BANKENSTUDIE

Deutsche Kreditwirtschaft abgehängt?

Die europäische Bankenlandschaft befindet sich in einer anhaltend angespannten Situation. Das ist das Ergebnis einer Studie von Bearingpoint, in welcher insgesamt knapp 130 Banken aus Europa bewertet wurden. Grundlage ist eine interne Analyse der Jahresabschlüsse dieser Finanzinstitute. Aus Sicht der deutschen Kreditwirtschaft sind die Ergebnisse besonders ernüchternd. Zwar leiden alle europäischen Institute unter dem schwierigen Marktumfeld. Für deutsche Banken stellt sich die Lage jedoch besonders prekär dar.

Generell sind die Kosten europäischer Banken weiterhin zu hoch - das zeigt vor allem die aggregierte Cost Income Ratio (CIR) von 58,9 Prozent (2018). Mehr als die Hälfte der analysierten Institute wiesen in diesem Zeitraum eine CIR von über 55 Prozent auf. Dies lässt darauf schließen, dass die längst überfälligen Modernisierungsmaßnahmen bisher nicht konsequent angegangen werden beziehungsweise noch keine sichtbaren Früchte getragen haben. Deutsche Banken belegen hier mit einer Cost Income Ratio von 74,6 Prozent im Jahr 2018 einen unrühmlichen Spitzenwert. Ihre operativen Ergebnisse sanken seit 2013 um insgesamt 28 Prozent und konnten somit die Inflation nicht decken.

Die Kombination aus Kostendruck und rückläufigen Erträgen, so die düstere Prognose, könnte zu einer Explosion der Cost Income Ratio führen - im europaweiten Durchschnitt auf bis zu 65 Prozent, in Deutschland sogar auf bis zu 83 Prozent. Ursache für die mangelnde Kosteneffizienz sind unter anderem fehlende Modernisierungs- und Digitalisierungsmaßnahmen innerhalb der Finanzinstitute. Die fehlende Effizienz und das steigende Risiko der deutschen Banken belasten den Markt dabei langfristig. Bleiben die Institute hier untätig, so die Mahnung, wird sich der Druck auf die Profitabilität in Zukunft weiter erhöhen.

Bei der aktuellen Ertragssituation muss europaweit der Verwaltungsaufwand um 6,7 Prozent gesenkt werden. In den besonders unprofitablen und ineffizienten Märkten der Dach-Region bedarf es sogar einer Kostenreduktion um 26 Prozent (Deutschland und Österreich) beziehungsweise 21 Prozent (Schweiz) um Sanierungs- und Abwicklungsszenarien zu vermeiden.

Neben den Kosten sieht die Studie eine weitere Herausforderung in der Risikovorsorge: In den vergangenen Jahren bauten die Banken 63 Prozent ihrer Risikovorsorge ab und verbesserten dadurch ihr Ergebnis. Ob sich die ökonomische Kreditqualität in diesem Maße verbessert hat, ist ungewiss. Wenn Kredite nicht mehr bedient werden können, werden die Banken wieder zunehmend Risikovorsorge aufbauen müssen und dadurch zusätzliche Ergebniseinbrüche erleiden, warnt Studienautor Frank Hofele.

Als Reaktion auf das anhaltend schwierige Zinsumfeld bauen viele Banken in Europa vermehrt ihr Provisionsgeschäft aus. Vor allem in Italien, Spanien, Portugal sowie in den nordischen Ländern werden wegbrechende Zinserträge zum Teil durch das Provisionsgeschäft kompensiert. Die Steigerungen der Provisionsmarge und ausbleibende Zinserträge können so zwar partiell aufgefangen werden, die Bemühungen, die Provisionsmarge zu steigern, reichen bisher aber nicht aus. Echte Erfolge verzeichnen hierbei lediglich die mittleren und kleinen Institute, die ihre Provisionsüberschüsse um 16 Prozent beziehungsweise 17 Prozent steigern konnten. Deutschland ist im europäischen Vergleich mit einer stagnierenden Provisionsmarge von 0,42 Prozent (europäischer Durchschnitt 0,58 Prozent) wohl im Begriff, von den Wettbewerbern abgehängt zu werden - und bleibt gleichzeitig mit einer Zinsmarge von 0,8 Prozent deutlich hinter dem europäischen Durchschnitt von 1,15 Prozent zurück. Zudem ist die Zinsmarge in Deutschland 2018 gegen den europäischen Trend weiter zurückgegangen.

Um im Wettbewerb mit Fintechs und Bigtechs weiterhin zu bleiben, reichen weitere Kostenoptimierungen jedoch nicht aus. Sondern Banken müssen auch neue Ertragsfelder sichern. Hier muss ein Spagat gelingen: Einerseits gilt es, von der Agilität im Marktauftritt sowie in der B2C-Beziehung von Fintechs zu lernen, ohne sich gleichzeitig abseits des Kerngeschäfts zu verzetteln und dadurch Ressourcen zu binden. Das wiederum heißt: Neben der Entwicklung neuer Produkte muss parallel eine grundlegende Bereinigung des bestehenden Produktportfolios vorgenommen werden. Red.

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