Betriebsrentenstärkungsgesetz - Warmlaufen für die "Zielrente"

Abbildung 1: Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage bei der bAV Quelle: Union Investment/R + V

Am 1. Januar 2018 ist das im vergangenen Jahr verabschiedete Betriebsrentenstärkungsgesetz in Kraft getreten. Während die Änderungen bei Riester unmittelbar greifen, geht es beim "Sozialpartnermodell", mit dem der Gesetzgeber die betriebliche Altersversorgung stärker in die Breite bringen will, naturgemäß langsamer voran. Allmählich laufen sich die Anbieter jedoch warm. So hat etwa die Allianz ein entsprechendes Produkt zumindest angekündigt.

Weiter ist die genossenschaftliche R+V - mit 2,5 Milliarden Euro gebuchtem Beitrag 2017 eigenen Angaben zufolge die Nummer zwei in Sachen betriebliche Altersvorsorge in Deutschland - in Kooperation mit der Investment-Schwester Union Investment. Sie haben im März ihr gemeinsames Konzept für die "Zielrente" vorgestellt, mit dem man nun gemeinsam vertrieblich durchstarten will.

Spezialfonds mit optionalen Versicherungsbausteinen

Im Kern geht es dabei um einen Spezialfonds, der nach den Vorgaben der jeweils beteiligten Sozialpartner aufgelegt wird. In Abstimmung mit den Tarifparteien wird dabei eine Renditeeinschätzung vorgenommen. Anhand dieser wählt Union Investment die Kapitalanlageklassen aus und definiert eine entsprechende Strategie. Ferner müssen die Zuordnung der Erträge in der Ansparphase, der Verrentungsmechanismus zu Rentenbeginn oder mögliche Rentenanpassungen (zum Beispiel jeweils ein Prozent pro Jahr) geklärt werden.

Weitere grundlegende Entscheidungen im Rahmen der sogenannten Versorgungsordnung betreffen zum Beispiel die Höhe des Risikopuffers, der in schwierigen Börsenzeiten Unwuchten ausgleichen soll, oder die Höhe des "Sicherungsbeitrags" seitens des Arbeitgebers, der dazu dient, Wertschwankungen auszugleichen. Und je nach Wunsch der beteiligten Tarifparteien können dank der Kooperation von Union Investment und der R+V in die Versorgungsordnung Versicherungsbausteine integriert werden, etwa für den Fall der Invalidität oder zur finanziellen Absicherung von Hinterbliebenen.

Sicherungsbeitrag - nur theoretisch optional

Der vom Arbeitgeber zu leistende "Sicherungsbeitrag" ist generell optional. Er wird aber von den Anbietern empfohlen, weil es an dieser Stelle ganz wesentlich um Vertrauen geht. Denn der Sicherungsbeitrag soll sicherstellen, dass Renten nicht beispielsweise kurz nach Beginn der Auszahlphase gekürzt werden müssen, wenn sich die Kapitalanlagen nicht wie erhofft entwickeln. Wird er nicht geleistet oder ist er zu knapp berechnet, dann wird ein solches Szenario wahrscheinlicher - und damit sinkt dann wiederum die Akzeptanz seitens der Arbeitnehmer. Zugleich wird das Vertrauen in die Tarifparteien beschädigt. Diesen Reputationsverlust wiederum kann weder die Gewerkschaftsseite wünschen noch die Unternehmen, für die es um die Positionierung als vertrauenswürdiger und attraktiver Arbeitgeber geht.

Die Freiwilligkeit des Sicherungsbeitrags ist damit wohl eher theoretischer Natur, auch wenn R+V-Vorstandsmitglied Claudia Andersch betont, dass es natürlich die Arbeitgeber in der Hand haben, zu entscheiden, welchen Beitrag sie insgesamt leisten wollen. In der Summe hieße das dann: Ist der Sicherungsbeitrag zu hoch, dann sinkt der Beitrag, der pro Mitarbeiter gezahlt wird.

Zur Crux werden könnte der Sicherungsbeitrag vor allem mit Blick auf die nicht tarifgebundenen Unternehmen, aus deren Sicht damit gewissermaßen die Tür zur Gewerkschaft geöffnet wird. Denn es ist durchaus damit zu rechnen, dass auch dieser Beitrag immer wieder einmal Gegenstand von Tarifverhandlungen wird. Unternehmen, die zwar nicht tariflich gebunden sind, aber in Sachen bAV beim Soziallpartnermodell ihrer (oder möglicherweise auch einer anderen) Branche mitgehen, müssten dann vermutlich auch einen neu ausgehandelten Sicherungsbeitrag entrichten. Ansonsten würden Sonderregelungen für die nicht Tarifgebundenen erforderlich, die das Modell vermutlich zu komplex machen würden. Ob ein solcher Ansatz Unternehmen, die nicht nach Tarif zahlen, wirklich überzeugt und wie mögliche Lösungen aussehen könnten, muss erst einmal abgewartet werden.

Nebeneinander statt Ersatz

Überhaupt richtet sich der Ansatz naturgemäß zunächst an diejenigen Branchen, bei der die Genossenschaftsorganisation bereits jetzt schon in Sachen betriebliche Altersvorsorge gut unterwegs ist. Bei der Metallrente, dem Agrarversorgungswerk, der Klinikrente, der Apothekenrente und dem Chemieversorgungswerk zählt die R+V bereits über 400 000 Verträge. R+V-Leben-Vorstand Claudia Andersch, die sich auch sonst durchaus als Verfechterin klassischer Garantieprodukte outet und großes Verständnis für das dadurch erfüllte Sicherheitsbedürfnis vieler Kunden äußert, betont, dass es hier nicht darum gehen soll, bestehende Versorgungswerke auf das neue Zielrentenprodukt umzustellen - allein schon deswegen, weil die Mitarbeiter Garantierenten nicht ohne weiteres aufgeben werden.

Stattdessen zielen R+V und Union auf ein Nebeneinander der bestehenden Lösungen und des neuen Ansatzes, wobei vermutlich in vielen Fällen bestehende Anwartschaften im alten Konzept verbleiben, während die neue Zielrente für neue Verträge zur Anwendung kommen dürfte. Und die Partner sind sich auch klar darüber, dass man für den neuen Ansatz um Vertrauen werben muss - daher auch der Sicherungsbeitrag.

Vertrieblich wollen R + V und Union als "doppeltes Lottchen" auftreten, wie es R + V-Chef Norbert Rollinger formuliert. Damit kann zum einen der Zugang zu den jeweiligen Kundengruppen gebündelt werden. Zum anderen will man mit diesem Ansatz beide Seiten des Produkts - den Spezialfonds einerseits, zusätzliche Versicherungsbausteine andererseits - gemeinsam adressieren.

Vertrieblich als doppeltes Lottchen

Die Volks- und Raiffeisenbanken (mit den dort angestellten rund 4 600 R + V-Außendienstlern) können in diesem Kontext den Zugang vor allem zu kleinen und mittleren Unternehmen liefern - darunter eben auch die vielen nicht tariflich gebundenen. Ein echtes Konzept dafür, wie man diese mit ins Boot holen will, haben die genossenschaftlichen Partner allerdings bislang noch nicht anzubieten. Das werde man sehen, heißt es dazu lediglich.

Da die Nicht-Tarifgebundenen gemäß den Vorstellungen des Gesetzgebers an die Sozialpartnermodelle der großen Branchen-Versorgungswerke "andocken" sollen, haben letztere naturgemäß Priorität. Und auch hier wird es so schnell sicher nicht gehen. Erste Live-Gänge, so die Prognose, werde man vermutlich erst 2019 oder auch 2020 sehen. So viel Zeit müsse man sich nehmen.

Durchdringungsquote durch mehr Kommunikation verbessern

Bis dahin gibt es dann vielleicht auch Konzepte, wie man die vielen kleinen nicht tarifgebundenen Unternehmen anbinden will. Die tun bei einer bAV-Durchdringung von gerade einmal 41,1 Prozent der Arbeitnehmer in Deutschland vermutlich auch not.

Wie die von Union und R+V präsentierten Zahlen aus dem ersten Quartal 2017 zeigen, geht es dabei gar nicht so sehr darum, den Anteil von Unternehmen mit einem bAV-Angebot zu erhöhen, sondern primär um bessere Abschlussquoten. Denn nur bei den Unternehmen mit bis zu vier Mitarbeitern liegt der Anteil der Betriebe mit bAV-Angebot mit 34 Prozent deutlich unter der Quote größerer Unternehmen. Schon bei Unternehmen von 5 bis 19 Mitarbeitern steigt dieser Anteil auf 61 Prozent, bei Betrieben mit 20 bis 49 Mitarbeitern liegt er mit 84 Prozent nur noch rund zehn Prozentpunkte unter dem bei den großen Unternehmen.

Der Großteil der Beschäftigten in Deutschland müsste also Zugang zu einer betrieblichen Altersvorsorge haben. Woran es fehlt, sind offenbar die vertrieblichen Anstrengungen und die Kommunikation. Auch das lässt sich anhand des Anlagebarometers von Union Investment aus dem 1. Quartal 2018 belegen. Obwohl - den genannten Zahlen zufolge - 80 Prozent der Beschäftigen Zugang zu einer betrieblichen Altersvorsorge haben müssten, gaben im Anlagebarometer 45 Prozent der befragten Finanzentscheider an, eine solche werde von ihrem Arbeitgeber nicht angeboten. Gleichzeitig halten sich 71 Prozent für sehr gut informiert über die Möglichkeiten, die ihr Arbeitgeber zu betrieblichen Altersvorsorge anbietet. Dass diese Zahlen nicht zusammenpassen, liegt auf der Hand.

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