Gewachsene Zuversicht

Philipp Otto

Foto: Fritz Knapp Verlag

"Ich möchte mich an dieser Stelle noch einmal bei den teilnehmenden Banken und Sparkassen sowie ihren Verbänden und IT-Dienstleistern bedanken. Ihnen allen gebührt großer Dank, denn ohne deren Mitarbeit ist eine solche Umfrage nicht möglich. Ich bin mir aber sicher, dass die Erkenntnisse, die wir aus diesem Vorsorge-Check ziehen, den Aufwand rechtfertigen - denn eine fundierte Diagnose über den Gesundheitszustand unseres Bankensystems liegt fraglos im Interesse aller." Dass Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret diese Worte ganz an den Anfang seiner Rede zu den Stresstest-Ergebnisse stellte zeigt, dass er sehr um die Befindlichkeiten der deutschen Institute weiß, die im Rahmen der zunehmend quantitativen und weniger qualitativen Aufsichtspraxis mit immer mehr Datenerhebungen der verschiedenen Institutionen überhäuft werden. Herrscht für die Notwendigkeit einer besseren und umfangreicheren Datenbasis auch bei den Praktikern noch ein gewisses Verständnis, so scheiden sich bei der Rechtfertigung des Aufwands die Geister. Denn Umfragen sind für Aufseher und Beaufsichtigte immer das teuerste Mittel, um an Informationen zu kommen.

Es steht sicherlich außer Frage, dass eine größere Datenbasis zu verlässlicheren Schätzungen führt. Auch können so Wechselwirkungen und Konsequenzen für das Gesamtsystem sicherlich besser beurteilt werden. Ob es nun im individuellen Fall eines einzelnen Instituts zu einem echten Erkenntnisgewinn für die Aufseher kommt, ist dagegen eher fraglich. Jochen Sanio, früherer Präsident der BaFin, jedenfalls sah diesbezüglich keinen Nutzen der Stresstests, da ein ordentlicher Aufseher immer mehr wisse, als die Ergebnisse zeigen würden. Und auch der amtierende Exekutivdirektor der BaFin, Raimund Röseler, konnte in den aktuellen Auswertungen keine Überraschungen feststellen: "Das meiste ist uns bekannt."

Hinzu kommt: Die Beaufsichtigten verhalten sich in solchen Fällen zwar kooperativ. Gemäß der Rational-Choice-Theorie zeigen die handelnden Subjekte aber aufgrund gewisser Präferenzen ein nutzenmaximierendes Verhalten. Die Präferenzen sind im Fall des Stresstests relativ eindeutig: Keinen Stress mit der Aufsicht! Und da man als ordentlicher Bankvorstand ja im Großen und Ganzen weiß, worauf es ankommt, sind auch die Ergebnisse der aktuellen Umfrage von BaFin und Bundesbank zu den Zinsänderungsrisiken an der ein oder anderen Stelle mit einem Schmunzeln zu lesen. So können sich beispielsweise 45 Prozent der teilnehmenden 1 555 kleinen und mittelgroßen Banken und Sparkassen eine Fusion mit einem anderen Institut in den kommenden fünf Jahren vorstellen. Davon sehen sich allerdings 35 Prozent als übernehmendes Institut und nur zehn Prozent als Juniorpartner.

Oder: Während die eigenen Einschätzungen der Banken und Sparkassen zu ihrer Ergebnisentwicklung hinsichtlich des Zinsergebnis mit einem Rückgang des Zinsüberschusses im Verhältnis zur Bilanzsumme in den kommenden vier Jahren um rund 0,27 Prozentpunkte noch relativ realistisch erscheinen, darf der geneigte Beobachter aufgrund der Erfahrung der vergangenen Jahre sanfte Zweifel anmelden, ob das wirklich wie erwartet durch den Provisionsüberschuss nahezu vollständig kompensiert werden kann (plus 0,24 Prozentpunkte). Erst recht vor dem Hintergrund, dass allgemein damit gerechnet wird, dass sich der Wettbewerb mit Fintechs und anderen Banken in diesem Zeitraum noch weiter verschärfen wird. Wo sollen da die geschätzten, zusätzlichen rund 3 Milliarden Euro an Provisionsertrag herkommen?

Man muss als kluger Aufseher also schon zwischen den Zeilen lesen, um wirklich Nutzen aus den Stresstest-Ergebnissen zu ziehen. Zur Beruhigung der Öffentlichkeit dienen sie aber allemal. Denn es ist doch zweifellos eine gute Nachricht, wenn selbst unter widrigsten Bedingungen lediglich 68 der 1 555 untersuchten Institute die erforderlichen Kapitalquoten nicht mehr bewerkstelligen könnten und auf Kapitalzufuhr von außen angewiesen wären. Allein im laufenden Jahr ist bei Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken vermutlich eine höhere Anzahl an Fusionen im Gange. Und im Stressszenario wurde wahrlich gestresst: Ein Zinsschock von 200 Basispunkten beim Zinsänderungsrisiko, ein Ansteigen der Ausfallwahrscheinlichkeiten um 155 Prozent und der Verlustquoten um 20 Prozent beim Adressrisiko und ein Anstieg der Risikoprämien für zinstragende Wertpapiere zwischen 30 und 1500 Basispunkten je nach Bonität sind jedes für sich genommen schon mehr als herausfordernd und in der Summe mehr als unwahrscheinlich.

Positiv festzuhalten bleibt auch, dass die Institute mit dem Niedrigzinsszenario offensichtlich immer besser umzugehen wissen. Gingen die befragten Häuser bei der letzten Umfrage aus dem Jahr 2015 noch von einem Rückgang der Gesamtkapitalrentabilität um 25 Prozent bis 2019 aus, sind es nun nur noch 16 Prozent bis 2021. "Der Abschwung hat sich fortgesetzt, aber ein wenig verlangsamt", so Dombret. Und das, obwohl immer noch rund 75 Prozent der Erträge der Banken und Sparkassen aus dem zinstragenden Geschäft generiert werden. Ob die größere Zuversicht allerdings an der insgesamt niedrigeren Basis, dem erfolgreichen Gegensteuern auf der Kosten- und Provisionsseite, höheren Einnahmen beispielsweise aus Gebühren oder dem schlichten Hoffen auf eine Zinswende liegt, kann auch diese Umfrage nicht beantworten.

Und drittens schließlich: Auch bei der für Deutschland so wichtigen Immobilienkreditvergabe sind die Institute vernünftiger als zunächst angedacht. "Unsere Erhebung zeigt aktuell für Deutschland auch ein Stück weit Entwarnung. Wir beobachten bei den Vergabestandards und Kreditkonditionen keine weitreichende Lockerung - eine deutliche Aufweichung wäre ein Anzeichen für das Entstehen einer die Finanzstabilität gefährdenden Immobilienblase. Diese sehen wir aber nicht", so Raimund Rösler. Durch ihr Verhalten und natürlich auch durch die Langfristigkeit des Geschäfts sind Banken und Sparkassen auch gegen einen Einbruch der Häuserpreise halbwegs gewappnet. Der Rückgang der Kapitalquote beträgt laut Stresstest bei einem bundesweiten Preiseinbruch um 30 Prozent gerade einmal 0,9 Prozentpunkte.

Es gibt allerdings auch ein Ergebnis, dem Bundesbank und BaFin sehr kritisch gegenüberstehen. So erwartet rund ein Drittel der befragten Häuser einen Rückgang der harten Kernkapitalquoten. Grund ist ein Anstieg der risikogewichteten Aktiva absolut ebenso wie relativ im Verhältnis zur Bilanzsumme. Das sei ein Frühindikator für eine erhöhte Risikobereitschaft der Institute, so Dombret und drohte mit sehr genauer Überwachung.

Insgesamt hat aber auch dieser Stresstest gezeigt: Auch im nunmehr vierten Jahr infolge ohne Zinsen geht es fast allen deutschen Banken und Sparkassen gut. Das zeigt eindrucksvoll die Widerstandskraft der deutschen Institute, die sich seit Jahren schon in einem Extrem-Umfeld bewähren. Das verdient größten Respekt.

Philipp Otto , Geschäftsführer, Verleger, Chefredakteur , Verlag Fritz Knapp, Verlag Helmut Richardi, Verlag für Absatzwirtschaft

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