Die Angst vor Insurtechs nimmt ab

Unter Versicherern scheint die Angst vor der Fintech-Revolution abzunehmen. So gehen 56 Prozent der Gesellschaften mittlerweile davon aus, keinesfalls mehr als 20 Prozent ihrer Einnahmen an Finanz-Start-ups zu verlieren. Das zeigt eine Umfrage der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC unter fast 200 Versicherungsunternehmen in 40 Ländern weltweit, darunter Deutschland. Zum Vergleich: Vor einem Jahr glaubten nur 48 Prozent, dass die Marktanteilsverluste so moderat ausfallen werden. Zugleich rechnet gerade einmal jeder zehnte Versicherer mit Einbußen von 40 Prozent und mehr innerhalb der nächsten fünf Jahre. Mit anderen Worten: Nur eine Minderheit der Versicherungsunternehmen fürchtet, dass die "Insurtechs" einen disruptiven Wandel auslösen.

Viele Versicherer sehen der Studie zufolge in der digitalen Revolution nicht mehr zwingend eine Gefahr für ihr Geschäftsmodell, sondern im Gegenteil eine Chance, speziell bei Themen wie Big Data oder künstliche Intelligenz. Das ist vor allem deshalb bemerkenswert, weil die Assekuranz sehr viel später als die Bank überhaupt mit der Fintech-Thematik konfrontiert wurde und auch das Thema Digitalisierung noch gar nicht so lange auf der Agenda hat.

Gefahr oder Chance?

Konnten die Versicherer also früher als die Banken eine Antwort auf die Herausforderung finden, wie es die PwC-Studie folgert? Oder sind sie ein wenig zu blauäugig, wie die Autoren einer zeb-Analyse schlussfolgern? Sie geben zu bedenken, dass den Versicherungsunternehmen von den rund 50 Insurtechs in Deutschland nur eine Handvoll bekannt ist und nur 52 Prozent den Insurtech-Markt überhaupt genauer beobachten. Auch in der zeb-Umfrage bewerten jedoch 74 Prozent der Befragten den Insurtech-Trend als relevant beziehungsweise sehr relevant. Und 73 Prozent erwarten, dass sich durch deren Geschäftsmodelle Chancen für die etablierte Branche ergeben.

Den Zugang zum Endkunden wollen die Versicherer den Insurtechs jedenfalls nicht kampflos überlassen. 58 Prozent der befragten Versicherungsunternehmen gaben deshalb in der PwC-Umfrage an, in den kommenden Monaten gezielt in "Mobile"-Entwicklungen investieren zu wollen. Das wird damit nach Data Analytics zum zweitwichtigsten Innovationsthema für die Branche.

Auswirkungen auf die Vertriebspartner

In jedem Fall hat die Entwicklung auch Auswirkungen auf die Vertriebspartner. Und ihnen sagt die Branche laut zeb schwere Zeiten vorher. So gehen 56 der befragten Unternehmen davon aus, dass aufseiten der Vertriebspartner die Risiken überwiegen und klassische Vermittler gegenüber Aggregatoren und digitalen Maklern Kunden verlieren werden. Auch die IWM Software AG berichtete Ende Juni, dass sich Makler mit entsprechenden Apps immer mehr zum Insurtech weiterentwickeln.

Für die Versicherer würde das heißen, dass das Geschäft künftig in vergleichbarem Umfang über andere Kanäle kommt - daher vermutlich die bei der PwC-Studie zum Ausdruck kommende Einschätzung, dass die Auswirkungen auf das Geschäft sich in Grenzen halten werden. Trotzdem ist es vermutlich ratsam, auch den eigenen Vertrieb zukunftsfest aufzustellen und dabei nicht nur die Ausschließlichkeitsorganisation in den Blick zu nehmen, sondern auch Vertriebspartner wie zum Beispiel auch Banken und Sparkassen.

Der Bankvertrieb wird sich in jedem Fall umstellen müssen. Auch künftig wird es vermutlich noch den Versicherungsabschluss im Beratungsgespräch geben. Aber in dem Maße, wie die Lebensversicherung in der Altersvorsorge an Bedeutung verliert, dürfte auch dies schwieriger werden. Da rächt es sich, dass der Bankvertrieb allzu lange so stark auf diese Sparte gesetzt und das Kompositgeschäft weniger stark forciert hat. Freilich ist das Geschäft mit Schaden-/Unfallversicherungen auch dasjenige, das allen Studien zufolge am schnellsten in die digitalen Kanäle abwandert, wovon vor allem Portale profitieren.

Wenn also die Assekuranz nun den Wettbewerb mit den Insurtechs aufnimmt beziehungsweise verstärkt auf Kooperationen setzt, könnte dies auch eine neue Chance für den Bankvertrieb sein. Das kommt freilich im Einzelfall immer darauf an, wie die digitalen beziehungsweise mobilen Angebote konkret gebaut sind und inwieweit sie die Vertriebspartner mit einbeziehen. An dieser Stelle können zumindest die Genossenschaftsbanken und die Sparkassen vergleichsweise entspannt sein: Die R + V und die öffentlichen Versicherer werden den Vertriebskanal Bank nicht so schnell aus dem Blick verlieren.

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