VERTRIEBSPOLITIK

Digital - der Königsweg für alle?

Die Digitalisierung stellt die Vertriebspolitik der Banken auf den Kopf. Davon wissen vor allem die Filialbanken ein Lied zu singen. Wie schwer es ist, dabei alle Kunden gleichermaßen gut zu bedienen, zeigt eine am 25. September dieses Jahres veröffentlichte Studie des Digitalverbandes Bitkom zur digitalen Teilhabe.

Sie belegt einmal mehr, dass Jüngere und Ältere in unterschiedlichen digitalen Welten leben und dass die Menschen mit der Digitalisierung nicht nur Positives verbinden. Das ist nicht unbedingt neu. Es tut jedoch immer wieder einmal gut, sich die Zahlen zu vergegenwärtigen: 20 Millionen Menschen in Deutschland stehen der Digitalisierung skeptisch bis ablehnend gegenüber.

Mehr als jeder Vierte hat Vorbehalte

Wenn immerhin 27 Prozent der insgesamt 1 003 Befragten, auf die Frage danach, was ihnen spontan zum Begriff "Digitalisierung" einfällt, Vorbehalte oder Bedenken nennen, wenn 31 Prozent die Digitalisierung eher als Gefahr betrachten und 12 Prozent neue technische Geräte oder digitale Dienstleistungen nur dann nutzen, wenn es sich gar nicht vermeiden lässt, dann heißt das für Filialbanken und Sparkassen: Es ist im Grunde keine Option, allein auf digitale Services zu setzen, sondern es muss - zumindest vorerst - auch weiterhin Beratung und persönlichen Service geben.

Für Filialbanken heißt das: "Nähe" muss zwar längst nicht mehr nur ausschließlich, aber eben weiterhin auch im räumlichen Sinn verstanden werden.

So viele Herausforderungen damit auch verbunden sein mögen: Der Kahlschlag bei den Filialen hat derzeit Grenzen, zumindest wenn man sich zu regionaler Verantwortung oder dem öffentlichen Auftrag bekennt, die Bevölkerung mit Finanzdienstleistungen zu versorgen.

Teilweise mag sich diese Thematik durch die demografische Entwicklung in den nächsten Jahren (oder auch Jahrzehnten) in den nächsten Jahren (oder auch Jahrzehnten) erledigen. Doch die Bitkom-Umfrage belegt, dass es auch unter den jungen Menschen Skeptiker gibt. So bewerten 16 Prozent der 16- bis 29-Jährigen und 26 Prozent der 30- bis 49-Jährigen die Digitalisierung generell eher als Gefahr denn als Chance. 17 beziehungsweise 18 Prozent der 16- bis 29-Jährigen und der 30- bis 49-Jährigen räumen digitalen Technologien in ihrem privaten Leben nur eine geringe oder keine Bedeutung ein.

Skeptiker auch unter jungen Leuten

Die Initiative "Digital für alle" von insgesamt 21 Organisationen hat sich nun vorgenommen, einer digitalen Spaltung der Gesellschaft entgegenzuwirken und dafür zu sorgen, dass niemand im digitalen Wandel verloren geht und sich niemand verloren fühlen muss. Dafür sollen alle Menschen, gerade im ländlichen Raum und egal welchen Alters fit gemacht werden für die Zukunft. Das ist sicher nicht verkehrt - und es würde gerade den regionalen Kreditinstituten das Leben leichter machen. Denn es ist nun einmal ein Kuriosum, dass digitale Bankdienstleistungen dort auf die höchste Akzeptanz stoßen, wo sie mit Blick auf die Erreichbarkeit der nächsten Filiale am wenigsten "nötig" sind: In den Ballungsräumen.

Warum das so ist, wäre vielleicht einmal eine Untersuchung wert. Liegt es daran, dass die Veränderung von Alltag und Gesellschaft in den Ballungsräumen sichtbarer ist und die Menschen deshalb stärker daran gewöhnt sind, sich an Veränderungen anzupassen? Ist das Leben in den Städten hektischer, sodass die Menschen jede Erleichterung ihres Alltags, die ihnen die Technik ermöglicht, dankbar annehmen? Oder halten die Menschen im ländlichen Raum ganz bewusst am Tradierten fest und wird Infrastruktur - wie Bankfilialen - dort stärker geschätzt, wo sie längst keine Selbstverständlichkeit mehr ist?

Wie auch immer: Man wird nicht davon ausgehen können, dass alle 20 Millionen Menschen, die von der Digitalisierung weniger überzeugt sind, nur aus Mangel an digitalen Kompetenzen so denken. Mitunter ist ausgerechnet das Gegenteil der Fall. Dann sind ausgerechnet diejenigen zurückhaltend bis ablehnend, die sich gut auskennen und um die "Risiken und Nebenwirkungen" wissen. Für den Wunsch, nicht alles digital zu erledigen, gibt es gute Gründe.

Dass laut Zahlen der Genossenschaftsorganisation nur 15 Prozent der Volksbank-Kunden all ihre Bankgeschäfte rein digital erledigen, 60 Prozent hingegen hybrid unterwegs sind und auf persönliche Ansprechpartner nicht verzichten wollen, ist sicher nicht allein dem Beharrungsvermögen geschuldet, sondern mindestens teilweise auch Ausdruck bewusster Reflexion.

Dass die Kunden Servicethemen nicht ausschließlich online erledigen wollen, hat die BW Bank lernen müssen: Deren Gedanke, Service und Beratung zu trennen und neben Filialen mit Beratung und Service sowie reinen SB-Standorten reine Beratungsstandorte anzubieten, war angesichts der Fülle digitaler Serviceangebote naheliegend. Die Kundschaft sah das jedoch offenbar anders. Deshalb wird jetzt wieder umgesteuert.

Auch die Aufregung in Großbritannien über den Kahlschlag bei den Filialen, der vor allem die Bevölkerung im ländlichen Raum unversorgt zurücklässt, kann als weiterer Fingerzeig dafür gesehen werden, dass "digital für alle" zumindest im Bankgeschäft heute noch kein gangbarer Weg ist. Bis auf Weiteres wird sich die Kreditwirtschaft deshalb wohl oder übel mit der Frage nach der Gestaltung der Filialnetze auseinandersetzen müssen. Red.

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