Rentendiskussion: falsche Signale für die private Vorsorge

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Lange schon warten Banken und Finanzvertriebe auf Impulse aus der Politik in Sachen Altersvorsorge. Daran ändern auch die neuerliche Rentendiskussion und das "Rentenpaket" nichts, auf das sich die Koalitionäre in Berlin letztlich einigen konnten.

Wer Recht hat in der jüngsten Diskussion, das ist schwer zu sagen. Denn irgendwie können alle das für sich reklamieren. Recht hat Kanzlerin Angela Merkel, wenn sie sagt, die Diskussion erzeuge nur noch mehr Verunsicherung, was es zu vermeiden gelte. Recht hat die Unionsfraktion, wenn sie darauf hinweist, es sei unsinnig, erst eine Rentenkommission einzusetzen und dann nicht die Ergebnisse von deren Arbeit Abzuwarten. Recht hat aber auch die SPD, wenn sie eine längerfristige, deutlich über 2025 hinausreichende Perspektive einfordert, und das möglichst bald.

Zeithorizont bis 2025 viel zu kurz

Im Grunde rührt der jetzige Streit wieder einmal daher, dass die Politik in Sachen Rente viel zu spät dran ist. Den Menschen im Jahr 2018 mit einer verlässlichen Perspektive bis 2025 zu kommen, ist absurd. Denn was sind sieben Jahre in einer so sehr auf Langfristigkeit angewiesene Angelegenheit wie der Altersvorsorge?

2040 ist da ein sehr viel vernünftigerer Zeithorizont. Den wird wohl auch die Rentenkommission ins Auge fassen (müssen), wenn sie im Jahr 2020 ihren Bericht vorlegt. Dann werden es nur noch fünf Jahre sein, für die die bisherigen Weichenstellungen vorliegen - und nach der Vorlage der Ergebnisse der Rentenkommission werden die Diskussionen über die Konsequenzen, die daraus zu ziehen sind, vermutlich erst richtig losgehen. Neue Weichenstellungen dürfte es deshalb vermutlich quasi erst in letzter Minute geben.

Die Rentenkommission kommt zu spät

Es ist nichts daran zu rütteln: Die Einsetzung der Rentenkommission mag eine gute Idee gewesen sein - sie kam aber viel zu spät. So fährt die Politik in Sachen Rente auf kurze Sicht. Und das ist fatal, weil es dazu führt, dass die Verbraucher dies auch tun.

Das jüngste "Rentenpaket" ändert daran nichts. Klar ist nur, dass davon im Grunde nur Rentner oder die rentennahen Jahrgänge profitieren, während für alle anderen eher Beitrags- und in Zukunft wohl auch Steuererhöhungen zu erwarten sind, wenn der Bundeszuschuss zur Rentenversicherung immer weiter steigen muss.

Eine Lösung scheint nach Lage der Dinge nicht in Sicht. Denn das System der umlagefinanzierten Rente bietet nur drei Stellschrauben, an denen aber keiner so recht drehen möchte: Beitragssatz, Rentenhöhe und Renteneintrittsalter.

- Ein weiteres Anheben des Renteneintrittsalters wäre der Bevölkerung schwer vermittelbar, wenn in anderen Ländern Europas die Menschen gegen jedes Rentenalter jenseits der 55 auf die Straße gehen. Zudem ist klar, dass ein höheres Renteneintrittsalter viele Menschen, die nicht bis 70 arbeitsfähig sind, auf die sozialen Sicherungssysteme verweisen würde. Eine echte Lösung wäre das vermutlich nicht.

- Ebenso schwer lässt sich den Jüngeren eine immer weitere Absenkung des Rentenniveaus vermitteln. Denn wozu ist eine Pflichtversicherung gut, wenn im Alter für viele nicht sehr viel mehr als ein Taschengeld herauskommen wird? Konsequenterweise müsste man die "Deutsche Rentenversicherung" dann nur noch als Pflicht-Zusatzversicherung bezeichnen, um so ganz deutlich zu machen, dass die gesetzliche Rente nicht dazu gedacht ist, davon den Lebensunterhalt zu bestreiten. Sinnvollerweise wäre das aber mit einer Ausweitung der Förderung privater Vorsorge zu flankieren - es würden also Mittel von einer Tasche in die andere umgeschichtet.

- Bei Anhebungen des Beitragssatzes ist man schnell beim Stichwort Generationengerechtigkeit: Ist es gerecht, wenn junge Menschen immer höhere Beiträge für die Rentenversicherung zahlen müssen, um Renten auf einem Niveau zu bezahlen, von dem sie selbst nicht einmal träumen dürfen? Hinzu kommt: Jede Beitragsanhebung lässt für die Arbeitgeber die Lohnnebenkosten steigen. Das mag in wirtschaftlich guten Zeiten weniger relevant sein, darf aber bei politischen Weichenstellungen nicht aus den Augen verloren werden. An dieser Stelle ist Rentenpolitik auch Arbeitsmarktpolitik.

Warum kein Systemwechsel?

Wenn man also an diesen Stellschrauben nicht oder nur geringfügig drehen will, dann bliebe im Grunde genommen nur eins: ein Systemwechsel vom umlagefinanzierten zu einem kapitalgedeckten Rentensystem. Nur dadurch würde die gesetzliche Rente unabhängig von der demografischen Entwicklung und damit wieder generationengerecht.

Ein solcher Systemwechsel lässt sich natürlich nicht von heute auf morgen vollziehen. Aber wann wären die Voraussetzungen dafür günstiger als in Zeiten gut gefüllter Kassen? In Berlin mag von einem Systemwechsel aber bislang niemand reden.

Die logische Folgerung für die Bürger müsste also lauten: Die Rente wird immer weniger verlässlich. Deshalb braucht es mehr Eigenvorsorge. Doch so einfach ist das nicht.

- Zum einen wird sich mancher fragen, ob er sich eine verstärkte Eigenvorsorge künftig überhaupt noch wird leisten können, wenn die Abgabenlast absehbar immer weiter wächst.

- Zum anderen ist jetzt schon klar, dass das Maßnahmenbündel, auf das die Koalition sich einigen konnte, nicht das letzte Wort in Sachen Rente sein wird. Das dabei weit geöffnete Füllhorn und die von der SPD beharrlich wiederholten "Haltelinien" haben jedoch das Zeug dazu, Erwartungen zu wecken, dass auch den Jüngeren in Sachen Rente noch Gutes widerfährt, vor allem in Gestalt eines nicht weiter absinkenden oder womöglich wieder leicht ansteigenden Rentenniveaus, das eine eigene Vorsorge doch nicht mehr ganz so dringlich scheinen ließe.

- Nicht zuletzt erwarten die Menschen für ihre privaten Vorsorgeentscheidungen auch Sicherheit hinsichtlich der Rahmenbedingungen. Die kleinen Nachbesserungen bei Riester reichen dafür sicher nicht aus - zumal die Politik selbst Riester jahrelang schlecht geredet hatte. Zudem steht immer noch die "Deutschland Rente" im Raum, die die jetzige hessische Landesregierung nach den Landtagswahlen im Oktober im Bund vorantreiben will - entsprechende politische Konstellationen nach der Wahl vorausgesetzt.

Kontraproduktive Signale aus Berlin

Das Problem bei all dem: Die ganz Jungen können sich das Warten auf die Politik vielleicht eine Zeit lang leisten, viele andere jedoch nicht. Wenn Angela Merkel mit Blick auf den Zeitraum bis 2025 sagt: "Der Rente geht es gut", dann wiegt sie viele Bürger damit in trügerischer Sicherheit und erweist ihnen damit einen Bärendienst.

Den Beratern wird ihre Arbeit dadurch nicht erleichtert. Nicht nur erhält die private Vorsorge keine Impulse. Sondern die Signale aus Berlin können sich eher kontraproduktiv auswirken.

Das Fazit der Rentendiskussion kann aber nur lauten: Berater müssen ihren Kunden vermitteln, dass jede jetzt getroffene Vorsorgeentscheidung besser ist als gar keine. Natürlich kann sie sich in drei oder fünf Jahren rückblickend als suboptimal erweisen, je nachdem, wie es in Sachen Rentenpolitik oder Förderung privater Altersvorsorge weitergeht. Aber: Auch eine genau zu den künftigen Rahmenbedingungen passende Vorsorgestrategie kann jedoch die Jahre, die durch Abwarten verloren gehen, vermutlich nicht aufwiegen. Und ganz gleich, welche Signale Berlin aussendet: Besser wird die Versorgungssituation künftiger Rentner nicht werden.

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