RECHTSFRAGEN

Gebührenurteil des BGH in der Praxis

Vielleicht haben die Medien die Berichterstattung rund um das BGH-Urteil vom 27. April dieses Jahres zu Konditionsänderungen bei Banken (Aktenzeichen XI ZR 26/20) aus Lust an der knackigen Schlagzeile ein bisschen zu sehr aufgebauscht und dessen Folgen für die Kreditwirtschaft als allzu dramatisch dargestellt. Natürlich war die Entscheidung, wonach keine Reaktion seitens des Kunden nicht als Zustimmung gewertet werden darf, alles andere als eine gute Nachricht für die Branche. Und natürlich war und ist es noch kaum kalkulierbar, was sie am Ende für das einzelne Institut bedeutet. Und doch hat sich die erste Aufregung zu Recht weitgehende gelegt.

Die Verpflichtung von Banken und Sparkassen, Kunden Entgelte zurückzuzahlen, wenn diese sich darauf berufen, ihnen niemals zugestimmt zu haben, ist nämlich nicht gleichbedeutend mit dem Recht der Kunden, die Leistungen des jeweiligen Instituts bis in alle Ewigkeit zu den Preisen vor der beanstandeten Änderung zu beziehen. So weit ist das Gericht aus gutem Grund nicht gegangen. Auch beim Bäcker bekommt heute schließlich niemand mehr seine Brötchen zu dem Preis von vor 20 Jahren, noch dazu mit der Perspektive, dass das auch dauerhaft so weitergeht. Sondern der Kunde muss sich entscheiden, ob er den jeweils aktuellen Preis zahlen will oder versucht, die Brötchen andernorts günstiger zu bekommen.

Genau vor dieser Wahl stehen nun auch die Bankkunden. Sie können sich also Kontoführungs- oder Verwahrentgelte zurückzahlen lassen, müssen sich dann aber eine andere Bank oder Sparkasse suchen. Und dabei werden viele feststellen: Es lohnt sich nicht. In einem Umfeld, in dem das komplett gratis angebotene Girokonto zur Seltenheit geworden ist und Verwahrentgelte auf Einlagen mindestens für Neukunden beinahe zum Standard geworden sind, werden viele kaum etwas dadurch gewinnen, wenn sie den Konditionsänderungen ihrer Hausbank widersprechen. Allzu viele werden das deshalb vielleicht gar nicht tun. Dennoch täte die Branche natürlich gut daran, das Thema nicht einfach auszusitzen und die gerichtlichen Vorgaben lediglich bei künftigen Konditionenanpassungen umzusetzen. Wenn man in Zukunft ohnehin bei jeder Konditionenänderung in einen Dialog mit jedem betroffenen Kunden treten muss, dann bietet sich die Chance, das auch jetzt rückwirkend zu tun und sich damit als kundenorientiert zu erweisen, anstatt den Eindruck zu erwecken, man würde nur hoffen, dass die Kunden sich schon nicht melden werden.

Wie das gehen kann, hat die Volksbank Stuttgart vorgemacht. Sie hat einen Brief an alle Girokontoinhaber versandt, mit dem Angebot, die Konditionenänderungen des Hausbankmodells sowohl rückwirkend als auch für die Zukunft zu genehmigen oder zu verlangen, ihr Konto zu den vor Oktober 2020 geltenden Konditionen zu führen, wobei die Bank im letztgenannten Fall das Recht hat, den bestehenden Kontovertrag zu kündigen. Das Erteilen der Zustimmung will die Bank Kunden (und damit auch sich selbst) so einfach wie möglich machen. Möglich ist es per QR-Code, Whatsapp, E-Mail, Brief, Fax oder auch Abgabe in der Filiale. Alternativ können die Kunden nach einer Bedenkzeit von zwei Monaten ihre Zustimmung auch durch die Erteilung eines "aktiven Zahlungsdienstauftrags", sprich einer Bargeldein- oder -auszahlung, einer Überweisung oder auch einer Zahlung per Girocard geben. Die Zustimmung per Weiternutzung des Kontos ist möglicherweise nicht ganz unkritisch, da dies schon wieder sehr nahe an die stillschweigende und eben nicht ausdrücklichen Einwilligung in die Konditionen herankommt, wie sie bislang üblich war. Andererseits darf man vielleicht davon ausgehen, dass ein Kunde, der auch zwei Monate nach Erhalt des Anschreibens sein Konto wie gewohnt weiternutzt, die Absicht hat, dies auch weiterhin zu tun - und zwar zu den aktuellen Konditionen. Red.

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