Besonders erfolgreich

Wichtige Ertrags- und Aufwandspositionen für einzelne Bankengruppen 2014*) in Prozent der operativen Erträge Quelle: Deutsche Bundesbank

Der genossenschaftliche Finanzverbund ist etwas Besonderes. Gegründet vor mehr als 150 Jahren ist es bis heute gelungen, die Grundprinzipien der Selbsthilfe, der Selbstverantwortung und der Selbstverwaltung über sich ständig ändernde Rahmenbedingungen nicht nur hinwegzuretten, sondern nach wie vor zur Basis der Geschäftsgrundlagen und des Verbundlebens zu machen. Vollständig privatwirtschaftlich organisiert gehören die Institute ausschließlich ihren Mitgliedern.

Die Erfüllung öffentlicher Zwänge entfällt daher ebenso wie das kapitalmarktgetriebene Streben nach maximalen Erfolgen. Das fördert ausgesprochen selbstbewusste Primärbanken. Das macht aber auch die Zusammenarbeit nicht einfach. Wo in Konzernen oder straffer organisierten Gruppen angeordnet werden kann, ist im genossenschaftlichen Finanzverbund stets intensive und mitunter langwierige Überzeugungsarbeit nötig. Denn das Misstrauen der Primären gegenüber all den zentralen Ideen und Vorstößen ist groß. Wenn allem Anschein nach das Vertrauen der Verantwortlichen der Primärstufe in die Leistungen und Ideen der Verbundinstitute, der Zentralbanken und des BVR gestiegen ist, so ist das durch - aus als gutes Zeichen zu werten. Aber es ist auch vergänglicher Ruhm, ein Verdienst der handelnden Personen, den äußeren Umständen ebenso geschuldet wie dem zunehmenden Handlungsdruck. Das kann sich schnell wieder ändern. Denn auch die Streitkultur ist etwas den Verbund besonders Auszeichnendes.

Diese Spezialitäten sind aber auch ein Geheimnis des Erfolgs des genossenschaftlichen Finanzverbundes. Sie fördern das unabhängige Unternehmertum an der Spitze der Primärbanken in den Regionen. Genossenschaftsbanken sind präsent. Und wenn eine Entscheidung gefallen ist, ist diese gut durchdacht und wird in großer Breite umgesetzt. Das zahlt sich offensichtlich aus. Im Rekordjahr 2014 setzte sich die Gruppe bundesweit an die Spitze der deutschen Kreditwirtschaft gemessen am Verhältnis von operativen Erträgen zum Jahresüberschuss (siehe Abbildung). Marktanteile konnten in den vergangenen Jahren konsequent ausgebaut werden, sowohl im Privatkundengeschäft als auch bei den Dienstleistungen für Unternehmen. Die Kreditgenossenschaften sind ebenso wie die deutsche Sparkassenorganisation Teil der stabilen Konjunktur in der Bundesrepublik. Der Erfolg und die Transparenz des Geschäftsmodells fördern das Kundenvertrauen ebenso wie das Ansehen in der Politik. Die Eigenkapitalbasis wurde dank einer maßvollen Ausschüttungspolitik stetig gestärkt und genügt heute bereits vielen zukünftigen Anforderungen. Und auch bei Themen wie neuen Zahlungsverkehrslösungen ist der genossenschaftliche Finanzverbund weit, vielleicht sogar weiter als manch andere.

All das darf zufrieden und stolz machen. Aber es ist nicht mehr als eine Situationsbetrachtung und darf den Blick nach vorne nicht trüben. Die niedrigen Zinsen fressen sich mit jedem Monat mehr immer tiefer in die Systeme hinein. Die Banken selbst gehen laut einer aktuellen Untersuchung der Deutschen Bundesbank und BaFin unter 1 500 kleinen und mittelgroßen Banken in Deutschland von einem Rückgang um 25 Prozent der Erträge bis 2019 aus. In einem Szenario ohne Anpassungen auf der Kostenseite und einer Reduzierung der Bilanzsummen sind laut BaFin und Bundesbank sogar Einbußen bis zu 50 Prozent möglich. Dann: Die Vielzahl regulatorischer Anforderungen vor allem im Meldewesen überfordert manche der kleineren Ortsbanken. Auch wenn vielleicht keine Fusionswelle zu erwarten ist, wird das doch zu einer weiteren Konsolidierung unter den derzeit noch etwas mehr als 1 000 Instituten führen. Das wiederum erhöht den Druck auf das Rechenzentrum, welches nicht nur mit der Bewältigung der eigenen Fusion beschäftigt ist, sondern darüber hinaus die Banken des ehemaligen GAD-Gebietes schrittweise auf das neue Fiducia-System migrieren und den Verbund bei zahlreichen (hoffentlich) zukunftsweisenden Projekten im Rahmen des "Kundenfokus 2015" und des "Kundenfokus 2020" unterstützen muss.

Dafür müssen aber auch erst einmal Antworten auf die sich ändernden Kundenwünsche gefunden werden. Digitalisierung, Prozessoptimierung und Multikanal sind allesamt schöne Stichwörter und sicherlich wesentliche Themen. Aber im Detail auch gefährlich: Denn die digitale Welt ändert sich ständig - plötzliche Trendwechsel sind keine Seltenheit. Von daher müssen Banken nicht jedem Hype hinterherlaufen, sie dürfen aber auch keinen verpassen. Nur welcher ist der richtige? Hier kann die mitunter etwas längere Entscheidungsfindung im genossenschaftlichen Finanzverbund schnell zum Nachteil, aber vielleicht auch zum Vorteil gereichen, weil ein Über drehen vermieden wird. Doch weder schiere Größe noch ein zu starkes Umschwenken auf internetbasierte Geschäftsmodelle sind Erfolgsgaranten. Die Diskussionen um das Regionalprinzip im Internetzeitalter, das zwar nicht satzungsgemäß verankert, aber sicherlich doch ein wesentlicher Teil der genossenschaftlichen Verbundkultur ist, und die Unzufriedenheit mancher Institute mit der mangelnden Nähe durch zu große regionale Verbandsstrukturen sollten Warnung genug sein.

Ebenfalls herausfordernd bleibt das Thema Europa. Der BVR ist mittlerweile neben Berlin und Bonn mit Büros in Brüssel und London vertreten. Immer wieder gilt es, auf die Besonderheiten der Finanzgruppe hinzuweisen und fehlgeleitete Regulierung zu verhindern. Das wird nicht leichter, wie die von Jean-Claude Juncker und den übrigen Meinungsführern im Fünf-Präsidenten-Papier forcierte Forderung nach einer echten europäischen Einlagensicherung zeigt. Passen die qua Auftrag nach Harmonisierung strebenden Europäer und die Wünsche nach Proportionalität und Risikoorientierung einer regionalen und dezentralen Bankengruppe einfach nicht zusammen? Hoffentlich doch. Denn die durch zu viel Vereinheitlichung erzwungene "Einheitsbank" kann weder im Sinne der vom Wettbewerb profitierenden Verbraucher sein, noch von Aufsehern gewünscht, steigen dadurch doch die Risiken eines neuen Crashs aufgrund mangelnder Diversifizierung eklatant an.

Das Selbstbewusstsein der Kreditgenossenschaften gepaart mit dem klaren Verständnis des gemeinsamen Förderauftrags und des erforderlichen Wandlungsbewusstseins können viel mehr Erfolgsrezepte auch für die Zukunft sein, nur sind diese Kerneigenschaften in der schnelllebigen heutigen Zeit mehr denn je gefragt. Gelingt der Spagat, bleiben die Volksund Raiffeisenbanken etwas Besonderes und erfolgreich.

Philipp Otto , Geschäftsführer, Verleger, Chefredakteur , Verlag Fritz Knapp, Verlag Helmut Richardi, Verlag für Absatzwirtschaft

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