Eine neue Deutsche Bank?

Die neue alte Deutsche Bank Quelle: Deutsche Bank, Pressekonferenz: Umsetzung der Strategie 2020, Frankfurt am Main, 29. Oktober 2015

Kriegt die Deutsche Bank unter ihrem neuen Taktgeber endlich die Kurve? Nach gut drei Jahren unter den beiden Vorstandschefs Anshu Jain und Jürgen Fitschen war die Entlassung Jains und die Degradierung Fitschens quasi die letzte Ausfahrt, die Aufsichtsratschef Paul Achleitner erwischt hat, indem er John Cryan installierte und den machtbewussten Inder vom Hof jagte. Vor allem Letzteres wird ihm offensichtlich so hoch angerechnet, dass die Unterstützung für den keineswegs überzeugenden Oberkontrolleur immer noch durchweg positiv ausfällt, bei Arbeitnehmern wie Arbeitgebern.

Noch wird Achleitner nicht öffentlich infrage gestellt. Auch wenn er das durchaus verdient hätte, schließlich ist er an dem unter Fitschen und Jain herrschenden Niedergang der Deutschen Bank mit einer kaum zu beschreibenden "Mammon-Mentalität" und einem Strategiechaos seinesgleichen direkt beteiligt. Auch Achleitner ist schuld. Nun wird sehr viel davon abhängen - für die Bank wie für Achleitner -, ob es Cryan gelingt, den treffenden Worten auch die entsprechenden Taten folgen zu lassen und Deutschlands Branchenprimus endlich wieder eine andere, nettere Mentalität zu verleihen. Sollte es damit nichts werden, geht die Welt aber auch nicht unter, dann wird ein anderer kommen. Einfach so von der Bildfläche verschwinden wird Deutschlands größtes Bankinstitut sicherlich nicht.

Der erste Eindruck John Cryans war vielversprechend. Der Brite ist kein aktionistischer "Haudrauf". Vielmehr hat er sich die Deutsche Bank besonnen und ruhig analysierend betrachtet und dann ein wenig schmeichelhaftes Bild gezeichnet. Die Kultur ist versaut, die Kosten sind zu hoch, es gibt keine klaren Verantwortlichkeiten, die Menschen verdienen viel, viele ihrer Kunden braucht die Bank nicht mehr, verlässliche Steuerungssysteme gibt es kaum, die IT-Systeme sind nicht kompatibel und die Hardware veraltet. Schonungsloser hätte die Abrechnung mit den Vorgängern kaum ausfallen können, auch wenn Cryan immer wieder versuchte, sie in verträgliche Worte zu kleiden. Warum Jürgen Fitschen, auf dem Podium sitzend, sich das antat - er bleibt noch bis zum kommenden Jahr Co-Vorsitzender des Vorstands - kann nur er selber wissen. Vergnügungssteuerpflichtig ist das nicht.

Cryan mus sich allerdings die Frage gefallen lassen: "Warum kommt das große Aufräumen erst jetzt?" Der Brite war bereits einige Jahre Mitglied des Aufsichtsrats der Deutschen Bank, davon die beiden vergangenen Jahre Vorsitzender des Prüfungsausschusses, in denen er nicht eine einzige Prüfung veranlasst hat. Völlig unbelastet von der unrühmlichen jüngeren Vergangenheit ist er also auch nicht. Hat er nichts gesehen? Oder hat er etwas gesehen, aber konnte oder durfte nicht? "Ich habe viel gesehen!", antwortet er vielsagend. Offenbar gab es auch im Aufsichtsrat Differenzen über die richtigen Maßnahmen zum richtigen Zeitpunkt, zu groß war offenbar die Unterstützung für die Investmentbanker rund um Anshu Jain. Das hat sich (hoffentlich) geändert.

Das Programm, mit dem Cryan die Deutsche Bank wieder auf Kurs bringen will, enthält viele Notwendigkeiten, kaum Überraschungen und einige Grausamkeiten. Vier Kernziele hat die neue Führungsriege ausgegeben: 1. Eine einfachere und effizientere Deutsche Bank. Hierfür verabschiedet sich das Institut aus zehn Ländern, darunter Argentinien, Mexiko, Dänemark, Finnland und Norwegen, baut rund 9 000 Arbeitsplätze, auf Vollzeitstellen umgerechnet, in der Bank ab sowie weitere 6 000 Stellen bei externen Dienstleistern, verringert die Anzahl der Kunden in den Geschäftsfeldern Global Markets und CIB um rund 50 Prozent und modernisiert die IT-Architektur einschließlich der Hardware, von der laut Cryan etwa 35 Prozent ihren Zenit überschritten haben. Letzteres ist ein Armutszeugnis für die bisherige Organisation der Bank. Spannender wird sein, wie der neu sortierte Vorstand, endlich wieder mit klaren Verantwortlichkeiten für die einzelnen Geschäftsbereiche, den Stellenabbau hinbekommen wird. 5 000 Stellen (brutto) in Deutschland sind eine Hausnummer. Hier kann es schnell zu Verunsicherungen und Verärgerungen kommen. Dass die endgültige Verkündung noch etwas auf sich warten lässt, da die Geschäftsbereiche neu zugeschnitten wurden, hilft sicherlich auch nicht. Und billig wird es ebenfalls nicht, denn an Restrukturierungs- und Abfindungskosten sind 3,0 bis 3,5 Milliarden Euro eingeplant, fast genauso viel wie die Kosteneinsparungen im eingeschwungenen Zustand von 3,8 Milliarden Euro per annum.

2. Verringerung der Risiken. Die erheblichen Belastungen durch Rechtsrisiken sollen endlich der Vergangenheit angehören. Hierfür soll das Informationswesen erheblich aufgewertet werden, alle Kundenbeziehungen werden auf ihren Risikogehalt hin überprüft. 3. Stärkung der Kapitalbasis. Um mit den internationalen Peers mithalten zu können, muss die Deutsche Bank vor allem an ihrer Leverage Ratio und der Kapitalbasis arbeiten. RWA im Volumen von 90 Milliarden Euro werden bis 2018 auf dann einen Bestand von rund 320 Milliarden Euro abgebaut, das CRD IV Leverage Exposure wird im selben Zeitraum um bis zu 170 Milliarden Euro reduziert. Zur Stärkung der Kapitalbasis werden auch die Aktionäre zur Kasse gebeten, die für 2015 und 2016 auf eine Dividende verzichten müssen. Damit macht Cryan bei der Belegschaft vielleicht Punkte, die Investoren werden aber sicherlich nicht erfreut sein, denn angesichts der anhaltend niedrigen Zinsen sind Dividendenerträge eine wichtige Einnahmequelle geworden.

4. Erhöhung von Disziplin und Verantwortung. Künftig sind wieder alle Geschäftsbereiche direkt im Vorstand vertreten, wobei der neue Zuschnitt der Bank (siehe Abbildung) doch ein wenig an den alten unter Josef Ackermann erinnert. Dafür wird das von Ackermann eingeführte Group Executive Committee, in dem sich vor allem die angelsächsischen Führungskräfte dem Zugriff des deutschen Aktienrechts entziehen wollten, abgeschafft. Zudem sollen Boni reduziert und deren Auszahlung stärker an nachhaltige Leistung für die Bank und das Verhalten der Mitarbeiter geknüpft werden. All die genannten Punkte sind notwendig. Und John Cryan ließ auch keinen Zweifel, was er mit Abweichlern von dem nun eingeschlagenen Weg zu tun gedenkt. "Die Deutsche Bank hat kein Strategieproblem, sie hat ein Umsetzungsproblem", so der neue starke Mann im Konzern. An den nun formulierten Zielen, die weniger spektakulär als in der Vergangenheit seien, will er persönlich sich messen lassen.

Cryan hat der Bank wieder Richtung und Gesicht gegeben. Nun muss nur noch ein klares Bekenntnis folgen, wofür die Bank dauerhaft steht. Näher am Kunden, internationales Kapitalmarktgeschäft, mehr nachhaltige Erträge, Heimat Deutschland - all das sind wichtige Punkte. Aber was unterscheidet die Deutsche Bank von ihren Wettbewerbern? Was kann sie besser als andere? Warum sollen Neukunden mit diesem Haus Geschäfte machen? Das wird noch zu zeigen sein, mit harter Arbeit und einer Schärfung des Profils in den kommenden Monaten und Jahren. Noch vertrauen Kunden der Deutschen Bank Geschäfte an, die Erträge von mehr als 30 Milliarden Euro jedes Jahr ermöglichen. Noch. Es wird also Zeit, dass die neue Deutsche Bank mit alten Tugenden zu alter Stärke zurückfindet.

Philipp Otto , Geschäftsführer, Verleger, Chefredakteur , Verlag Fritz Knapp, Verlag Helmut Richardi, Verlag für Absatzwirtschaft

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