Vorsorgebereitschaft braucht neue Impulse

21 Prozent der Berufstätigen in Deutschland halten die jährliche Renteninformation für unverständlich. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie von Kantar Emnid im Auftrag von Fidelity, für die im April 2018 in einer repräsentativen Zufallsstichprobe 1 000 Berufstätige in Privathaushalten telefonisch befragt wurde. Immerhin 65 Prozent der Befgragten gaben dabei zu Protokoll, dass die die Renteninformation der gesetzlichen Rentenversicherungen ihnen dabei hilft, die Höhe ihrer späteren Rente einzuschätzen.

55 Prozent befürworten säulenübergreifende Renteninformation

Einmal mehr bestätigt hat die Studie auch die Forderung nach einem einheitlichen System, das die individuellen Altersvorsorgeeinkünfte aus allen drei Säulen, also aus der gesetzlichen Rente, der privaten und der betrieblichen Altersversorgung insgesamt abbildet. 55 Prozent der Befragten halten eine solche säulenübergreifende Renteninformation, wie sie die Bundesregierung unlängst angekündigt hat, für wichtig oder sehr wichtig.

Unbestreitbar würde ein solcher Gesamtüberblick es erleichtern, abzuschätzen, wie hoch die Differenz zwischen den zu erwartenden Alterseinkünften und dem derzeitigen Gehalt ausfällt und damit auch, wie stark der Vorsorgebedarf noch ist. Das muss sich aber nicht unbedingt positiv auf die Vorsorgebereitschaft der Verbraucher auswirken. Denn die wird nicht nur vom mangelnden Überblick gebremst, sondern auch von anderen Faktoren. Ginge es nur um die Information zum Thema, dann müssten ja zumindest jene 65 Prozent, die der genannten Umfrage zufolge die Renteninformation nützlich finden, emsig zusätzlich vorsorgen. Studien zu den getroffenen Vorsorgemaßnahmen der Verbraucher bilden das aber meist nicht ab.

Trägheit hemmt die Vorsorge

Hemmschuh Nummer eins für verstärkte Vorsorgebemühungen der Verbraucher ist der Trägheitsfaktor. Eben dies ist ja auch das Hauptargument für betriebliche Altersvorsorge oder ein Standardprodukt wie die "Deutschland-Rent" nach dem Opt-out-Prinzip - also Sparformen, für die der Betreffende nicht aktiv tätig werden muss, es sei denn, um sich daraus abzumelden.

Wo es so etwas nicht gibt, ist es in aller Regel die persönliche Beratung, die die Menschen animiert, etwas in Sachen Vorsorge zu übernehmen. Und das Pfund, mit dem die Berater derzeit "wuchern", sind die jeweiligen Vorsorge-Checks, in denen versucht wird, den bisher fehlenden säulenüber greifenden Überblick über alle bisher getroffenen Vorsorgemaßnahmen zu geben und daraus die Versorgungslücke fürs Alter abzuleiten.

Vertriebe drohen Ansprache-Argument zu verlieren

Und hier kommt der Knackpunkt: Gibt es diesen Gesamtüberblick künftig quasi unter öffentlicher Regie, dann entfällt für die Vertriebe ein ganz wichtiges Argument für die persönliche Beratung.

Das wiederum mag durchaus unerwünschte Folgen haben: Manch einer nämlich, der sich in ein solches System einloggt und seine jeweiligen Anwartschaften in dem entsprechenden Gesamtüberblick zusammenführt, wird daraus zwar tatsächlich den Schluss ziehen, dass seine Vorsorge gegen Altersarmut nicht ausreicht. Aber alle bisherigen Umfragen zum Thema zeigen bisher, dass der Schritt von der theoretischen Erkenntnis eines Handlungsbedarfs hin zum Umsetzen in eine Vorsorgemaßnahme nur von einem überschaubaren Teil der Menschen getan wird. Die persönliche Beratung wäre insofern weiterhin wichtig, um den nötigen Handlungsimpuls zu bieten, den Beratern würde aber ein wichtiges Argument zur Kundenansprache fehlen.

Online-Vorsorge erleichtern

Hinzu kommt: Damit eine säulenübergreifende Renteninformation tatsächlich zu mehr Eigeninitiative in der Vorsorge führt, braucht es Vertrauen: Vertrauen in die von der Politik gesetzten Rahmenbedingungen, Vertrauen in die verfügbaren Produkte und (gegebenenfalls) Vertrauen in die Beratung.

Das Vertrauen in die Beratung ist mit tatkräftiger Hilfe von Verbraucherschützern und Politiker zumindest stark untergraben worden. Wer sich nicht beraten lassen will, der bräuchte als Alternative zumindest einfache Online-Abschlussmöglichkeiten. Mit Blick auf die Gesamtsituation des Kunden wäre das zwar nicht unbedingt optimal, aber eine aus Einzelbausteinen zusammengesetzte Vorsorge ist immerhin besser als die beste Gesamtstrategie, zu der es gar nicht erst kommt. Vor dieser zweitbesten Lösung steht aber wiederum der Gesetzgeber, der zumindest bei Versicherungsprodukten die Anforderungen an die auch online damit verbundene Beratung so hoch gehängt hat, dass dies auf viele Kunden abschreckend wirkt.

Rahmenbedingungen weiter unklar

Am Vertrauen in die Rahmenbedingungen für die Altersvorsorge fehlt es ohnehin. Solange gar nicht klar ist, wohin die künftige Rentenpolitik einmal gehen wird (und zwar über das Jahr 2025 hinaus), ist die Abschlussbereitschaft naturgemäß begrenzt.

- Wo werden die immer wieder beschworenen "Haltelinien" in der gesetzlichen Rentenversicherung tatsächlich liegen?

- Welche Vorsorgeform wird künftig wie gefördert werden?

- Kommt die "Deutschland-Rente" oder etwas Vergleichbares?

Solange solche Fragen nicht beantwortet sind, wird auch in das Vorsorgegeschehen kaum neuer Schwung kommen. Die "Riester-Rente" hat die Politik ohnehin selbst schlecht geredet. Dieser Version der staatlich geförderten Altersvorsorge dürften deshalb auch die mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz vorgenommenen Änderungen nicht mehr aus dem Vertrauenstief heraushelfen.

Vertrauen in neue Produkte gewinnen

Nicht zuletzt braucht es Vertrauen in die Produkte. Dass die Lebensversicherung an Vertrauen eingebüßt hat, ist kein Geheimnis. Die dadurch gerissene Lücke ist aber längst noch nicht gefüllt. Die sogenannte "Neue Klassik" mag zwar mittlerweile die Hälfte des Neugeschäfts der Lebensversicherer ausmachen. Das heißt aber nicht zwingend, dass die Kunden davon wirklich überzeugt sind. 2016 war der Produktwechsel schließlich bereits eingeleitet und dennoch ging das Neugeschäft der Branche insgesamt zurück.

Der Beweis, dass die neuen Produktgenerationen auch wirklich das halten, was sie versprechen, steht ohnehin noch aus. Dass das Vertrauen in Produkte jenseits der klassischen Garantien erst noch gewonnen werden muss, ist auch in der betrieblichen Altersvorsorge unbestritten: Hier geben Anbieter wie R + V und Union Investment unumwunden zu, dass das Sozialpartnermodell mit den reinen Beitragszusagen kein Selbstläufer ist.

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