Verbraucherschutz

Regulierung - Zwei Jahre MiFID - ein erstes Fazit

Begrenzte Möglichkeiten im Cross-Selling

Stefan Kemper, Leiter Vermögensberatung, Dortmunder Volksbank eG, Dortmund. - Seit zwei Jahren gibt es die EU-Finanzmarktrichtlinie MiFID. Ziel der neuen und lange diskutierten Richtlinie ist es, die bestehenden nationalen Regelungen zur Abwicklung von Finanzdienstleistungen mit Bestimmungen zum Anlegerschutz, zu verbesserter Transparenz und mehr Integrität der Finanzdienstleister zu erweitern. Bei der Fragestellung Bürokratie oder Vertriebschance hat sich die Dortmunder Volksbank sofort mit einem Votum für die "Vertriebschance" entschieden.

MiFID-Informationen sind nicht verinnerlicht worden

Wir wollen mit den für die Umsetzung von MiFID benötigten Auskünften den im Haus praktizierten ganzheitlichen Beratungsansatz unterstützen und die Synergieeffekte aus beiden Vorgehensweisen für den Vertrieb von Finanzinstrumenten und Bankdienstleistungen nutzen. Erfahrungen aus Kundengesprächen zeigen, dass Kunden die MiFID-Informationen registriert, aber den Inhalt - und vor allem das positive Anliegen der Richtlinie - aufgrund der Fülle der Unterlagen nicht verinnerlicht haben. Zusätzlich wurden die Beratungsgespräche dadurch erschwert, dass viele Kunden die MiFID-Informationen in der Praxis aufgrund von mehreren Bankverbindungen doppelt und dreifach erhalten haben. Dies führte zu Verständnislosigkeit und Irritationen bei den Kunden.

Ein Vorteil zu Beginn war sicherlich die Einführung der Abgeltungssteuer zum 1. Januar des Jahres 2009. Denn viele Kunden nahmen diese steuerliche Änderung zum Anlass, ihre Anlagestrategie zu überprüfen beziehungsweise neu auszurichten. In diesem Zusammenhang geführte Gespräche gingen mit der Bereitschaft der Kunden zu einer weitreichenden Öffnung einher, da sie auch unmittelbare Vorteile erkennen konnten. Darüber hinaus aber führten aktuelle Entwicklungen in Deutschland dazu, den Anlegerschutz über MiFID hinaus zu verstärken. Mit weiteren Richtlinien und Vorschriften ist in Deutschland Anfang 2010 zu rechnen.

Die Hintergründe für diese Überlegungen liegen darin, dass die weltweite Finanzkrise nicht nur die Finanzbranche in bisher ungeahnte Schwierigkeiten gestürzt hat. Auch private Anleger haben durch den Kursverfall an den Wertpapiermärkten massive Kapitaleinbußen hinnehmen müssen. Insbesondere die Insolvenz der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers führte zu einem großen Vertrauensverlust bei den Kapitalanlegern.

Der Einfluss der Finanzmarktkrise könnte derzeit die Vorstellung, über die EU-Richtlinie den Vertriebserfolg der Gesamtbank zu erhöhen, trüben. Während wir noch in unseren Gesprächen für die weitergehenden Informationen im Rahmen der MiFID-Vorgaben werben, wird von dritter Seite - durchaus berechtigt - noch mehr Schutz und Transparenz eingefordert. Generell lässt sich feststellen, dass Kunden zurzeit eher mit Ablehnung der Tatsache begegnen, die kompletten Vermögensverhältnisse offenlegen zu müssen. Da hilft auch kein Hinweis auf faire und optimierte Lösungsansätze.

Bisher kein zunehmendes Vertriebsergebnis

Das eigentliche Ziel, über die "MiFID-konformen" Anforderungen im Bereich der Kundeninformationen eine größere Bereitschaft der Kunden zur Offenlegung ihrer finanziellen Gesamtsituation im eigenen Interesse zu erzeugen, wurde von uns nicht umfänglich erreicht. Damit einhergehend haben sich auch die Vorstellungen von einem zunehmenden Vertriebsergebnis der Bank noch nicht erfüllt. Aber wir bleiben standhaft und stehen zu unserer Überzeugung.

Offener und fairer Umgang im Gespräch zwischen Kunde und Berater sind der beste Anlegerschutz und auf Dauer eine erfolgreiche Vertriebsstrategie. Geben wir uns noch etwas Zeit.

Teurer als gedacht

Christian Appel, Managing Consultant, PPI AG Informationstechnologie, Hamburg. - Zwei Jahre nach Einführung der europäischen Finanzmarktrichtlinie (MiFID) in Deutschland gibt es erste Erkenntnisse aus der Umsetzung in die Praxis. Insbesondere die Kostenfrage bewegt dabei die Gemüter in den Chefetagen. Die Spannbreite der Investitionen ist enorm. Je nach Größe des Instituts reichte der finanzielle Aufwand von einer bis zu 100 Millionen Euro. Das sind Ergebnisse zahlreicher Projekterfahrungen, die das Software- und Beratungshaus PPI AG im Zuge der Einführung von MiFID gesammelt hat.

Kostentreiber stecken im Detail

Die Kostenprognosen der Wertpapierfirmen haben sich in der Praxis nicht bestätigt. So gingen beispielsweise noch im Frühjahr 2006 optimistische 80 Prozent aller Wertpapierdienstleistungsunternehmen davon aus, einmalige Umsetzungskosten von weniger als einer Million Euro aufwenden zu müssen. Davon weicht die tatsächliche Bilanz im Herbst 2009 deutlich ab. Selbst die kleineren Handelshäuser mit einer Bilanzsumme von weniger als einer Milliarde Euro investierten durchschnittlich zwischen einer und zwei Millionen Euro. Bei größeren Instituten sind die MiFID-Kosten geradezu sprunghaft in die Höhe geschossen. Mittelgroße Häuser mit einer Bilanzsumme bis 100 Milliarden Euro kamen auf einmalige Umsetzungskosten zwischen zehn und 20 Millionen Euro. Bei den großen Instituten erreichte der Investitionsrahmen 50 bis 100 Millionen Euro.

Die Gründe für das Abweichen der Kostenprognosen von den tatsächlichen Ausgaben liegen im Detail. So traf beispielsweise selbst kleinere Institute ein erheblicher Informationsaufwand für die Kunden. Allein die Druck- und Portokosten summierten sich schon für kleinere und mittlere Institute mit hohem Privatkundenanteil leicht auf 250 000 Euro.

Kleinere Häuser waren in der Prognose von 2006 noch mit großer Mehrheit (85 Prozent) davon ausgegangen, für die einmalige Umsetzung insgesamt weniger als 500 000 Euro kalkulieren zu können. Nachdem also allein schon die Druckkosten samt anschließendem Postversand einen großen Teil des veranschlagten Budgets verschlungen hatten, folgten noch weitere erhebliche Aufwendungen - etwa für die notwendige Schulung des Personals. Dazu kommt der Umgang mit den neuen Orderausführungsregeln, insbesondere die Umsetzung der Vorschriften zur Best Execution.

Während sich MiFID-Implikationen wie diese in kleineren Häusern mit ihren vergleichsweise einfachen Organisationsstrukturen und internen Arbeitsanweisungen zur Umsetzung der MiFID-Anforderungen noch in überschaubaren Grenzen halten, wurde der Umsetzungsvorgang in größeren Instituten teilweise äußerst komplex. Grund dafür ist, dass die Finanzmarktrichtlinie beispielsweise neben umfangreichen Prozessan-passungen auch neue Compliance-bezogene Prüfprozesse erfordert, die in alle relevanten Bereiche der Banken-IT zu integrieren sind. Die mit dieser Aufgabe betrauten Mitarbeiter treffen dabei jedoch häufig auf eine historisch gewachsene Anwendungslandschaft, die es auf die neuen Anforderungen anzupassen gilt.

Eine zusätzliche Dimension öffnet sich automatisch für zahlreiche Häuser, die das Wertpapiergeschäft auf Transaktionsbanken ausgelagert haben. Für die Partner beider Institute entstehen mit der MiFID-Umsetzung zusätzliche Planungs-, Überwachungs- und Technikkosten, um etwa den Nachweis der Best-Execution-Vorgaben ordnungsgemäß nachprüfbar zu machen.

Komplexe Abstimmung der einzelnen MiFID-Projektteams

Neben der Bereitstellung einer neuen harmonisierten Datenbasis müssen für diese Aufgabe Mitarbeiter gesondert geschult werden. Der Schulungsaufwand geht dabei über die bei den kleineren Häusern erforderlichen Inhalte deutlich hinaus. Dazu gehören beispielsweise auch detaillierte Kenntnisse zu einer Vielzahl von Gesetzen, Verordnungen und Best Practices im In- und Ausland.

Die Komplexität der MiFID-Einführung nahmen aus diesem Grunde viele große Banken zum Anlass, die unterschiedlichen Teilbereiche der Finanzmarktrichtlinie an gesonderte Projektteams zu vergeben. Nach der intensiven Ausarbeitung dieser Einzellösungen für die Bereiche Anlageberatung, Handel & Transparenz sowie Compliance bedurfte es jedoch in vielen Fällen eines weiteren kostenintensiven Kraftaktes, um die erzielten Vorschläge in einer Gesamtlösung für die Bank aus einem Guss wieder zu vereinen.

Am Ende des Prozesses wird die Finanzmarktrichtlinie die Strukturen des europäischen Bankenwesens nachhaltig verändert haben - wenn auch zu einem höheren Preis, als die Mehrheit der Institute ursprünglich dafür veranschlagt hatte.

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