Zinszusatzreserve und Höchstrechnungszins: neue Rahmenbedingungen für die Lebensversicherung

"In Anbetracht der anhaltenden Tiefzinsphase braucht es dringend neue Rahmenbedingungen für die deutsche Lebensversicherung, damit diese ihre wichtige sozialpolitische Funktion als dritte Säule des Alterssicherungssystems weiterhin erfüllen kann". Das fordert Roland Weber, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Aktuarvereinigung e.V. (DAV), und meint damit primär Änderungen bei der Zinszusatzreserve. Grundsätzlich, so die Aktuare, hat sich dieser 2011 eingeführte Puffer bewährt und zur Stabilisierung der Lebensversicherungen beigetragen. Weil aber bei seiner Konstruktion noch nicht absehbar war, dass der Leitzins in der Euro-Zone jemals auf null Prozent fallen könnte, sinkt der Referenzzins zur Berechnung der Zinszusatzreserve seit Jahren. Damit wiederum steigt der Aufwand für Versicherer in immense Höhen. 1,5 Milliarden Euro haben die Versicherer im Jahr 2011 insgesamt der Reserve zugeführt, 2017 waren es 59,5 Milliarden Euro.

Bald auch für Verträge mit 1,75 Prozent Garantiezins

Aufgrund des Zinsverfalls mussten die deutschen Lebensversicherer Ende 2017 bereits für die zwischen 1994 und 2011 abgeschlossenen Verträge Zinszusatzreserven bilden. Aller Voraussicht nach wird 2019 erstmals auch ein Nachreservierungsbedarf für Verträge mit 1,75 Prozent Höchstrechnungszins bestehen. Damit müssten auch für die zwischen 2012 und 2014 geschlossenen Verträge eine Zinszusatzreserve gebildet werden.

Um die Mittel dafür aufzubringen, sind viele Versicherer gezwungen, große Teile ihrer Bewertungsreserven aufzulösen, die aktuell nur zu deutlich schlechteren Konditionen reinvestiert werden könnten. Zudem verursacht das An- und Verkaufen von Wertpapieren zusätzliche Transaktionskosten. All dies führt nach Einschätzung der Aktuare zu einer unnötigen finanziellen Schwächung der Lebensversicherer, die weder im Interesse der Politik noch der Kunden sein kann.

Finanzausschuss wird diskutieren

Schon seit längerem plädiert die DAV deshalb für Anpassungen an der Zinszusatzreserve inklusive einer neuen Berechnungsmethode, durch die der Aufbau der Zinszusatzreserve gestreckt werden kann. Ohne solche Anpassungen könnten auch solche Anbieter in Schwierigkeiten geraten, die mittel- bis langfristig die Garantiezusagen erfüllen können. Für die Akzeptanz der Lebensversicherung als Vorsorgeprodukt wäre das zweifellos ein schlechtes Signal.

Ein Hoffnungszeichen ist immerhin in Sicht: Die Fraktionen des Deutschen Bundestags haben beschlossen, sich im Finanzausschuss mit einer Neukalibrierung der Zinszusatzreserve zu befassen. Grundlegenden Handlungsbedarf scheint die Politik somit erkannt zu haben. Sie sollte sich jedoch nicht allzu viel Zeit lassen.

Denn wenn die absehbaren Neuregelungen nicht bereits im Jahresabschluss 2018 angewendet werden können, dann müssten unnötigerweise weitere Kapitalreserven aufgelöst werden, obwohl das in diesem Umfang bei einer geänderten Kalibrierung der ZZR gar nicht mehr erforderlich wäre, mahnt die DAV.

Ein weiteres Thema, bei dem die Versicherungsmathematiker Reformbedarf sehen, ist der Höchstrechnungszins. Aufgeben wollen ihn die Aktuare zwar nicht, obwohl er mit den neuen Produktgenerationen der Lebensversicherer an Bedeutung verloren hat. Denn der "Garantiezins" sei ein intuitiver Indikator zur Bewertung von Zinsgarantien der Lebensversicherer und habe stets für zusätzliche Transparenz gesorgt.

Höchstrechnungszins regelbasiert gestalten

Allerdings solle die Festlegung künftig regelbasiert und planbar gestaltet werden, um Zinsgarantien von Vertragsbeginn an auch für die Rentenbezugszeit darstellen zu können. Künftig solle sich der Höchstrechnungszins am aktuellen Kapitalmarkt und an den künftig erzielbaren Zinsen orientieren.

Mit Blick auf die zunehmend angebotenen neuen Produkte der Lebensversicherer sieht der Vorschlag überdies vor, sogenannte Bewertungseinheiten zuzulassen. Damit müssten Produkte, bei denen die Zinsgarantien vollständig über den Kapitalmarkt abgesichert und so die Erfüllbarkeit des Leistungsversprechens verbrieft ist, nicht notwendigerweise mit dem Höchstrechnungszins bewertet werden.

Damit ließen sich die Vorteile des bewährten Höchstrechnungszinskonzeptes ideal mit den neuen Produktwelten kombinieren.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X