Redaktionsgespräch mit Andreas Kern

"Wikifolio ist die Verbindung zwischen Social Media und privater Geldanlage"

Andreas Kern, Gründer und Vorstand, wikifolio Financial Technologies AG, Wien

Das Konzept der Plattform Wikifolio zielt auf eine Nische ab: Anleger können Zertifikate erwerben, in denen Musterportfolios anderer Trader nachgebildet werden. Als Emittentin der Produkte tritt die Lang & Schwarz AG auf. Während das Unternehmen Wikifolio in Deutschland nicht unter der direkten Beaufsichtigung durch die BaFin steht, gilt das aber für Lang & Schwarz in ihrer Funktion als Wertpapierhandelsbank. Das Volumen privater Anleger in Wikifolio-Zertifikaten liegt bei rund 320 Millionen Euro. Das Unternehmen setzt weniger auf eine Ausweitung der Vertriebsbemühungen hierzulande, sondern stärker auf eine geografische Expansion. (Red.)

Herr Kern, welche Grundidee verfolgen Sie mit Wikifolio.com?

Auf der Plattform Wikifolio.com verbinden sich die Prinzipien von Social Media und privater Geldanlage miteinander. Dabei ist die Grundidee einfach zu erklären: Anleger können ihre Strategie im Wertpapierhandel auf der Plattform veröffentlichen und andere Nutzer können sie dabei beobachten. Ein solches Portfolio heißt dann Wikifolio. In diesem ist vollkommen transparent, welche Werte gerade das Portfolio bilden, was bisher gehandelt wurde, welche Performance erzielt wurde und so weiter. Anleger, die der Strategie des Traders folgen möchten, können das dazugehörige Wikifolio-Zertifikat über die Börse Stuttgart erwerben. Der Anleger, also der Follower, folgt so jedem Schritt des jeweiligen Portfolios und erhält damit die gleiche Performance wie der Wikifolio-Trader. Die Gründung des Unternehmens im Jahr 2012 war durch meine negativen persönlichen Erfahrungen mit der Anlageberatung in Banken motiviert.

Wie muss ein Finanzprodukt in Ihren Augen in Zeiten von Social Media aussehen?

Zwei Dinge sind besonders relevant: Erstens sollten gerade im Bereich der Geldanlage Produkte verfügbar sein, die die Nutzer mitgestalten können. Zweitens müssen diese Produkte absolut transparent sein. Vor rund einem Jahr haben wir unsere Kunden befragt, warum sie in Wikifolio-Zertifikate investieren. Die Antworten lauteten: Erstens aufgrund der Transparenz der Produkte, zweitens wegen des Geschäftsmodells mit Performanceorientierung. Die Rendite der Produkte wurde erst an dritter Stelle genannt.

Welches Geschäftsmodell verfolgen Sie? Womit können Sie im Social Trading Geld verdienen?

Das Unternehmen vereinnahmt zwei Gebührenelemente, die direkt in den Kurs des Zertifikates eingerechnet sind. Zum einen ist das eine jährliche Zertifikatgebühr von 95 Basispunkten des investierten Kapitals. Diese Gebühr wird tagesgenau abgerechnet, das heißt, der Anleger nimmt auch keinen Schaden, wenn er nur kurz in ein Zertifikat geht und schnell wieder aussteigt. Die Zertifikatgebühr geht komplett an Wikifolio.

Das zweite Element ist eine Performancegebühr nach dem High-Watermark-Prinzip. Wenn das Portfolio einen neuen Jahreshöchststand erreicht, wird ein Teil des Kursgewinns - je nach Wikifolio zwischen 5 und 30 Prozent - einbehalten. Von dieser Gebühr erhält der Trader maximal 50 Prozent, den Rest nimmt Wikifolio ein. Das ist ein übliches Verfahren, das auch bei aktiv gemanagten Produkten angewendet wird

Ist die Performancegebühr die einzige Bezahlung für den Trader, der die Strategie vorgibt?

Ja, der Trader erhält nur dann Geld, wenn er eine Performance bringt. Mit diesem Modell möchten wir einen Gegenpol zum Vertrieb in Banken bilden. Dieser ist in vielen Bereichen noch provisionsgesteuert. Wikifolio.com ist hingegen eine neutrale Plattform, auf der lediglich die Leistung vergütet wird.

Können Sie die Ergebnisse für 2014 darstellen und eine Vorschau für 2015 geben?

Im ersten Quartal 2014 hatten wir ein positives Ergebnis, aber im Laufe des Jahres haben wir vermehrt investiert und auch das Team aufgestockt, von 12 Mitarbeitern auf 25 Mitarbeiter. Für die Gesamtjahre 2014 und auch 2015 wird es keinen Gewinn geben. Auch weil wir im laufenden Jahr in mehreren Märkten neu starten wollen.

Wie viel haben Anleger bisher in Wikifolio-Zertifikate investiert?

Bisher wurden etwa 320 Millionen Euro in Wikifolio-Zertifikaten platziert. Angesichts der Tatsache, dass wir im Bereich der Retailkunden lediglich mit unserer Website und ohne große Vertriebsaktivitäten auftreten, empfinden wir das als eine beachtliche Größe. In den Handelsstatistiken der Euwax befinden wir uns regelmäßig unter den ersten zehn Plätzen.

Der größte Teil des Orderflows kommt über die Börse und hier auch über Banken, die gar keinen Online-Broker haben, wie beispielsweise Sparkassen oder die Commerzbank. Doch bei rund zehn Banken ist auch ein Direkthandel mit unseren Zertifikaten möglich.

Das Handelsvolumen, das insgesamt durch Wikifolios ausgelöst wird, betrug seit dem Start bis zum heutigen Tag mehr als 5 Milliarden Euro. Hierin enthalten ist auch das Volumen, das anfällt, wenn innerhalb eines Wikifolios umgeschichtet wird.

Welche Ziele haben Sie sich für die Zukunft gesteckt?

Bis Ende 2015 wollen wir ein Gesamtinvestitionsvolumen in Höhe von 700 Millionen Euro erreichen.

Wollen Sie hierfür Ihre Vertriebsaktivitäten verstärken?

Selbstverständlich werden wir unser Geschäft in Deutschland weiter pflegen und erweitern. Dabei kommt es uns zugute, dass wir im Laufe der Zeit einen Track Record aufgebaut haben. Es wurden bereits rund 2,2 Millionen einzelne Trades bei Wikifolio.com publiziert. Dabei fallen einige der Trader mit ihren Wikifolios auf: Wenn jemand im vergangenen Jahr beispielsweise 1 400 Trades gemacht hat und dabei eine Trefferquote von 78 Prozent hatte, dann ist das kein Zufall. Derjenige Trader, der erfolgreich agiert, kann sich somit das Vertrauen der Anleger erarbeiten. Dadurch erhöht sich auch das Zutrauen in unsere Plattform und das System.

In Deutschland sind unsere Partner neben der Börse Stuttgart beziehungsweise der Euwax, beispielsweise auch die Comdirect, der Sparkassen-Broker, Onvista.de. Die HSBC hat ihre Produkte wie Anlagezertifikate und Optionsscheine bei uns handelbar gemacht.

Hauptwachstumstreiber wird aber eine geografische Expansion sein. Mit ähnlich starken Partnerschaften wie in Deutschland werden wir auch in der Schweiz starten. In weiteren europäischen Ländern führen wir Gespräche und prüfen die rechtliche Lage. Wir wollen künftig in weiteren Märkten mit starken Partnern vertreten sein.

Wie viel Geld werden Sie in neues Wachstum investieren?

Insgesamt werden wir in den nächsten Jahren etwa 3 Millionen Euro in die Produktweiterentwicklung stecken. Für die Schweiz beispielsweise haben wir ein Produkt gemeinsam mit Leonteq aufgelegt. In einem Basket werden dabei zwischen zehn und 25 Wikifolios verkauft. Zielgruppe hierfür sind wohlhabendere Anleger. Dieses Konzept werden wir auch in Deutschland an den Markt bringen, denn viele Anleger möchten sich nicht mit den einzelnen Tradern beschäftigen, sondern eine Gesamtstrategie verfolgen, die wir mit einem Korb abbilden können.

Wie ist Ihre Partnerschaft hierzulande mit der Comdirect Bank ausgestaltet?

Mit unseren Produkten möchten wir mehr Menschen für den Kapitalmarkt gewinnen - durch Transparenz und Leistung. Bei der Comdirect bieten wir Datenformate an, in denen wir zeigen, wie unsere Toptrader handeln. Wenn ein Comdirect-Kunde beispielsweise die Daimler-Aktie aufruft, wird ihm angezeigt, ob erfolgreiche Wikifolio-Trader diesen Wert aktuell eher kaufen oder eher verkaufen. Das kann dazu führen, dass der Comdirect-Kunde tatsächlich diese Aktie kauft oder verkauft und somit einen Trade im System der Commerzbank generiert. Es kann aber auch dazu führen, dass der Kunde sich für die Strategie des Traders und dessen Wikifolio interessiert und beschließt, ihm zu folgen. Der Online-Broker gewinnt damit in beiden Fällen eine Transaktion, Wikifolio.com hat in beiden Fällen seine Sichtbarkeit erhöht und in einem der beiden Fälle auch das Volumen gesteigert.

Wie läuft das Auflegen eines Wikifolio-Zertifikates konkret ab?

Zunächst können sich Trader bei uns anmelden, ein Wikifolio eröffnen und ihre Strategie bei uns publizieren. Andere Nutzer können sich sein Wikifolio unverbindlich vormerken. Wenn mindestens zehn Personen das getan haben, beginnt der Emissionsprozess. Anfangs sprechen wir mit dem Trader und formulieren gemeinsam seine Handelsstrategie, sodass sein Vorgehen verständlich wird und einwandfrei dokumentiert ist. Ein Prospekt für das Produkt wird erstellt und geht zur Prüfung an die BaFin. Nach rund fünf bis sechs Wochen erhält das Produkt dann eine ISIN und kann gehandelt werden. Emittent der Zertifikate ist dabei das Emissionshaus Lang & Schwarz AG.

Die rechtlichen Aspekte bei der Auflage des Zertifikats klären Sie?

Ja, insgesamt hat unser Unternehmen 25 Mitarbeiter, davon drei im Bereich Market Operations. Die letzteren kümmern sich um diesen Emissionsprozess. Es ist nur deshalb möglich, hier mit so wenigen Mitarbeitern vorzugehen, weil dieser Prozess stark standardisiert ist. Seit Start des Unternehmens wurden 7 800 Wikifolios publiziert, 2 200 haben diesen Emissionsprozess durchgemacht.

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