Versicherungsvertrieb auf Digitalisierungskurs

Die Corona-Pandemie hat auch in der Assekuranz einmal mehr gezeigt, wie wichtig die Digitalisierung ist. Das zeigt auch der Branchenkompass Insurance 2021 von Sopra Steria, für den 108 Führungskräfte aus der Versicherungsbranche befragt wurden. Denn es sind digitalisierte Prozesse und digitale Geschäftsmodelle, die die Unternehmen widerstandsfähiger bei Krisen und Veränderungen machen. Bis 2023 erwarten 65 Prozent der Befragten deshalb Veränderungen in der IT, es folgen Kundenbetreuung im Bestand (45 Prozent), Vertrieb (41 Prozent) und die Zusammenarbeit mit Vertriebspartnern (33 Prozent).

Dass diese Anteile in Sachen Vertrieb noch vergleichsweise gering sind, sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Digitalisierung natürlich auch die Formen der Zusammenarbeit von Banken und Versicherern nicht unberührt lassen kann und darf, wenn die Bankassurance nicht gänzlich obsolet werden soll.

Mehr als zwei Drittel (68 Prozent) der Branchenvertreter gehen davon aus, dass der digitale Vertrieb stark zunehmen wird. 44 Prozent erwarten sogar, dass Kunden immer mehr vollautomatisierte, digitale Beratungsangebote nachfragen werden. Nur noch jeder Dritte ist der Meinung, dass die Kunden mehrheitlich auch in Zukunft persönlich von Mensch zu Mensch zu Versicherungsprodukten beraten werden wollen. Das klassische Bankassurance-Modell, wie es viele Banken und Sparkassen noch immer praktizieren, scheint also endgültig "out".

Bewusstseinswandel in den Banken

Das heißt natürlich nicht, dass der Vertrieb von Versicherungsprodukten über den Bankkanal an sich obsolet würde. Es müssen aber endlich digitale Beratungs- und Abschlusstrecken installiert werden. Generell stärkt die Digitalisierung zwar den Direktvertrieb über die Versicherer, ohne Umweg über Vermittler. Dennoch werden Banken bei der Implementierung solcher digitaler Vertriebslösungen auf die Unterstützung ihrer Versicherungspartner bauen können.

Das Problem ist insofern weniger die technische Lösung, sondern der notwendige Bewusstseinswandel in den Instituten dahingehend, sich nicht länger gegen den Online-Abschluss klassischer Beratungsprodukte oder auch die Zusammenarbeit mit Insurtechs zu sperren. Hier geht es darum, im eigenen Haus zu vermitteln, dass die Nutzung digitaler Kanäle über die bloße Information hinaus und auch die Zusammenarbeit mit Insurtechs eine Chance darstellt, auch mit jenen Kunden ins Geschäft zu kommen, die nie auf die Idee kämen, ihren Berater nach sinnvollen Versicherungsabschlüssen zu fragen.

Versicherungen bleiben Push-Produkte

Das setzt aber zweitens voraus, Marketing und Vertriebssteuerung ganz neu auszurichten. Denn auch dann, wenn Versicherungsprodukte digital abgeschlossen werden können, bleiben sie (mit Ausnahme von Pflichtversicherungen) sogenannte Push-Produkte, die aktiv verkauft werden müssen. Tut dies nicht mehr der Berater in der Filiale, müssen andere Wege etabliert werden. Zwar haben die Pandemie und zuletzt auch die Flutkatastrophe im Juli das Risikobewusstsein von Unternehmen und Privatkunden und das Bedürfnis nach Absicherung verstärkt. Diese Chance muss aber auch aktiv genutzt werden, anstatt darauf zu warten, dass die Kunden in der Beratung aufschlagen.

Bei der Neuausrichtung von Marketing und Vertrieb, so die Studie, werden künftig Big Data und Data Mining sowie der Einsatz Künstlicher Intelligenz zur Leadgenerierung eine größere Rolle spielen. Ein anderer Aspekt ist das Customer Engagement. 71 Prozent der befragten Unternehmen nutzen Social Media bereits dazu, weitere 63 Prozent (unter Vermittlern sogar 79 Prozent) versuchen, auf diesem Weg das Kundenpotenzial zu erhöhen. Erst jeder vierte Versicherer setzt Social Media allerdings zur Unterstützung seiner externen Vertriebspartner ein. Auch hier könnten Partnerschaften vermutlich noch ein Stück weit intensiviert werden.

"Modetrends" bei den Produkten

Beim neuen, digitalen Vertrieb helfen können allerdings auch neue Produkte. In gewisser Weise gibt es mittlerweile auch "Moden" im Versicherungsgeschäft. Einen deutlichen Relevanzgewinn erwartet die Versicherungsbranche bis 2023 für Cyber-Security-Versicherungen, Themenpakete/Produktbündel (je 49 Prozent) sowie verhaltensabhängige, datenbasierte Tarifmodelle, bei denen die Versicherungsprämie anhand von Telematik-, Smart-Home- oder Gesundheitsdaten oder von Daten aus dem Internet der Dinge berechnet werden (48 Prozent). Ebenfalls im Trend sind komplett digitale Policen und Assistance-Leistungen im Sinne lebensbegleitender Services (beides 44 Prozent).

Was die maßgeschneiderten Produkte betrifft, sind die Meinungen allerdings noch geteilt. Dass Versicherungsprodukte künftig immer individueller an den Kundenbedarf angepasst werden, erwarten bislang nur 43 Prozent der befragten Branchenvertreter, während die Mehrheit von 57 Prozent dieser Aussage nicht zustimmt.

Dagegen sind die Erwartungen bezüglich Themen- und Bündelprodukten oder auch Assistance-Leistungen indirekt mit digitalen Ökosystemen und Plattformen verknüpft, die die Module für solche Bündel zusammenführen. Bisher nutzen 28 Prozent der Befragten und damit doppelt so viele wie vor zwei Jahren eigene oder fremde digitale Plattformen zu Themen wie Gesundheit, Altersvorsorge, Auto, persönliche Finanzen oder Immobilien, weitere 35 Prozent planen dies. 21 Prozent integrieren Insurtech-Lösungen, 36 Prozent planen dies und 26 Prozent befinden sich noch in der Diskussion.

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