Vertrauen muss verdient werden

Jürgen Pitzer, Dozent, Hochschule Darmstadt

In vielerlei Hinsicht markiert der verunglückte Flug 4U9525 einen Einschnitt in unser kollektives Bewusstsein. Sicher gilt dies bereits jetzt für die Angehörigen und das persönliche Umfeld der Betroffenen sowie für die Unternehmensgeschichte des Lufthansa-Konzerns. Insbesondere für die Kommunikation eines Unternehmens in der Krise können aus dem Verhalten des Managements sowie der Medien Hinweise für den Umgang mit Informationen und Spekulationen im Zeitalter von Bild, Internet und Social Media gezogen werden. Zunächst haben sich das Management von Germanwings und der Muttergesellschaft Lufthansa nahezu mustergültig verhalten:

Mit offener, immer sachlicher und keiner Frage ausweichender Information hat sich das Management frühzeitig dem Spekulationstsunami der Medien entgegenzustemmen versucht. Glaubwürdig wurde zudem auf die Mitwirkung bei der Aufklärung verwiesen und in der richtigen Tonlage persönliche Betroffenheit vermittelt. Wie aus dem Krisenhandbuch gelernt wurde dabei stets darauf verwiesen, dass es sich bei dem Unglück um einen absoluten Einzelfall handele, der in keiner Weise die weiter gültigen, unbestritten höchsten Qualitätsansprüche ("Wir sind die Besten." Originalton Lufthansa CEO Spohr) an Material, Prozesse und Rekrutierungskriterien der Gesellschaft widerspiegele.

Mit den Ermittlungserkenntnissen, die vom französischen Staatsanwalt lakonisch präzise, vom deutschen Ermittler eher verdrechselt vorgetragen wurden, kam dieses Drehbuch offenbar durcheinander. Die Fragen nach dem krankhaften Vorleben, der Validität der ärztlichen Einstellungstests des mutmaßlichen Täters, des Copiloten A. L., sowie der Überprüfung seiner Flugtauglichkeit wurden gestellt und von zahlreichen Experten in den unterschiedlichsten Medien gewälzt und widersprüchlich beantwortet, vom Unternehmen gab es dazu bislang keine Erklärung. Während bisher das Management mit starken Worten seine Mitarbeiter verteidigte, verfällt es nunmehr augenscheinlich in die Schweigestarre. Und läuft damit Gefahr, jene fatale kommunikative Fehlhaltung einzunehmen, die für viele, wenn nicht gar die überwiegende Mehrzahl der Unternehmensführer speziell in Deutschland kennzeichnend ist.

Folgt man nämlich den Erkenntnissen einer bundesweiten Umfrage, die kürzlich von dem renommierten Wirtschaftsforschungsinstitut Doeblin veröffentlicht wurde, dann ist von den 30 größten Dax-Unternehmen, die Deutschlands Wirtschaftskraft und Ansehen weltweit prägen, fast der Hälfte der Bevölkerung kein einziger der Unternehmenslenker namentlich bekannt. Bei so schwachen Bekanntheitswerten für die unbestritten einflussreichsten und damit repräsentativen Wirtschaftsführer nimmt es dann fast schon nicht wunder, dass die Einschätzung ihrer Kompetenz, Glaubwürdigkeit und sozialen Engagements und Fähigkeiten in den Augen der Befragten äußerst gering ausfällt. Selbst den Spitzenreiter Martin Winterkorn, CEO von Volkswagen, halten nur 16 Prozent der Befragten für glaubwürdig, nur 13 Prozent finden ihn sympathisch und 12 Prozent gestehen ihm soziale Kompetenz zu. Alle anderen Unternehmenslenker liegen mit ihren Zustimmungswerten noch erheblich weiter zurück und man kann sich ohne viel Fantasie ausmalen, welche Minimalwerte für noch weniger bekannte Manager ermittelbar wären. Wenn in der gleichen Untersuchung festgestellt wird, dass nur wenige sich für die Wirtschaft interessieren, dann liegt die Vermutung des Verfassers dieser Studie nahe, im Verhalten der Manager eine wesentliche Ursache dafür zu suchen.

Dabei gehört es inzwischen zum unverrückbaren Basiswissen jeder Managementausbildung, dass die belastbare positive Verankerung eines Unternehmens im Bewusstsein seiner Zielgruppen unabdingbare Voraussetzung nicht nur für den Erfolg, sondern für die nachhaltige Existenz einer Unternehmung ist. Ohne diese auf glaubwürdige, also vertrauensbasierte Kommunikation aufbauende "licence to operate" wird es keinem Unternehmen gelingen, im Wettbewerb erfolgreich bestehen zu können. Mit der Auffächerung der Medien von bislang klassischen Multiplikatoren zu dialogfähigen Austauschplattformen, in der alle Interessengruppen eines Unternehmens sich artikulieren können, hat die Bedeutung dieses kommunikativen Grundgesetzes weiter zugenommen. Der dynamische Bedeutungszuwachs der internetbasierten, dialogfähigen sozialen Medien liegt auch darin begründet, dass mit steigender Komplexität, undurchschaubaren Prozessen sowie globalen Wirkungszusammenhängen ein dynamisch anwachsender Informations- und Erklärungsbedarf einhergeht. Dieser wird bis dato offenbar von vielen Unternehmen noch vielfach unter- beziehungsweise falsch eingeschätzt oder mit den falschen Methoden nur unzureichend gedeckt.

Im Gegenteil leiten manche Unternehmen aus der aus ihrer Sicht zu geringen Resonanz für ihre Themen in den Medien nicht die Schlussfolgerung ab, ihr Informationsangebot zu erweitern, in jedem Fall nutzeradäquat zu verändern. Manche nehmen dies sogar als Vorwand, ihre ohnehin nicht üppige mediale Präsenz sogar weiter zu reduzieren. So hat zum Beispiel die Continental AG ab diesem Jahr ihre Bilanzpressekonferenz durch eine virtuelle Webcastkonferenz ersetzt, um den Journalisten "Entlastung zu verschaffen"! Ausgerechnet ein Unternehmen, das zu einem erheblichen Teil dem Einsatz der Öffentlichkeit seine Unabhängigkeit verdankt, entzieht sich den kritischen Fragen, indem es sich hinter den neuen Medien verschanzt.

Wie es auch anders gehen könnte, wenn Integrität, Ernsthaftigkeit und Persönlichkeit zusammenkommen, zeigt die überwältigende Resonanz, die der Auftritt eines Germanwings-Flugkapitäns im Netz ausgelöst hat. Dieser hatte nach Bekanntwerden des Unglücks seine Gäste persönlich mit Handschlag begrüßt und ihnen versichert, dass es seine wie aller Crewmitglieder, die allesamt Familien hätten, feste Absicht sei, diese abends auch wiederzusehen. Bis jetzt gefiel rund 300 000 Personen diese Reaktion, sie fanden sie respektvoll, weil menschlich nachvollziehbar.

Nur wer die Menschen ernst nimmt, wird ernst genommen, das ist vielleicht das ganze Geheimnis wirkungsvoller Kommunikation, ob in oder außerhalb der (sozialen) Medien.

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