Vorsorgeberatung beim kritischen Verbraucher - eine Herausforderung

Internet bei Altersvorsorge und Risikoabsicherung bereits Informationsquelle Nummer zwei Quelle: GVB

Wenn es ein klassisches "Beratungsthema" im Bereich der Finanzdienstleistungen geht, dann ist das die Altersvorsorge, vielleicht gleichauf mit der Baufinanzierung. Beiden gemeinsam ist die Tatsache, dass es sich in der Summe um die beiden größten Finanzangelegenheiten des Durchschnittsverbrauchers handelt - nur mit dem Unterschied, dass bei der Baufinanzierung die Summe auf einmal sichtbar wird, während das bei der Altersvorsorge meist nicht der Fall ist.

Die Customer Journey beginnt jedoch auch bei der Altersvorsorge immer häufiger mit einer Informationssuche im Internet. Das zeigt auch eine Verbraucherumfrage im Auftrag von Crealogix, für die vom Marktforschungsinstitut Censuswide in einer Online-Umfrage rund 1 000 Bank- und Versicherungskunden im Alter zwischen 18 und 55 Jahren befragt wurden, die alle bereits eine private Altersvorsoge oder eine Einkommensabsicherung bei Krankheit oder Unfall abgeschlossen hatten. 40,6 Prozent von ihnen gaben an, sich vor ihrem Kauf online zur privaten Altersvorsorge oder der Risikoabsicherung informiert zu haben. Mag sein, dass diese Quote etwas niedriger ausfallen würde, wenn die Zielgruppe kein reines Online-Panel wäre. Am generellen Trend zu "Ropo" (Research online - purchase offline) würde allerdings auch das nichts ändern.

Die Vorab-Information der Kunden führt dazu, dass die Kunden selbstbewusst in die Beratung gehen. 72,5 Prozent von ihnen sagen von sich, dass sie sich sehr gut oder gut auskennen. Dennoch - oder möglicherweise gerade deshalb, weil auf diese Weise die Unsicherheit geringer ist - fühlen sich 90 Prozent bei ihrem Berater gut aufgehoben.

Das heißt allerdings nicht, dass die Beratung durch Bank- oder Versicherungsberater unkritisch beurteilt wird - im Gegenteil. Wenn 46,7 Prozent die Frage, ob sie sich bei ihrem Berater gut aufgehoben fühlen, nur eingeschränkt bejahen (46,7 Prozent), dann ist auch damit die Herausforderung verbunden, bei der Beratungsqualität nachzuarbeiten.

Fast jeder Dritte hat das Gefühl, dass sich die Produktauswahl, Vorschläge und Informationen von Berater zu Berater unterscheiden, auch wenn sie bei derselben Bank oder Versicherung arbeiten. Inwieweit diese Wahrnehmung empirischen Untersuchungen standhalten würde, sei einmal dahingestellt. In jedem Fall spricht das genannte Ergebnis für eine Standardisierung der Beratungsprozesse, um für eine möglichst gleichbleibende Beratungsqualität zu sorgen, auch wenn sich gewisse Unterschiede von Berater zu Berater vermutlich nie ganz vermeiden lassen werden.

Spagat zwischen Algorithmen und Individualität

Hier gilt es allerdings immer den Spagat zu üben zwischen IT-gestützten Prozessen einerseits und einem individuellen Faktor andererseits. Bekommen Kunden den Eindruck, dass der Berater gleichsam nur noch vorliest, was ein Algorithmus ihm vorgibt, dann ist es nicht mehr weit, bis der Wert der persönlichen Beratung überhaupt infrage gestellt wird.

Noch scheinen zumindest die Teilnehmer dieser Studie diesen Wert jedenfalls zu sehen. Darauf deutet zumindest die Tatsache hin, dass fast zwei Drittel der Befragten (64,1 Prozent) sich vor dem Abschluss mit mindestens zwei Beratern getroffen haben. Das gilt übrigens nicht nur für die Älteren - sondern gerade die Jüngeren scheinen die Unterschiede durchaus zu schätzen, um sich ein Urteil zu bilden: Bei den 18- bis 24-Jährigen lag der Anteil jener, die vor einem Abschluss mit zwei oder mehr Beratern gesprochen haben, mit 67,5 Prozent höher als bei den 35- bis 44-Jährigen (65,4 Prozent) und sogar signifikant höher als bei den 45- bis 55-Jährigen (50,8 Prozent). Teilweise mag diese Beobachtung allerdings auch darauf zurückzuführen sein, dass Verbraucher sich mit steigender Erfahrung schneller ein Urteil darüber zutrauen, ob sie eine Empfehlung für vertrauenswürdig halten.

In der hybriden Beratung wird der Berater zur Kontrollinstanz

So oder so wandelt sich in der hybriden Beratung (Online-Recherche kombiniert mit persönlicher Beratung und Abschluss) die Rolle des Beraters. Mehr und mehr wird er nur noch als eine Art Kontrollinstanz wahrgenommen, die letzte Fragen klärt, auf mögliche Risiken hinweist und mögliche Missverständnisse ausräumt.

Neben reinem Fachwissen erfordert dies in wachsendem Maße soziale und kommunikative Kompetenzen. Nur so kann sich der Berater auf den jeweiligen Kunden, seine Situation und vor allem seinen Informationsgrad einstellen. Und damit schließt sich der Kreis: Denn die Rekrutierung von Mitarbeitern mit diesen Kompetenzen schließt eine allzu starke "Gängelung" durch IT-gestützte Systeme eigentlich aus. Lediglich Sprachrohr eines Algorithmus - Star-Trek-Fans kommt hier vielleicht "Locutus" in den Sinn - möchte schließlich niemand sein.

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