Sozialpartnermodell überzeugt noch nicht

Mehr als drei Jahre ist es her, dass der Gesetzgeber mit dem Betriebsrentenstärkungesetz das "Sozialpartnermodell" in der betrieblichen Altersvorsorge eingeführt hat, das einen Paradigmenwechsel in der deutschen baV-Landschaft bewirken sollte - nämlich in Form des Garantieverbots und der Einführung der reinen Beitragszusage.

Wie Produktanbieter die weitere Entwicklung von Sozialpartnermodellen einschätzen und wie sich diese Entwicklungen auf klassische Modelle in der bAV auswirken, hat Deloitte gemeinsam mit der V.E.R.S. Leipzig GmbH in der Studie "Betriebliche Altersversorgung in der Transformation" untersucht, für die zwischen Juni und September 2020 die Vorstände und Spezialisten von insgesamt 21 Lebensversicherungen, Run-off-Plattformen und einer Pensionskasse befragt wurden. Von den Teilnehmenden, die Neugeschäft betreiben, bieten 84 Prozent allein oder in einem Konsortium ein Sozialpartnermodell an oder planen die Einführung.

Allgemein messen 95 Prozent der Befragten der bAV eine große oder sehr große Bedeutung für den erweiterten Lebensversicherungsmarkt bei und gehen zudem davon aus, dass in den nächsten fünf Jahren die Bedeutung für das eigene Unternehmen weiter zunimmt: Etwa 90 Prozent der Antwortenden siedeln den entsprechenden Anteil am Neugeschäft der Lebensversicherung mittelfristig bei über 20 Prozent an. Mit Blick auf das Sozialpartnermodell sieht das allerdings noch anders aus. Für Lebensversicherungen sehen nur 29 Prozent der Befragten eine große Bedeutung in den nächsten fünf Jahren. Für die Pensionskassen gehen 86 Prozent sogar von einer geringen bis sehr geringen Bedeutung aus. Lediglich in Bezug auf Pensionsfonds spricht knapp die Hälfte der Befragten Sozialpartnermodellen eine große Bedeutung zu.

Gab es zur Zeit der Studienerhebung mindestens 15 potenzielle Anbieter von durchführenden Einrichtungen (wobei die jeweiligen Konsorten und nicht die Konsortien) als einzelne Anbieter gezählt wurden), geht ein Drittel der Befragten davon aus, dass die Anzahl der Anbieter innerhalb der nächsten fünf Jahre auf 15 sinken wird. Ein weiteres Drittel geht von 15 bis zu 19 Anbietern aus, das letzte Drittel erwartet 20 bis 25 Anbieter. Allerdings gehen viele Studienteilnehmer davon aus, dass auf die ersten Vereinbarungen weitere folgen werden. Dabei dürfte nicht zuletzt die anhaltende Niedrigzinsperiode sowie die Diskussion um die Finanzierbarkeit über lange Zeiträume gewährter Garantien eine wichtige Rolle spielen.

Keine Disruption erwartet

An eine Disruption glaubt die Branche gleichwohl nicht. 87 Prozent der Befragten rechnen damit, dass die Bedeutung der klassischen bAV-Gestaltungsmodelle auch mit der Einführung von Sozialpartnermodellen mindestens unverändert bleiben wird. 62 Prozent geben an, dass das Sozialpartnermodell die bisherige bAV-I-Welt nicht verdrängen wird. Gleichzeitig geht eine Mehrheit von 57 Prozent davon aus, dass Arbeitnehmer die reine Beitragszusage nachhaltig akzeptieren werden.

Für die Umsetzung der gesetzlich eingeforderten "kollektiven Puffer", die dazu beitragen sollen, Reduktionen von Leistungen abzumildern oder gar zu verhindern, wird von den Befragten ein sich aus Sicherungsbeiträgen aufbauender Puffer als am einfachsten gewertet - nur 29 Prozent schreiben ihm eine hohe Komplexität zu. Den Mechanismus eines Schwankungskorridors im Rentenbezug sehen 34 Prozent der Teilnehmenden als eher komplexes Unterfangen an. Schwieriger zu handhaben sind aus Sicht der Befragten Pufferteile, die aus der Kalkulation der individuellen Leistung im Rentenübergang mit einem vorsichtigeren Zins resultieren: 47 Prozent halten die Komplexität für groß oder sehr groß.

Wenig Chancen für Absicherung biometrischer Risiken

Geht es um mögliche Ausprägungen der Sozialpartnermodelle in Sachen Finanzierung, erwarten rund drei Viertel der Teilnehmenden mittel- wie langfristig eine Arbeitgeberfinanzierung, die zusätzlich zu bestehenden Systemen getragen werden muss. Auf mittlere Sicht gehen zudem 62 Prozent der Befragten von einer Finanzierung mittels Opting-out aus, auf lange Sicht ganze 76 Prozent. Die freiwillige Entgeltumwandlung sehen gut die Hälfte als kurzfristige und zwei Drittel als langfristige Finanzierungsart an.

Die Integration biometrischer Risiken in einem Sozialpartnermodell wird hingegen nur von wenigen erwartet - auch mit Blick auf einen dann geringeren Spielraum für die Finanzierung der Altersrente. So gehen 60 Prozent der Befragten davon aus, dass langfristig weniger als 20 Prozent der Anbieter eine Absicherung für den Fall der Invalidität vorsehen werden, bei der Hinterbliebenenversorgung meinen das immerhin noch 40 Prozent. Eine Kombination beider Aspekte erwarten drei Viertel der Befragten bei weniger als jedem fünften Anbieter. Gegenüber vielen bisherigen bAV-Modellen dürfte sich also aus Sicht der Beschäftigten eine Verschlechterung ergeben.

Betriebsräte überzeugen

In einem sind sich die Befragten großenteils einig: Das Sozialpartnermodell geht mit erheblichem Beratungsbedarf für Unternehmen, Betriebsräte und Beschäftigte einher. 62 Prozent der Studienteilnehmer rechnen mit einem sehr großen oder großen Beratungsbedarf der Arbeitgeber, mit Blick auf die Betriebsräte sind es sogar 71 Prozent. Das ist vermutlich nicht weiter überraschend - schließlich sind es die Betriebsräte, die zunächst von dem neuen Modell überzeugt werden müssen, bevor sie es den Beschäftigten gegenüber vertreten. Bei den Beschäftigten selbst wird der Beratungsbedarf dagegen etwas geringer eingeschätzt: Hier erwartet nur die Hälfte der Studienteilnehmer sehr hohen (5 Prozent) oder hohen (45 Prozent) Beratungsbedarf.

Entsprechend hoch wird auch der Schulungsbedarf für den Vertrieb eingeschätzt: 29 Prozent der Befragten bewerten ihn als sehr hoch, weitere 62 Prozent als hoch. Im Fokus steht dabei vor allem die Restrukturierung bestehender Zusagen aus arbeits- und steuerrechtlicher Sicht, gefolgt von den Bedarfsanalyen für Arbeitnehmer.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X