Die Suche nach der Zukunft

Philipp Otto

Das war einmal: "Die Deutsche Bank hat sich zu attraktiven Konditionen an einer der führenden Privatkundenbanken in Deutschland beteiligt. Dies ist eine gute Finanzinvestition, stärkt unser eigenes Privatkundengeschäft und schafft Wert für unsere Aktionäre. Gleichzeitig eröffnet uns die Option, die Beteiligung an der Postbank in der Zukunft aufzustocken, zusätzlich langfristige Wachstumsmöglichkeiten." (Josef Ackermann, September 2008). "Wir werden in unserem Heimatmarkt Deutschland unsere Marktführerschaft festigen, unser Europageschäft deutlich ausbauen und in unser Beratungsgeschäft investieren.

Mit diesem Programm [Wachstumsoffensive im Segment Privat- und Geschäftskunden, Red.] stellen wir die Weichen für nachhaltiges profitables Wachstum. Wir wollen die beste Bank mit dem besten Angebot an jedem unserer Standorte sein." (Rainer Neske, Oktober 2008). "Der Deutsche-Bank-Konzern wird künftig über einen ausgewogeneren Ertragsmix und insgesamt stabilere Erträge verfügen." (Josef Ackermann, November 2010).

Das ist heute: "In den vergangenen vier Jahren wurde die Postbank immer wertvoller. Wir kommen aber aufgrund der genannten Faktoren zu dem Schluss, dass sich die Postbank in Zukunft außerhalb des Deutsche-Bank-Konzerns besser entfalten kann. [...] Wir werden den Squeeze-out bei der Hauptversammlung der Postbank im August beginnen. [...] Die Integration des Privatkundengeschäfts der Postbank und der Deutschen Bank, insbesondere im Middle- und Backoffice, wird sofort eingestellt. Wir kehren zu getrennten operativen Strukturen zurück, was aber die erzielten Effizienzgewinne und die Verbesserungen in der Servicequalität nicht tangieren wird. [...] Wir rechnen derzeit damit, dass die erste Tranche des Börsengangs bis Ende 2016 auf den Weg gebracht sein wird." (Jürgen Fitschen und Anshu Jain, April 2015).

Mit dieser Pressekonferenz und der verkündeten "Strategie 2020" der Deutschen Bank beginnt für die Deutsche Postbank ein neues Kapitel in ihrer in den vergangenen zwanzig Jahren so bewegten Firmengeschichte. Dabei fing alles so ruhig an. Als 1909 der Giroverkehr entstand, wurde dieser in erster Linie von den Sparkassen abgewickelt. Daneben entstand 1909 der sogenannte Postscheckdienst. Die Postbank war geboren und fungierte viele Jahre als "Postsparkassendienst". 1939 führten die Postscheckämter das Postsparbuch ein, mit denen den Kunden das Geldabheben auch im Ausland einfach und günstig möglich war. Spannend wurde es 1990: Im Zuge der Aufspaltung der ehemaligen Bundespost in die Deutsche Telekom, die Deutsche Post und eben die Deutsche Bundespost Postbank wurde die Postbank eigenständig und noch im selben Jahr mit der Deutsche Post Postbank der DDR verschmolzen. 1995 erhielt die Postbank die Vollbanklizenz und wurde in eine AG umgewandelt. Allerdings dauerte es vier Jahre, bis die Post, immer schon Eigentümer und Mutter der Postbank, wieder die Mehrheit an der Bonner Privatbank übernahm. Nun ging es Schlag auf Schlag: Übernahme der DSL Bank 1999, Kauf der BHF Holding und Einstieg in das Firmenkundengeschäft in den USA 2001, Börsengang 2004, Übernahme der zweitgrößten Bausparkasse BHW und Aufstieg in den Dax 2006.

Spätestens jetzt hatte der Bonner Konzern nur noch wenig mit dem verschlafenen Postscheckdienstleister aus dem vergangenen Jahrhundert zu tun. Und die Postbank hatte immer schon zwei Dinge, die sie für den Wettbewerb ausgesprochen interessant machte: Kunden und Einlagen. Selbst wenn man von den rund 14 Millionen all die Schläfer abzieht, verbleiben rund 3,5 bis 4 Millionen interessante Möglichkeiten in einem ansonsten hart umkämpften und ebenso verteilten wie ausgeschöpften deutschen Bankenmarkt. Und ein Einlagenüberhang von mehr als 100 Milliarden Euro macht unabhängig von Zinsen und den Kapitalmärkten. Das galt 2006, das gilt heute immer noch so.

Das gefiel auch der Deutschen Bank. Unterstützt von der deutschen Politik, die sich ein großes internationales Institut mit fester Verankerung in Deutschland wünschte, half der Branchenprimus der Post bei ihrem Ausstieg aus dem Bankgeschäft. Zunächst übernahm die Deutsche Bank im September 2008 ein Aktienpaket von 29,75 Prozent, einigte sich aber mit der Post gleichzeitig auf eine Option für die mehrheitliche Übernahme. Ende 2010 war es so weit und die Deutsche Bank steigerte ihren Anteil bis 2012 sukzessive auf 93,7 Prozent. Bis Ende dieses Jahres will der Frankfurter Konzern seinen Anteil auf 100 Prozent aufstocken, aber nur, um ihn dann möglichst schnell wieder loszuwerden.

Denn hohe Kapital- und Liquiditätskosten sowie der von der BaFin (zu Recht oder zu Unrecht?) verweigerte Zugriff auf die Postbank-Einlagen haben den amtierenden Managern (mit Ausnahme von Privatkundenvorstand Rainer Neske vermutlich) die Freude an der Postbank vermiest. Damit wiederholt sich die Geschichte, denn wieder einmal stehen die Bonner am Anfang ihr der eigenen Zukunft.

Die Postbank ist heute eine andere Bank als 2008. Unter Regie der Deutschen Bank wurde die Bilanz um fast 30 Prozent gekürzt, nicht kundenbezogene Aktiva wurden nahezu halbiert, das Eigenkapital um rund 20 Prozent erhöht, die Rendite auf das Gesamtkapital verdoppelt und die Verschuldungsquote verbessert. Nicht zum Kerngeschäft gehörende Aktiva wie strukturierte Kredite, Gewerbeimmobilien und andere Portfolios mit einem Volumen von insgesamt über 42 Milliarden Euro wurden verkauft oder zurückgeführt. Die Prozesse wurden gestrafft und die Effizienz erhöht, die Investitionen in die von Deutscher und Postbank genutzten neuen Plattform Magellan belaufen sich auf rund eine Milliarde Euro. Dabei hat sich an den Marktanteilen kaum etwas geändert: Rund 9,4 Prozent der über 14-Jährigen haben laut Statista ein Konto bei der Postbank, das war schon 2004 zum Zeitpunkt des Börsengangs so. Und hinsichtlich einer Statista-Auswertung zur Beliebtheit als kontoführende Bank rangieren die Bonner noch vor der Deutschen Bank auf dem dritten Platz, gleich hinter den Platzhirschen Sparkassen und Kreditgenossenschaften. Auch die Ertragskraft stimmt: Der Bereich PBC der Deutschen Bank erzielte 2014 bei Erträgen von mehr als neun Milliarden Euro einen Vorsteuergewinn von rund 2,2 Milliarden Euro.

Das ist natürlich ein Pfund. Allerdings hat die Postbank auch ein Imageproblem, denn sie hat den eigenen Antritt verständlicherweise heruntergefahren und ist nur noch als Teil des Privatkundengeschäfts der Deutschen Bank wahrgenommen worden. Das muss sich in den kommenden Monaten schnell ändern, um wieder ein eigenes Profil mit einem Geschäftsmodell zu entwickeln, das potenzielle Interessenten anspricht. Denn aufgrund der gegenwärtigen Zinslage und den regulatorischen Bedingungen werden die Käufer für eine arg passivlastige Postbank nicht unbedingt Schlange stehen. Und ein Blick auf die Kursentwicklungen bei Bankaktien lässt auch Zweifel an einem breit gestreuten IPO zu. Allerdings muss man sich um die Zukunft der Postbank wohl weniger Sorgen machen, als um die Zukunft des verbleibenden Privatkundengeschäfts in der Deutschen Bank.

Philipp Otto , Geschäftsführer, Verleger, Chefredakteur , Verlag Fritz Knapp, Verlag Helmut Richardi, Verlag für Absatzwirtschaft

Weitere Artikelbilder

Noch keine Bewertungen vorhanden


X