierter Marktteilnehmer. Allein schon durch die permanente Aufstockung großer Bestandskunden, wie die Pensionsfonds, werden wir dort absolut gesehen die größten Zuwächse haben, gefolgt vom Portfoliomanagement im Wertpapierbereich und den Alternatives. Aber in den beiden letztgenannten Säulen ist das relative Wachstum eindeutig höher. Generell lässt sich sagen, dass unser Zuwachs in den sechs Sparten Alternatives, Immobilien, Overlay/ Wertsicherung, Management-Mandate, Publikumsfonds und Spezialfonds ausgewogen verteilt ist. Im eigenen Portfoliomanagement konnten wir in diesem Jahr bereits einen Zuwachs von 4 Milliarden Euro erzielen. Mit weiteren Mandatszusagen von weiteren zirka 2 Milliarden Euro haben wir unsere Planungen jetzt schon um das Dreifache übertroffen, was uns natürlich sehr freut.

Sehen Sie Ihr Haus strategisch richtig aufgestellt oder gibt es Anpassungsbedarf?

Erst im vergangenen Jahr haben wir unsere strategische Aufstellung im Rahmen der laufenden Überprüfung des Helaba-Konzerns nach der Integration von Teilen der WestLB von PWC und von Boston Consulting bewerten lassen. Beide Berater haben uns eine überzeugende Strategie und eine hohe Attraktivität für erste Adressen bescheinigt. Es wurde allenfalls angemerkt, dass wir uns noch globaler positionieren sollten, beispielsweise mit internationalen Teams im Rentenbereich. An der Struktur und der strategischen Aufstellung besteht folglich auf absehbare Zeit kaum oder nur wenig Änderungsbedarf, auch wenn es selbstverständlich permanent die notwendige Feinsteuerung geben muss.

Vor einigen Jahren waren speziell die Consultants von einer Trennung der Wertschöpfungskette überzeugt. Was spricht für die organisatorische Bündelung Ihrer drei Geschäftssäulen unter einem Dach?

Mit der sechsten KWG-Novelle im Jahr 2002 wurde die Auslagerung von Kernaktivitäten möglich und schaffte die feste Grundlage für das Masterfondsgeschäft. Damals haben wir in der Tat überlegt, ob wir als klassische KAG neben unseren Ursprüngen im Portfoliomanagement zukünftig auch die Master-KAG anbieten sollten. Seinerzeit haben wir uns bewusst dafür entschieden - mit allen umfangreichen Administrations- und Überwachungsaufgaben, allerdings nicht in zwei getrennten Gesellschaften, sondern als zweites Kerngeschäft unter einem Dach der KAG.

Natürlich haben wir uns vor dieser Festlegung gefragt, ob die Kunden nicht Chinese Walls zwischen zwei getrennten Gesellschaften haben wollen. Geholfen hat uns in dieser Entscheidungssituation die Arbeit von Christian Popp. Als Informatiker und Physiker hatte er seit seinem Eintritt in die Geschäftsführung ein E-Reporting entwickelt, das am Markt hervorragend aufgenommen wurde. Langfristig haben wir uns damit schon damals in der Rolle eines umfassenden Kundenberaters gesehen und uns gegenüber reinen Administratoren durch das vorhandene Know-how aus dem Portfoliomanagement einen Wettbewerbsvorteil versprochen - zu Recht wie sich seither erwiesen hat. Rückblickend ist eine Trennung der Wertschöpfungskette für uns nie zum Problem geworden, anders als es in der Branche erwartet oder zumindest von Consultants prognostiziert wurde.

Aber es gibt am Markt auch heute noch die Befürworter einer Trennung beider Funktionen ...

Selbstverständlich gibt es Kunden, die uns als Master-KVG gewählt haben und uns deshalb bewusst kein Asset-Management-Mandat geben. Aber das sind nur wenige Fälle. Vielmehr ist heute genau das Gegenteil der Normalfall. Für viele Kunden spielen die Themen Overlay und Risikomanagement eine entscheidende Rolle, die Beratung und Begleitung in allen Fragen rund um das Asset Management wird immer wichtiger. Von der strategischen über die taktische Asset Allocation bis hin zum Risikomanagement können wir unsere Anleger umfassend beraten und betreuen. Das wird am Markt als Vorteil gewertet.

Das wahre Geschäftsmodell ist also die Full-Service-KVG ...?

So pauschal würde ich das nicht ausdrücken. Auch mit zwei getrennten Gesellschaften kann man am Markt erfolgreich sein und das Overlay Management aus der Asset-Management-Gesellschaft heraus anbieten. Aber unser Angebot unter einem Dach hat sich in den vergangenen Jahren zu einem strategischen Wettbewerbsvorteil entwickelt. Wir verfügen über alle relevanten Daten, sehen, was der Kunde hat beziehungsweise braucht und beraten ihn auf dieser Basis mit einem ganzheitlichen Ansatz. Das bringt uns viel Geschäft. Allgemein sind im institutionellen Asset Management Häuser mit dem Schwerpunkt administratives Geschäft der Tendenz nach bei weitem nicht so profitabel wie KVGs, die auch im Portfoliomanagement unterwegs sind.

Was bringt Ihnen das Urteil von externen Beratern hinsichtlich der strategischen Ausrichtung?

Wenn zwei renommierte Beratungshäuser, die einerseits im Hinblick auf die KVG-Landschaft national gut geerdet sind, aber auch international gute Vergleiche ziehen können, unabhängig voneinander ein positives Urteil abgeben, freut uns das. Denn es ist für die Geschäftsführung und vielleicht mehr noch für die Überwachungsgremien unseres Hauses ein starkes Signal, im Markt richtig aufgestellt zu sein.

Welche Ratings sind am Markt wichtig?

Das ist eine Entscheidung, die jedes einzelne Unternehmen treffen muss. Allgemein lässt sich nur sagen: Wenn Rating-Agenturen und Consultants beschäftigt werden, steigen die Kosten. In unserem Fall können wir nach einem Spitzenrating über mehrere Jahre für unsere sehr gut aufgestellte Master-KVG auf dieses Rating derzeit verzichten. Wir bauen aber weiter auf die Fondsratings von Morningstar und erwerben uns dabei regelmäßig das Recht, die Bewertung auch nach außen zu tragen.

Welche Volumina braucht man, um allein durch Administrationsgeschäft profitabel zu arbeiten?

Das neue KAGB gibt der Master-KVG und dem Masterfonds zwar eine langfristige Daseinsberechtigung. Allein mit Administrationsgeschäft dürfte es unter 50 Milliarden Euro aber schwierig werden, profitabel zu bleiben. Mit der reinen Administration ist allerdings bei Neuausschreibungen auch kaum noch ein Mandat zu gewinnen. Es wird immer mehr nach Zusatzleistungen gefragt. Unser Haus verwaltet derzeit im Master-KVG-Bereich ein Volumen von ungefähr 105 Milliarden Euro, davon werden zirka 21 Milliarden Euro im eigenen Asset Management betreut.

Haben Sie in den drei Säulen Ihres Hauses konkrete Zielsetzungen formuliert? Welche Entwicklungen beschäftigen Sie im klassischen Portfoliomanagement?

In diesem Kerngeschäftsfeld erleben wir angesichts der niedrigen Zinsen in der Eurozone einen klaren Trend zu einer globalen Ausrichtung. Wichtige Themen sind dabei Währungen und globale Rentenportfolios, entweder ungesichert oder gesichert. Das verlangt nach einer entsprechenden internationalen Expertise, inklusive Emerging Markets, sowohl im Investment-Grade- als auch im Non-Investment-Grade-Bereich. Anders als früher bezieht sich dieses Geschäft inzwischen nicht mehr nur auf die Länder, sondern zunehmend auch auf die Unternehmen der Länder sowie die Kreditprodukte im Rentenbereich, denn die Staaten sind als sicherer Hafen zunehmend weggefallen. Das führt zwangsläufig zu einer Diversifizierung weg von Europa in andere Weltregionen hinein bis hin zu Schwellenländern.

Im Emerging-Market-Bereich werden mittlerweile auch in den Hartwährungen US-Dollar und Euro riesige Volumina aufgelegt. Auch dort entstehen Großunternehmen, die eine Refinanzierung brauchen. Der Markt ist heute längst nicht mehr auf die USA, Europa und Japan beschränkt, sondern global geworden. Als Basis für unsere globale Rentenanalyse hat das Team um Geschäftsführer Hans-Ulrich Templin mit seinem HI-Score-Modell ein exzellentes ratingbasiertes Bewertungsmodell für Unternehmen entwickelt. Das hilft uns enorm im eigenen Portfoliomanagement.

Die Frage ist bei solchen Dingen immer, was ist langfristig vorausschauende Strategie und was Reaktion auf schon absehbare Marktentwicklungen?

Dass wir auf dem Kreditmarkt eine viel stärkere Globalisierung erleben werden, steht bei uns schon seit mehreren Jahren auf der Agenda. Es gibt in unserem Haus jedes Jahr eine viertägige Klausurtagung der Geschäftsführung, in der solche Zukunftsszenarien nach guter Vorbereitung systematisch durchdacht werden. Zudem wird unsere strategische Aufstellung jedes Jahr intensiv mit dem Aufsichtsrat auf Veränderungsbedarf überprüft. Dabei haben wir in den vergangenen Jahren erfreulicherweise immer die richtigen strategischen Weichenstellungen beschlossen und sie mit dem richtigen Personal unterlegt. Die Kontinuität bei den handelnden Personen sowie die kurzen und schnellen Entscheidungswege kommen uns dabei seit mehr als zwanzig Jahren zugute.

Können Sie bei einem Trend wie der Globalisierung der Rentenmärkte wirklich mit den Global Playern mithalten, die ihre Mitarbeiter rund um die Welt vor Ort haben?

Es ist nicht zu bestreiten, dass ein Global Player in der Marktbeobachtung und -bearbeitung im Detail klare Vorteile gegenüber einer Betrachtung von Deutschland aus hat. Gleichwohl ist es für uns als kennzahlenbasiertes Haus gerade in dem klassischen Investment-Grade-Markt relativ einfach, Unternehmen aus anderen Teilen der Welt von Frankfurt aus höchst kompetent zu analysieren. Denn die für unsere Analyse entscheidende Datenverfügbarkeit der Bilanzen und der Emissionsprospekte ist voll gegeben. Das zeigt sich im Übrigen auch an den wachsenden Volumina und den neuen globalen Rentenportfolios, die wir zu verantworten haben.

Definitiv schwieriger wird es im Non-Investment-Grade. Gerade bei Start-ups muss man sich dann vor Ort den Unternehmenslenker anschauen und die Strategie hinterfragen. An dieser Stelle haben wir fraglos einen Nachteil. Aber genau deswegen ist unser Universum im Bereich Non-Investment-Grade auch ausschließlich auf die Eurozone begrenzt. Wir bieten in diesem Segment beispielsweise seit Jahren einen High-Yield-Fonds an, der von Morningstar mit fünf Sternen bewertet wird. Beim Thema Aktien sind wir seit 2001 mit unseren Dividendenkonzepten unterwegs. Dieses Konzept entwickeln wir derzeit mit Absicherungsstrategien sehr intensiv weiter, und zwar global, weil man als Quant-Haus auch an dieser Stelle sehr gut mit Kennzahlen arbeiten kann. Viele Kunden entscheiden sich klassischerweise für ein Risikobudget, für eine möglichst global und diversifiziert aufgesetzte Asset Allocation und gegebenenfalls noch für die Unterlegung durch ein Risikooverlay.

Seit wann spielen Alternatives und Immobilien in Ihrem Haus eine größere Rolle?

Schon beim Eintritt von Ulrich Lingner in die Geschäftsführung Anfang 2012 haben wir mit einer länger anhaltenden Niedrigzinsphase und regulatorischen Maßnahmen gerechnet. Heute, nur gut drei Jahre später, managt sein Team in diesen beiden Sparten bereits ein Volumen von zirka 5 Milliarden Euro. Das hätten wir 2012 nicht unbedingt erwartet, erfreut uns natürlich aber umso mehr.

Gibt es im Immobilienbereich angesichts des starken Standbeins der Muttergesellschaft Helaba Synergieeffekte?

Die Zusammenarbeit läuft sehr harmonisch. Wir profitieren am Markt von der Marke Helaba und ihrer hohen Immobilienkompetenz als Verwalter wie auch als Immobilienfinanzierer. Der zuständige Immobilienvorstand ist in unserem Aufsichtsrat vertreten und verknüpft das Immobilien-Know-how im Konzern.

Wie läuft derzeit der Immobilienbereich?

Speziell auf der Immobilienseite profitieren wir von den niedrigen Zinsen. Viele Anleger stocken ihre Immobilienquoten auf. Besonders diskutiert werden die Themen Immobilien und Infrastruktur - oft im Zusammenhang mit einer Schaffung vernünftiger Rahmenbedingungen für ÖPP durch den Bund. Nicht zuletzt die Versicherungen versprechen sich von dieser Initiative interessante auch Solvency-II-feste Lösungen für Infrastrukturinvestitionen. Für umfassende Beratung über solche Konzepte haben wir innerhalb der letzten drei Jahre das zuständige Team von drei auf dreizehn Mitarbeiter aufgestockt.

Das klingt dennoch überschaubar ...

Wir sind in der Tat sehr fokussiert aufgestellt und verstehen uns ausdrücklich nicht für jede Assetklasse und jede Region als der Spezialist. Anders als die ganz großen Anbieter managen wir die Immobilien nicht selbst. Als erster Dachfondsmanager im Immobilienbereich in Deutschland können wir für die Kunden die besten Manager für unsere Portfolios heraussuchen - oft in einem sogenannten Club deal. Man schließt sich dazu mit drei oder vier großen Anlegern zusammen und eröffnet einen eigenen Spezialfonds - beispielsweise Wohnen Deutschland.

In diesem Fall legen wir einen 100-Millionen-Euro-Fonds voll für die Helaba Invest auf, also in eigener Verantwortung. Anteile von beispielsweise 10 oder auch 20 Millionen Euro geben wir dann an einzelne Kunden weiter. Ein 100-Millionen-Euro-Fonds kann dann aus zehn oder zwölf verschiedenen Spezialfonds nach der vom Kunden gewünschten Struktur, den Nutzungsarten und den Regionen bestehen. Den beauftragten Manager überwachen wir sehr genau. Wir prüfen und kontrollieren jede Immobilie und sind im Anlageausschuss des Fonds vertreten, oft sogar als Vorsitzender. Nach diesem Muster unterhalten wir deutsche, europäische und weltweite Aktivitäten.

Der Kunde zahlt in diesem Fall zwar sowohl unsere Gebühr als auch die des Spezialisten. Im Immobilienbereich ist es allerdings entscheidend, keine Fehler zu machen, viel entscheidender als es etwa bei Aktienengagements ist. Ein Aktienportfolio kann man kurzfristig wieder liquidieren, bei Immobilien gestaltet sich das schwieriger. In der Summe haben wir den Anspruch, messbar besser zu sein als andere Anbieter, die alles selbst machen.

Welches Produkt- und Dienstleistungsangebote bietet Ihr Haus in der Sparte Alternatives? Arbeiten Sie dort mit festen Partnern?

Nach dem gleichen Konzept wie im Immobilienbereich bieten wir auch Alternatives an. Es gibt einen Dachfonds, etwa aus Private Equity, aus Wald und aus Infrastruktur - meist durch ein Luxemburger Vehikel dargestellt. Für die Kunden suchen wir dann die jeweils besten Fondsmanager für die verschiedenen Assetklassen aus, die wir professionell überwachen, und übernehmen das Reporting. Unser fünfköpfiges Team für Alternative Investments und Managerselektion - eine weitere Planstelle ist vorgesehen - betreut in diesen Anlageklassen mehrere Kunden. Bei einem größeren Anleger hat das entsprechende Portfolio ein Volumen von rund 700 Millionen Euro.

Kann man mit der sehr übersichtlichen Mannschaft bei den Alternatives konkurrenzfähig sein?

Absolut. Die Consulting-Gespräche, die Zahl der Beauty Contests oder Einzelaufträge zu Second Opinions für Kunden bringen uns gutes Geschäft.

Welche Anteile an den Portfolios entfallen heute auf Immobilien und die Alternatives?

Waren früher vielleicht 5 Prozent Immobilienquote über alle Versicherungen und Pensionskassen im Portfolio üblich, so bewegt sich die Quote heute in Richtung 10 Prozent. Beim Thema Alternatives ex Immobilien steigert sich der Anteil von früher 1 bis 2 Prozent auf heute 3 bis 4 Prozent. Das mögen damit immer noch Rand-Assetklassen sein.

Aber viele CTAs, die erst in den letzten zehn Jahren neu gegründet wurden, sind meist mit Wertpapieren gestartet und beginnen erst jetzt, in Alternatives zu investieren. Es gibt also an dieser Stelle noch viel Potenzial.

Stichwort Regulatorik: Welcher Aspekt spielt in Ihrem Haus die größte Rolle? Und sehen Sie darin eher Risiken oder Chancen?

Wichtigstes Thema ist für uns eindeutig EMIR, also die Regulierung von OTC-Derivaten und ihre Unterlegung mit Sicherheiten. Der Weg ist richtig, aber es dauert alles sehr lange. Durch die vielen Verwahrstellen und Asset Manager wird uns das Thema Collateral Management bis zu einer Lösung mindestens noch weitere zwei wenn nicht vier Jahre beschäftigen.

Mit Blick auf die Kunden gibt es beim Thema Kontrahentenrisiken allerdings große Fortschritte, weil wir für jeden OTC-Kontrakt Sicherheiten stellen müssen oder Sicherheiten gestellt bekommen. Einen Fall wie Lehman können wir somit stark eingrenzen. Für eine Gesellschaft mit enormen Summen an Treuhand- oder Altersvermögen ist das enorm wichtig. 80 Prozent unserer Bestände sind Altersvorsorgegelder, die besichert sein müssen, wenn sie Risiken unterliegen.

Früher mussten wir uns Gedanken über die offenen Risiken mit allen Kontrahenten machen. Heute beträgt der Anteil der unbesicherten Geschäfte, die wir im Portfolio haben, nur 7 Millionen Euro. Das ist erfreulicherweise vernachlässigbar wenig. Aber es bindet weiterhin enorme Kapazitäten.

Mit der Umsetzung des KAGB fühlen wir uns wohl, auch wenn wir aktuell nicht genau wissen, was die europäische Aufsicht noch alles verlangen wird. Die laufenden Anfragen, etwa nach Hedgefondsstrategien für unsere Spezialfonds, stimmen uns allerdings wenig zuversichtlich. An dieser Stelle muss die hiesige Aufsicht den zuständigen europäischen Instanzen noch deutlicher klarmachen, dass ein Spezialfonds etwas völlig anderes ist als ein britischer Hedgefonds, auch wenn dieser regulatorisch unter dem gleichen Regime läuft.

Von den Themen Solvency II und Basel III können wir profitieren. Besonders Letzteres setzt uns ins die Lage, den Sparkassen sehr viel Transparenz zu zeigen. Mit den Schnittstellen in die S-Systemlandschaft durch unsere Master-KVG und das große DSGV-Projekt MaRisk II sind wir an dieser Stelle begünstigt, weil wir den Kunden heute schon die erforderliche Fondsdurchschau, einschließlich automatisierter Datenübertragung bieten können. Das Gleiche gilt für Solvency II: Die Versicherung braucht ihre Bestände, angereichert mit verschiedenen Daten in sogenannten Solency-Schnittstellen. Als Technik-Haus fällt uns das leicht und schafft Aussicht auf mehr Volumen. Kurzum: Wir können von den Themen Transparenz, Fondsdurchschau, Liquiditätsanforderungen, Solvency II und Basel III profitieren.

In welchen Themen/Märkten sehen Sie darüber hinaus die größten Wachstumschancen?

Die betriebliche Altersvorsorge (bAV) ist weiterhin ein Wachstumsfeld. Im Prinzip geht der Trend zur Ausfinanzierung weiter. Er kann freilich unterbrochen werden, wenn die Kunden registrieren, dass sie sehr wohl ausfinanziert haben, aber kaum noch Erträge aus den Kapitalanlagen erzielen können. Mit ihrem seit 2006 bestehenden Gruppen-CTA bietet die Helaba ihren Kunden eine bewährte und kostengünstige Alternative für die Ausfinanzierung von Pensionsverpflichtungen. Ein Schwerpunkt des CTA-Geschäfts liegt bei der Einrichtung von Nachfolgelösungen für bestehende konzerneigene CTA-Modelle im Zusammenhang mit Unternehmensverkäufen. Die Helaba Invest übernimmt dabei bereits bei vielen Mandaten das Asset Management. Insgesamt wird die bAV weiter ein Wachstumsthema bleiben, davon bin ich überzeugt.

Eng verbunden mit dem Wachstumsmarkt bAV und der Erfüllung von Pensionsverpflichtungen sehe ich im Asset Management die Themen Credit- oder Spreadprodukte sowie Multi-Asset-Mandate, die auch Immobilien und Alternatives beinhalten, als die größten Wachstumstreiber. Die weitere Diversifikation der Portfolios wird der einzig logische Ausweg sein, um dem aktuellen Niedrigzinsumfeld zu entkommen beziehungsweise entgegenzutreten.

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