Elementarschadenversicherung - aber nicht bedingungslos

Abbildung 1: In Rheinland-Pfalz sind nur 37 Prozent der Gebäude versichert Quelle: GDV.DE, Schätzung April 2021

Das Jahr 2021 dürfte für die Assekuranz zum schadenträchtigsten Jahr seit 2002 werden, so Jörg Asmussen, der Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Damals lag der versicherte Unwetterschaden bei 10,9 Milliarden Euro, von denen allein 4,65 Milliarden Euro auf das damalige August-Hochwasser entfielen.

2021 dürften die Schadensummen für die Versicherer noch deutlich höher werden. Bereits im Juni dieses Jahres hatten Starkregen und Hagel einen geschätzten versicherten Schaden von 1,7 Milliarden Euro verursacht. Und dann kam Tief "Bernd" mit den verheerenden Überflutungen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen, aber auch in Bayern und Sachsen. Stand 21. Juli rechnete der GDV mit versicherten Schäden in Höhe von 4 bis 5 Milliarden Euro - die Schäden in Sachsen und Bayern noch gar nicht mit eingerechnet. Damit gehört "Bernd" in jedem Fall zu den größten Schadenereignissen der jüngeren Vergangenheit. Und dabei ist klar, dass die versicherten Schäden nur einen Bruchteil des Gesamtschadens ausmachen werden - schließlich hat trotz gestiegener Abschlussraten bei Elementarschadenversicherungen lediglich eine knappe Hälfte der Gebäudebesitzer (46 Prozent) eine solche Police abgeschlossen. Und für die öffentliche Infrastruktur wie Straßen oder Bahnstrecken fehlt Versicherungsschutz so gut wie ganz.

Neue Diskussion um Pflichtversicherung

Wie immer nach unwetterbedingten Großschadenereignissen kommt auch in diesem Jahr die Diskussion um eine Versicherungspflicht für Hausbesitzer wieder hoch. Wie immer ist sie angesichts des hohen Anteils derjenigen, die über keinerlei Versicherungsschutz verfügen, nachvollziehbar. Ebenso nachvollziehbar sind auch die Argumente der Assekuranz gegen eine solche Versicherungspflicht. "Als einzelnes Instrument lehnen wir sie ab, weil sie den Anreiz nimmt, sich gegen Flut- und andere Extremwetterrisiken abzusichern", so Asmussen. Damit befindet sich die Assekuranz im Grunde auf einer Linie mit der öffentlichen Hand: Denn im Jahr 2017 einigten sich die Ministerpräsidenten der Länder darauf, staatliche Hilfsgelder nur an jene Hausbesitzer auszuzahlen, die sich vergeblich um eine Versicherung bemüht haben. Die Auszahlung von Hilfsgeldern wurde also zu Recht an präventive an Eigeninitiative der Betroffenen geknüpft. Dieses Prinzip müsste folgerichtig auf eine mögliche Pflichtversicherung übertragen werden, etwa indem die Auszahlung von Versicherungsleistungen an präventive Maßnahmen wie beispielsweise den Einbau druckwasserdichter Fenster und Türen geknüpft wird.

Eine Pflichtversicherung allein, darauf verweist der GDV, kann jedenfalls nicht die Kosten der fehlenden Klimafolgenanpassung schultern. Nach den Vorstellungen des GDV wäre sie deshalb allenfalls dann sinnvoll, wenn sie in ein neues Gesamtkonzept für Flächen- und Bauplanung sowie den Katastrophenschutz eingebunden wäre.

Angesichts der erwarteten Zunahme extremer Wetterereignisse infolge des Klimawandels sieht sich die Versicherungwirtschaft nicht zuletzt als Impulsgeber für mehr Prävention - schon, um die Schäden für Private, aber auch die öffentliche Hand in Zukunft nicht vollends aus dem Ruder laufen zu lassen. Als Maßnahme Nummer eins fordert die Assekuranz eine Anpassung des Baurechts an den Klimawandel und seine Folgen. Anpassungen des Bauordnungs- und Bauplanungsrechts mit Blick auf die Annahmen und Planungsergebnisse aus der Klimaforschung stehen noch aus. Dazu gehören nach den Vorstellungen der Versicherungswirtschaft eine verpflichtende Gefährdungsbeurteilung für Bauwerke in Bezug auf Klimafolgen und Extremwetterereignisse einzuführen sowie typische und wirksame Schutzmaßnahmen und deren Qualitätsmerkmale technisch zu konkretisieren und zu standardisieren.

Bisher habe die Bauplanung auf die aus der Klimaforschung gewonnen Erkenntnisse kaum reagiert. Der Anteil neuer Gebäude in hochgefährdeten Überschwemmungsgebieten ist im Vergleich zum Gebäudebestand nicht nur nicht gesunken, sondern in den letzten Jahren sogar leicht angestiegen. Von den 2,5 Millionen neuen Wohngebäuden, die in Deutschland in den vergangenen 20 Jahren neu errichtet wurden, so der GDV, befinden sich 32 000 oder 1,3 Prozent in hochwassergefährdeten Risikogebieten. Doch nicht nur bei Neubauten müsse den Folgen von Stark regen stärker Rechnung getragen werden, sondern auch in bestehender Bebauung. Hier macht die Assekuranz ganz praktische Vorschläge: Parkplätze nicht asphaltieren, sondern mit Rasenkammersteinen pflastern, Zisternen unter Grünflächen anlegen, Dächer oder Fassaden begrünen, um einen Teil des Wassers erst einmal zu halten und so die Kanalisation zu entlasten. "Schwammstadt" lautet hier das Zauberwort.

Natürlich geht es bei all diesen Vorschlägen auch darum, künftige Schadenzahlungen so gering wie möglich zu halten. Der Assekuranz nur Eigennutz vorwerfen zu wollen, wäre allerdings zu kurz gegriffen. Denn die Bilder auf Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen oder die vorläufige Schadenbilanz der Deutschen Bahn, die nur zum geringsten Teil durch Versicherungsleistungen abgedeckt wird, haben deutlich gemacht, dass es um weit mehr geht und die Schadenprävention im Interesse aller ist.

Abbildung 1: In Rheinland-Pfalz sind nur 37 Prozent der Gebäude versichert Quelle: GDV.DE, Schätzung April 2021

Gefährdungsklassen für Starkregen

Die Assekuranz hat bereits reagiert und will Klimarisiken künftig noch genauer in der Risikoanalyse abbilden. Konkret wird im Geoinformationssystem Zürs Geo neben Hochwassergefahren künftig auch das Risiko für Starkregen mit drei neu entwickelten Starkregengefährdungsklassen berücksichtigt. Die Unternehmen bekommen damit die Möglichkeit, extreme Niederschläge als se parate Gefahr differenziert in ihrer Risikobewertung zu berücksichtigen. Für die Zuordnung zu einer der Gefährdungsklassen ist dabei neben der regionalen Intensität der Niederschläge auch die Lage eines Gebäudes entscheidend.

  • In der SGK 1 (geringere Gefährdung) sind alle Gebäude, die auf einer Kuppe oder am oberen Bereich eines Hangs liegen.
  • In der SGK 2 (mittlere Gefährdung) finden sich die Gebäude, die in der Ebene oder im unteren/mittleren Bereich eines Hangs, aber nicht in der Nähe eines Baches liegen.
  • In der SKG 3 (hohe Gefährdung) werden alle Gebäude zusammengefasst, die im Tal oder in der Nähe eines Bachs liegen.

In der Gefährdungsklasse 2 sind dabei auch Objekte enthalten, die durch einen Deich geschützt sind - vorausgesetzt, dieser Deich ist so gebaut, dass er zumindest ein 100-jährliches Hochwasser abhält. Denn das August-Hochwasser 2002 und das Juni-Hochwasser 2013 haben gezeigt: Wenn es zu einem Versagen des Deiches kommt, sind die Schäden bei den Objekten, die durch diesen Deich geschützt werden sollten, oft sehr hoch.

Die Bachinformation - also eine Entfernung von weniger als 100 m von einem Bach - ist besonders für Adressen in der Gefährdungsklasse 1 eine wichtige Zusatzinformation. Denn bei größeren Überschwemmungen hat sich gezeigt, dass ein nennenswerter Teil der Schäden in der Bachzone liegt - und dann die Schäden groß sind.

Abbildung 2: Weniger als jedes vierte Gebäude wenig Starkregen-gefährdet Quelle: GDV

Viel Potenzial im Bestand

Deutschlandweit liegen knapp 12 Prozent aller Adressen in der Starkregengefährdungsklasse drei, etwa 66 Prozent in der Klasse zwei und annähernd 23 Prozent in der Klasse eins mit geringer Gefährdung. Allein diese Zahlen zeigen den enormen Bedarf an Absicherung. Auch wenn die Elementarschadenversicherung (noch) keine Pflichtversicherung ist, sollte sie doch zunehmend zum Standardrepertoire der Versicherung rund ums Haus gehören. Dass viele Gebäude gar nicht versicherbar sind - auch das wird im Zuge von Unwetterkatastrophen immer wieder thematisiert - stimmt so nicht. Laut GDV betrifft das lediglich rund 1 Prozent aller Gebäude.

Dass im diesmal besonders betroffenen Rheinland-Pfalz gerade einmal 37 Prozent der Gebäude versichert sind, dürfte insofern primär ein Versagen der Vertriebe sein. Im Neugeschäft mag der Vertrieb von Elementarschadenversicherungen mittlerweile Standard sein. Im Bestand ist das Potenzial aber offenbar noch lange nicht abgearbeitet. Die Kosten für die Versicherung lagen dem Branchenverband zufolge 2019 im Schnitt bei unter 100 Euro pro Jahr. Das sollte einem Hausbesitzer sein Hab und Gut schon wert sein.

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