Redaktionsgespräch mit Uwe Fröhlich

" Die Vorteile und die Notwendigkeit einer gemeinsamen Handelswelt müssen nachvollziehbar erklärt werden"

Uwe Fröhlich, Präsident, Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V. (BVR), Berlin

In ihrem Bekenntnis zu freiem Handel ist sich die deutsche Wirtschaft einig. Das gilt nicht nur für das produzierende Gewerbe und den Dienstleistungssektor, sondern auch für alle großen Bankengruppen. Als Federführer der Deutschen Kreditwirtschaft zeigt sich BVR-Präsident Uwe Fröhlich erleichtert über die Ratifizierung des Handelsabkommens CETA, verweist aber in der täglichen Praxis auf ein merklich raueres Klima im Welthandel mit einer spürbaren Zunahme handelshemmender Maßnahmen. Im Redaktionsgespräch plädiert er als Lehre aus diversen Unmutsbekundungen in verschiedenen Ländern zu den globalen Wirtschaftsbeziehungen während der vergangenen Monate für einen frühzeitigen und offenen Dialog mit der Öffentlichkeit über die Chancen und Risiken eines freien Welthandels. Aus Sicht der hiesigen Kreditwirtschaft mahnt er die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips an und spricht sich für ein Level Playing Field ohne Sonderbedingungen für einzelne Länder aus. (Red.)

Wie bewertet die Deutsche Kreditwirtschaft mit Blick auf die internationalen Wirtschaftsbeziehungen die zunehmenden nationalen Strömungen?

In den vergangenen Jahren gab es einen deutlichen Stimmungsumschwung. In vielen Ländern sind populistische und oft auch nationalistische Strömungen im Aufwind. Die Globalisierung wird kritischer beurteilt und zu Unrecht als Sündenbock dargestellt für geringe Einkommenszuwächse und weniger Beschäftigung. Diese Entwicklung ist sehr gefährlich, gerade auch aus der Sicht einer exportstarken Volkswirtschaft wie Deutschland, die einen großen Teil ihres Wohlstands dem grenzüberschreitenden Handel verdankt. Wir müssen intensiver über die Vorteile der Globalisierung sprechen und Ursachen für Fehlentwicklungen klar benennen.

Für wie realistisch halten Sie die in der öffentlichen Diskussion immer wieder bemühten Szenarien eines internationalen Handelskrieges?

Die Gefahren zunehmender Handelsbeschränkungen nehmen eindeutig und besorgniserregend zu. Und das nicht erst seit der US-Wahl. Die Welthandelsorganisation meldet weltweit rund 20 neue handelshemmende Maßnahmen pro Monat, deutlich mehr als in der Vergangenheit. Diese Hemmnisse nehmen die unterschiedlichsten Formen an, von der Wirtschaftshilfe für Sektoren mit Wettbewerbsproblemen bis hin zur Bevorzugung einheimischer Unternehmen bei staatlichen Beschaffungsmaßnahmen. Für den Wirtschaftsstandort Deutschland ist es extrem wichtig, dass sich die Bundesregierung international weiterhin entschieden für den freien Handel engagiert. Die aktuelle G20-Präsidentschaft ist hierfür die richtige Plattform.

Bedarf es mit Blick auf die Rahmenbedingungen der künftigen weltweiten Wirtschaftsbeziehungen einer Art Neubesinnung oder Festlegung auf einen kleinsten gemeinsamen Nenner?

Es ist auf jeden Fall eine große Erleichterung, dass CETA, das umfassende Wirtschafts- und Handelsabkommen der EU mit Kanada, nun ratifiziert werden kann. Eine Lehre für künftige Handelsabkommen ist, dass der Dialog mit der Öffentlichkeit frühzeitig gesucht werden sollte, das ist bei CETA wie auch bei TTIP nicht optimal gelaufen. Es geht aber nicht nur darum, weitere Handelsabkommen vorzubereiten, sondern auch darum, bestehende Vereinbarungen einzuhalten und zu verbessern. Darauf weist die hohe und steigende Zahl gemeldeter Handelshemmnisse weltweit hin. Die Vorteile und die Notwendigkeit einer gemeinsamen Handelswelt müssen für jedermann nachvollziehbar erklärt werden.

Überfordert der Freihandel letztlich sogar die Konsensbildung und damit die Handlungsfähigkeit der westlichen Demokratien?

Natürlich gibt es immer ein Spannungsverhältnis zwischen der politischen Willensbildung im Parlament und der Aushandlung multilateraler Abkommen. Der Schlüssel zur Lösung ist am Ende immer wieder das Erklären internationaler Entscheidungen - am besten bereits im Vorfeld - da es durchaus Gewinner und Verlierer geben kann. Wenn Vereinbarungen nicht an einem nationalen oder regionalen Veto scheitern sollen, müssen sie vorher gut politisch und demokratisch abgestimmt sein. Das gilt im Freihandel ebenso wie bei weitreichenden Entscheidungen in der Finanzmarktregulierung. Nur wenn breiter Konsens besteht, kommt es zu akzeptablen Lösungen.

Fehlt es in den internationalen Wirtschaftsbeziehungen an Kontrollinstanzen zur Sicherstellung eines Level Playing Fields?

Meines Erachtens mangelt es kaum an Kontrollinstanzen. Die Frage ist eher, inwieweit schwierige Entscheidungen auch tatsächlich durchgesetzt und umgesetzt werden. Wenn ich die Verstöße gegen den Stabilitäts- und Wachstumspakt in den letzten Jahren ansehe, bekomme ich so meine Zweifel. Das Level Playing Field darf außerdem nicht dazu führen, dass es zu einer One-size-fits-all-Regelung kommt, in dem Sinne, dass unterschiedslos alle Branchenteilnehmer unabhängig von Größe und Risikogeneigtheit gleich reguliert werden.

Sehen Sie mit Blick auf Europa die Grundidee der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft gefährdet?

Die ursprüngliche Idee Europas war es, Handelshemmnisse abzubauen und politische Kooperationen herzustellen. Wichtige Meilensteine sind der gemeinsame Binnenmarkt und der Euro als Gemeinschaftswährung. Nun bleibt es eine Daueraufgabe, den Binnenmarkt zu verbessern, eine stabile Währung zu sichern und auf die sich ändernden Rahmenbedingungen einzustellen. Dieser Prozess verläuft leider nicht immer gradlinig. Es gibt hin und wieder auch einzelne Schritte zur Seite oder gar zurück. Aktuell ist die richtige Aufgabenteilung zwischen Brüssel und den Mitgliedsstaaten ein wichtiges Thema. Ein zentralistisches Europa findet nicht die Zustimmung der Bevölkerung. Daher muss die richtige Balance gefunden werden: Eine Zentralisierung von Aufgaben darf es nur dort geben, wo es unbedingt nötig ist, so besagt es auch das in den europäischen Verträgen verankerte Prinzip der Subsidiarität.

Welche Anliegen hat die Deutsche Kreditwirtschaft hinsichtlich der anstehenden Brexit-Verhandlungen an die (europäische) Politik?

Wenn Großbritannien tatsächlich bei seiner Entscheidung bleibt, aus der Europäischen Union auszutreten, darf es keine Sondervergünstigungen erwarten. Der Zugang zum gemeinsamen Binnenmarkt ist mit Pflichten verbunden. Wer diese Pflichten, wie zum Beispiel Freizügigkeit, nicht einhalten will, darf nicht auf Zugang hoffen. Natürlich müssen die gesamten Austrittsverhandlungen sorgfältig geplant und konstruktiv durchgeführt werden. Für den Finanzbereich ist die Beibehaltung eines Level Playing Field wichtig.

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