DIREKTBANKEN

Comdirect glänzt zum Abschied

Quelle: wikipedia

2019, im Jahr ihres 25-jährigen Bestehens, erlebte die Comdirect ihren "Mobile Moment". Erstmals verzeichnete die Commerzbank-Tochter, die jetzt vor der Integration steht, mehr mobile Kontakte als Kontakte über die Website. Mittlerweile erfolgt die Hälfte aller Logins und ein Viertel aller Überweisungen über mobile Endgeräte. Insgesamt sind doppelt so viele Kunden mobil mit der Bank in Kontakt wie noch vor zwei Jahren.

Und noch einen Meilenstein konnte die Comdirect in ihrem letzten eigenständigen Jahr erreichen: die Skalierbarkeit. Erstmals konnte die Bank 2019 das Wachstum um 220 000 Neukunden "verdauen", ohne dafür bei den Mitarbeiterzahlen aufstocken zu müssen. Vielmehr gingen die operativen Sachaufwendungen und Personalaufwendungen im Vergleich zu 2018 sogar von 81 auf 77 Millionen Euro zurück. Die Anzahl der Kunden pro Mitarbeiter erhöhte sich um 4,6 Prozent auf 2 259. Besonders deutlich zeigte sich die Effizienzsteigerung im Kundenmanagement, wo die Anzahl der Kunden je Mitarbeiter sogar um 8,1 Prozent auf 6 388 stieg. Der operative Sachaufwand pro Kunde ging um 4,9 Prozent zurück.

Mit dieser Effizienzsteigerung, so Frauke Hegemann, seit Jahresbeginn 2020 Vorstandsvorsitzende der Comdirect, konnte die komparative Lücke zu den Fintechs geschlossen werden. Denn so wie einst die Direktbanken gegenüber den Filialbanken durch den Verzicht auf den stationären Vertrieb einen komparativen Vorteil hatten, so sind es heute die Fintechs, die durch ihre von Anfang an komplett digitalen Strukturen einen Vorteil selbst gegenüber Direktbanken haben, die noch aus einer vordigitalen Welt stammen und ihre Prozesse erst allmählich umstellen.

Die Comdirect hat das Mehr an Effizienz zum einen durch Robotic Process Automation erreicht - quasi die Abschaffung des Back Office. Alle Unterlagen - gleichgültig in welcher Form sie eingehen, digitalisiert, automatisch erkannt und zugeordnet. Dadurch lassen sich Prozesslaufzeiten erheblich verkürzen.

Die deutliche Skalierbarkeit im Kundenmanagement wurde durch den Einsatz eines Sprachdialogsystems in Verbindung mit einem Chatbot erreicht. Alle Anrufe landen zuerst im Sprachdialogsystem, das eine Reihe von Voice-Self-Services bietet. Im vierten Quartal 2019 wurde etwa die Kartensperre oder die Erhöhung oder Absenkung des Kartenlimits über das Sprachdialogsystem eingeführt. Bei den Mitarbeitern kommen auf diese Weise weniger Gespräche an, da Standardanliegen voll automatisiert abgewickelt werden können - neben dem Sprachdialogsystem auch über den Chatbot.

Insgesamt kann die Bank festhalten: Die 2018 gestartete Wachstumsstrategie zahlt sich aus. Mit 190,6 Millionen Euro (inklusive 103,3 Millionen Euro Realisierungsgewinn durch den Ebase-Verkauf) erzielt die Bank ein Rekordergebnis. Auch ohne den Ebase-Sondereffekt liegt das Vorsteuerergebnis mit 87,3 Millionen Euro um 23,5 Prozent über dem des Vorjahres. Der Provisionsüberschuss profitierte von erhöhten Tradingaktivitäten sowie der größeren Kundenbasis und stieg um 6,5 Prozent auf 219,7 Millionen Euro. Auch der Zinsüberschuss konnte in einem weiter rückläufigen Zinsumfeld um 5,6 Prozent auf 123,5 Millionen Euro gesteigert werden. Die Zinsmarge allerdings ging nach einer leichten Verbesserung im Vorjahr, als Arno Walter für sein Haus die "Zinswende" ausgerufen hatte, wieder zurück, und zwar von 47,6 auf 43,9 Prozent.

Die Kundenzahl erhöhte sich um 8,7 Prozent auf 2,74 Millionen Kunden, die Anzahl der Girokonten um 8,1 Prozent auf 1,70 Millionen und die Anzahl der Depots um 12,9 Prozent auf 1,6 Millionen. Erstmals erreichte die Comdirect innerhalb eines Jahres einen Nettomittelzufluss von 10 Milliarden Euro, davon 3,5 Millionen Euro Einlagenvolumen, 6,5 Millionen Euro Netto-Depotvolumen und 8,1 Millionen Euro durch Kurswerteffekte.

Mit diesen Zahlen geht die Comdirect selbstbewusst in das jetzt gestartete Integrationsprojekt. Ziel ist es, so viel Comdirect wie möglich in die Commerzbank einfließen zu lassen. Als Stärken der Comdirect nennt Frauke Hegemann Digitalisierung, Innovation und Brokerage. Dass die Marke Comdirect im Brokerage erhalten bleiben soll, hat die Commerzbank im vergangenen Jahr bereits angekündigt. Ob die Comdirect darüber hinaus vielleicht ein Stück weit zum Innovationslabor der Mutter werden könnte, wird sich zeigen müssen. Sollte die Commerzbank nach der Integration der Tochter das Innovationstempo nicht halten können, droht womöglich ein Kundenverlust. Bisher hat die Ankündigung der Integration in die Mutter den Quickbornern eigenen Angaben zufolge noch keinen "Kundenabrieb" beschert. Red.

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