Die Corona-Epidemie schwächt die Altersvorsorge

751 000 Anzeigen für Kurzarbeit für insgesamt bis zu 10,1 Millionen Personen sind im März und bis zum 26. April 2020 wurden bei den Agenturen für Arbeit erfasst. Das bedeutet nicht, dass all diese Menschen schlussendlich auch alle kurzarbeiten werden. Dennoch scheint festzustehen, dass die Anzahl der Kurzarbeiter jegliches bisher gekannte Ausmaß überschreitet. Zum Vergleich: Während der Rezession 2009 gingen bei den Agenturen für Arbeit im Gesamtjahr lediglich Kurzarbeitsanzeigen für 3,3 Millionen Beschäftigte ein. In der Spitze wurden damals 1,4 Millionen tatsächlich Kurzarbeitende registriert. Für 2020 wird man somit wohl mit rund 5 Millionen tatsächlich Betroffenen rechnen dürfen.

Das bleibt nicht ohne Auswirkungen auf die betriebliche Altersversorgung. Darauf weist Michael Hoppstädter, Geschäftsführer der Longial GmbH, Düsseldorf, hin.

Kurzarbeit lässt Arbeitgeberbeiträge zur bAV sinken

Bei beitragsorientierten Versorgungszusagen, die oft in Abhängigkeit vom Arbeitsentgelt einen Beitrag des Arbeitgebers vorsehen - beispielsweise zwei Prozent des Monatsgrundgehalts als monatlichen Beitrag für eine Direktversicherung - sinkt bei Kurzarbeit der Beitrag oder entfällt sogar vollständig. Entsprechend geringer fällt dann in der Bezugsphase die Leistung aus.

Auch bei beitragsorientierten Zusagen mit Bezug zum Unternehmensgewinn kann der Beitrag während der Kurzarbeit auf null sinken. Natürlich können Arbeitgeber und Arbeitnehmer hier abweichende Vereinbarungen treffen. Wo allerdings das Geld fehlt, da kann das Unternehmen auch keine Beiträge einzahlen. Und im Zweifelsfall sind Vereinbarungen zwischen Unternehmen und Arbeitnehmerseite eher auf den Erhalt des Unternehmens und der Arbeitsplätze gerichtet, der schließlich die notwendige Voraussetzung für eine betriebliche Altersvorsorge darstellt.

Ein anderer Fall sind Versorgungswerke, in denen der Arbeitgeber den Arbeitnehmern sogenannte Leistungszusagen erteilt hat. In diesen Fällen dürfte die zugesagte Leistung in vielen Fällen auch tatsächlich gezahlt werden, so Hoppstädter - zumindest dann, wenn sich die Kurzarbeit nicht allzu lange hinzieht und das Unternehmen sich noch zur Zahlung in der Lage sieht.

Entgeltumwandlung bei Kurzarbeit Null nicht möglich

Auch wenn der Arbeitnehmer die Beiträge im Zuge der Entgeltumwandlung selbst aufbringt, wirkt sich Kurzarbeit negativ aus.

- Denn entweder können die Beschäftigten die bisherigen Beiträge aufgrund der Einkommenseinbußen durch das Kurzarbeitergeld nicht mehr aufbringen.

- Oder die Entgeltumwandlung ist überhaupt nicht möglich, weil aufgrund von Kurzarbeit Null der Entgeltanspruch vollständig entfällt. Denn das Kurzarbeitergeld stellt kein Arbeitsentgelt dar, sondern eine Lohnersatzleistung.

So oder so wirkt sich Kurzarbeit somit auch bei der Entgeltumwandlung leistungsmindernd aus.

Beitragsstundung lässt Belastung steigen

Bei versicherungsförmigen Durchführungswegen sind in solchen Fällen die Versicherer gefragt, Sonderlösungen zu finden, um den Versicherungsschutz nicht allzu stark absinken zu lassen. So können beispielsweise die Beiträge temporär gestundet und auf Wunsch später nachgezahlt werden. Alternative Möglichkeiten sind eine Beitragsreduktion oder notfalls auch eine Beitragsfreistellung.

Mit Blick auf die Versorgungssituation im Ruhestand wäre die Stundung vermutlich der beste Weg. Allerdings stellt sich hier die Frage, ob Arbeitnehmer, die möglicherweise bereits Kreditraten aussetzen und die Miete stunden lassen müssen, sich nach dem Ende der Kurzarbeit überhaupt in der Lage sehen werden, die gestundeten Beiträge für die betriebliche Altersvorsorge nachzuzahlen.

Für Verträge im Bereich der privaten Vorsorge gilt das natürlich ganz genauso. Auch hier wird in vielen Fällen die Beitragsfreistellung die einzige Möglichkeit sein, sofern die Verträge nicht ganz aufgelöst werden, weil Kunden sich nicht mehr in der Lage sehen, die monatlichen Sparbeiträge zu leisten.

Unter dem Strich heißt das: Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise verschärfen die Problematik der unzureichenden Altersvorsorge vieler Beschäftigter. Bei einem bisher schon in vielen Fällen unzureichenden Versorgungsniveau lassen noch weiter sinkende Leistungserwartungen die Gefahr von Altersarmut weiter wachsen. Das ist umso gravierender, als die zweite und dritte Säule der Altersvorsorge gleichermaßen davon betroffen sind - und das in einem Umfeld, in dem das andauernde Niedrigzinsumfeld die Ertragsperspektiven vieler Vorsorgeverträge ohnehin schon stark beeinträchtigt hat. Umso dringender wird es, dass die Politik endlich die Klarheit darüber schafft, wie die Altersvorsorgepolitik der nächsten Jahre aussehen und wie das alles finanziert werden soll.

Die Hoffnung, über das Sozialpartnermodell weitaus mehr Beschäftigte in den Genuss einer betrieblichen Altersvorsorge kommen zu lassen als bisher, muss im gegenwärtigen Umfeld sicher nicht gänzlich begraben werden. Das wochenlange "Einfrieren" der Wirtschaft hat die Chancen darauf, dass es hier schnell vorangeht, allerdings gewiss nicht steigen lassen. Denn die Priori täten liegen vermutlich in vielen Unternehmen - gerade in den kleineren Betrieben, die besonders unter der Zwangspause leiden - momentan an anderer Stelle. Gut möglich, dass eine solche Entwicklung die Diskussion um ein staatlich organisiertes Standardprodukt weiter anheizt. Wichtig ist vor allem eins: Es braucht staatliche Anreize für ergänzende Vorsorge neben der gesetzlichen Rente. In Zeiten radikal geleerter öffentlicher Kassen ist das zweifellos nicht einfach zu realisieren. Eine ganze Generation in Altersarmut käme allerdings vermutlich in einigen Jahren noch deutlich teurer.

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