Sinnvollere Strukturen für Investmentbanken

Horst Bertram

Die Welt braucht leistungsstarkes Investmentbanking und funktionierende Kapitalmärkte. Durch die Intermediärsfunktion versorgen sie die ständig globaler werdende Volkswirtschaft mit dem Treibstoff Kapital. Was die Welt dagegen nicht braucht, sind riesige Universal- oder Investmentbanking-Einheiten mit aufgeblähter Bilanz, extremer interner Komplexität, undurchsichtigen Kreditrisiken und geringer Profitabilität. Was die Welt und die Branche selbst auf gar keinen Fall brauchen, sind Institute, die im Falle ihres prinzipiell nicht auszuschließenden Untergangs andere Häuser mit in den Abgrund reißen und/oder nach der stützenden staatlichen Hand greifen.

Auch im achten Jahr der Finanzkrise sind viele der Banken noch viel zu groß - viel größer als es für ihren Geschäftszweck nötig wäre.

Die Aufarbeitung der Fehlentwicklungen durch die Politik und die Regulatoren zeigt aber auch schon positive Effekte. So sind die meisten Banken heute wesentlich besser kapitalisiert und damit in der Lage, Verluste besser zu verdauen. Freilich wurden sie dazu von außen getrieben und weniger durch die eigene Einsicht. Dagegen hat die Regulatorik bei den Themen der Reduzierung der strukturellen und systemischen Risiken nicht viel bewegen können. Das zeigt etwa ein kritischer Blick auf die Effekte der bankeigenen internen Risikomodelle sowie auf das Thema Compliance.

Solche Dinge aufzugreifen wäre wichtiger gewesen, als sich die Köpfe über mögliche Trennbankenregelungen zu zerbrechen. Erstaunlicherweise wurden viele der großen Häuser zu Schadensersatzzahlungen in Milliardenhöhe verurteilt, aber personelle Konsequenzen gab es eigentlich viel zu selten. Es ist schwer verständlich, warum Vorstände im Amt bleiben können, obwohl ihr Ressort einige Milliarden an Strafen "eingefahren" hat. Auch hier hat die Regulatorik die Hausaufgaben nicht gemacht.

Selbstverständlich existieren auch in diesem Bereich positive Beispiele. Einige Häuser haben frühzeitig ihre Lektionen gelernt und ihre überdimensionierten Investmentbanking-Aktivitäten - und hier speziell das Eigenmittelintensive Kapitalmarktgeschäft - massiv zurückgefahren oder Teile davon eingestellt. Dazu gehört die UBS, die sich - nach ihrem Beinaheuntergang - von viel Ballast getrennt hat; sie konnte sich dies aufgrund des gut verdienenden Asset- und Wealth-Management-Geschäftes freilich auch leisten. Dazu zählen auch Barclays und die Royal Bank of Scotland, deren "Stärke" zu sehr in margenarmen Teilen des Anleihegeschäfts lag beziehungsweise deren Expansionshunger zu einem massiven Anstieg von Kosten und Risiken führte.

Zudem glänzen manche Banken mittlerweile wieder mit sehr guten Ergebnissen. Das gilt etwa für Goldman Sachs und Morgan Stanley. Beide sind fokussiert, flexibel, straff und gut geführt und extrem abschluss- und erfolgsorientiert. Darüber hinaus genießen sie den großen Vorteil eines profitablen Heimatmarktes - die USA. Beide sind längst zu Universalbanken mutiert und vergeben sogar Kredite, wenn es ihrem Kapitalmarktgeschäft förderlich ist. Die große Stärke von Goldman Sachs ist neben dem Handel die Beratung, das heißt Corporate Finance und Mergers & Akquisitions, also Geschäftsfelder, in denen satte Margen zu verdienen sind. Zudem wird schnell und entschlusskräftig auf Marktveränderungen reagiert. Besteht beispielsweise Skepsis für das Fixed-Income-Geschäft, werden umgehend Personal, Risikoaktiva und Kosten spürbar reduziert; wenn das Geschäft wieder anläuft, wird wieder eingestellt - ganz einfach und doch regelmäßig erfolgreich. Ein wesentlicher Teil des Erfolges solcher Institute liegt auch in der Managementkultur, es gibt Platz für starke Charaktere und es wird - falls nötig - auch mal heftig gestritten. Die Organisationsstrukturen sind, obwohl sich auch dort die Compliance- und Risikomanagementbereiche stark vermehrt haben, im Vergleich zu Wettbewerbern übersichtlich und von klaren Verantwortlichkeiten geprägt.

Ähnliches gilt in großen Teilen für die Bank of America, Citi, Credit Suisse, Deutsche Bank, HSBC, J. P. Morgan und UBS. Richtige Global Player, die größte Unternehmen und Investoren weltweit mit Rat und Tat begleiten können, brauchen aber einen großen Anteil am US-Geschäft, sonst reicht die Ergebniskraft nicht aus, die notwendigen Kapazitäten dauerhaft vorzuhalten. Dass es die Akteure im amerikanischen Markt geschafft haben, praktisch über die gesamte Wertschöpfungskette höhere Margen zu erzielen, als es im europäischen Markt möglich ist, liegt überwiegend an der traditionellen Dominanz der großen US-Häuser, die richtige Wettbewerber immer klein gehalten haben. Am US-Markt tun sich selbst große Einheiten wie Credit Suisse und Deutsche Bank immer noch sehr schwer. Ohne die Einnahmen aus den USA indes wird den europäischen Häusern wahrscheinlich kaum etwas anderes übrig bleiben, als sich neu zu fokussieren.

Zu diesem neuen Fokus gehört vor allem die Selbstbeschränkung auf wesentliche Kernkompetenzen und die passende Zielkundschaft. Wichtig ist es, bei den Kernkompetenzen zu den Besten zu gehören, denn oftmals ist das Geschäft nur für die oberen drei bis fünf Banken in den League Tables wirklich profitabel. Die Besinnung auf eine eigene wertschöpfende Rolle für die Realwirtschaft mag der Erfolgsfaktor der Zukunft sein. Dazu gehören die Bilanzverkürzung und die Reduktion der Komplexität der internen Strukturen. Von größter Bedeutung ist auch der deutliche Abbau der Kosten, der nicht ohne Personalabbau zu bewerkstelligen ist.

Dass dieses Kalkül aufgehen kann, hat beispielsweise die Commerzbank bewiesen. Sie wird wohl nie zu den ganz großen Marktteilnehmern gehören, aber ihr kundenbezogener und auf das deutsche Produkt fokussierter Geschäftsansatz zeitigt sukzessive Erfolge. Das ein oder andere Haus mag sogar in der Lage sein, in einigen Produktsegmenten zu den Marktführern zu gehören. Als Vorbild könnte hier das Geschäftsmodell der Donaldson, Lufkin & Jenrette, einer vor Jahren von der Credit Suisse übernommenen und wenig erfolgreich integrierten Investmentbank, dienen. Sie hatte es geschafft, sich auf wenige Kernkompetenzen, die noch dazu überdurchschnittliche Margen aufwiesen, zu konzentrieren und dort zu den Marktführern zu gehören. Von dieser Gruppe sollten zwar nicht die gleichen Renditen wie von den richtigen Global Playern erwartet werden, sie müssen dafür aber auch ein geringeres Geschäftsrisiko aufweisen. Ebenfalls Platz ist am Markt für eine Gruppe von lokalen Marktteilnehmern, die sich mit begrenztem Angebot an eine überschaubare Kundengruppe wenden. Auch diese können hoch spezialisiert durchaus profitabel sein.

Von größter Bedeutung für die gesamte Branche ist die Neudefinition von Geschäftsethik. Der Kunde und seine Bedürfnisse müssen im Mittelpunkt stehen und die erzielten Erträge sollten dringlich nachhaltig sein. Trans aktionen an der Legalität vorbei sollten hart bestraft werden, nicht nur mit Geldstrafen, die der Arbeitgeber zahlt, sondern auch durch Berufsverbot für die Verantwortlichen. Die bereits für Vorstände geltenden Regelungen eines möglichen Lizenzentzuges müssten zumindest auf die nächsten beiden Managementebenen ausgeweitet werden. Hinzu kommt die Implementierung von passenden Gehaltsstrukturen. Die Verteilung der Auszahlungen auf mehrere Jahre war ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. In der Praxis versuchen aber fast alle großen Häuser immer wieder, die Gehaltsdeckelungen vonseiten des Gesetzgebers und der Aufsicht zu umgehen. Ob es hierbei sinnvoll war, bei Topmanagern die begrenzten Bonuszahlungen durch teilweise massive Aufstockungen der Grundgehälter zu kompensieren, ist mehr als fraglich. Erst wenn die oberste Managementebene den von ihr verkündeten "Kulturwandel" auch selbst lebt, wird er wirksam. In solch einem Umfeld fühlen sich auch junge Talente wieder wohler.

Solche Schritte sind unausweichlich, um dauerhaft - wenn auch nur in der Nische - erfolgreich zu sein. Wer rechtzeitig Volumen abbaut, wird vom Platzen der Blase auf den Anleihemärkten nicht so hart betroffen werden. Durch Schrumpfen der Bilanz wird auch das Geschäft mit dem wenig regulierten Finanzsektor - wie Hedgefonds - geringer werden. Dies wiederum würde zur Stabilisierung der Finanzmärkte beitragen. Zur Neuorientierung gehören die wahrscheinlich weiter steigenden Anforderungen an die Kapitalausstattung, was vor allem die Handelsbereiche und das großvolumige Geschäft mit Hedgefonds und ähnlichen Kunden betrifft. Ebenfalls von großem Einfluss auf die Marktstrukturen werden weitere regulatorische Maßnahmen wie MiFID II/MiFIR sein. Veränderungen werden schneller kommen, als von den meisten Bankern erwartet. Für die eigene Restrukturierung gilt: Was heute nicht in Angriff genommen wird, dafür ist es morgen bereits zu spät.

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