VORFÄLLIGKEITSENTSCHÄDIGUNG

Kein Ersatz für entgangenen Gewinn?

Vorfälligkeitsentschädigungen bei vorzeitiger Kreditrückzahlung sind Verbraucherschützern seit langem ein Dorn im Auge. Dass der deutsche Gesetzgeber sich bei der Umsetzung der europäischen Wohnimmobilienkreditrichtlinie in nationales Recht dafür entschied, das bisherige System weitgehend beizubehalten, wurde von ihnen aus diesem Grund anhaltend kritisiert.

Die Bundesministerien der Finanzen sowie der Justiz und für Verbraucherschutz haben deshalb eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, in deren Rahmen Prof. Dr. Edgar Löw von der Frankfurt School of Finance and Management eine neue Berechnungsmethode entwickelt hat. Kompensiert werden soll demnach nur der Nachteil, der dem Darlehensgeber durch eine etwaige Verschlechterung des Marktzinses zwischen Vertragsabschluss und Ablösung des Darlehens entsteht. Ein entgangener Gewinn würde aber nicht entschädigt. Auf eine solche Berechnung von Vorfälligkeitsentschädigungen, die von den bisher von der Rechtsprechung anerkannten Methoden abweicht, konnte die Arbeitsgruppe sich jedoch nicht einigen.

Die Marktwächter Finanzen bei der Verbraucherzentrale Bremen haben diese Diskussion zum Anlass für eine Marktanalyse genommen, um die Debatte mit aktuellen empirischen Daten zu unterfüttern. Bei einer entsprechenden Untersuchung aus dem Jahr 2014 kamen die Verbraucherschützer zu dem Schluss, dass die von Banken und Sparkassen berechnete Vorfälligkeitsentschädigung in zwei von drei Fällen zu hoch war.

Für die aktuelle Studie untersuchten die Finanzmarktwächter 733 Fälle aus den Jahren 2017 bis 2019. Dort hatten Anbieter im Durchschnitt knapp über zehn Prozent der noch offenen Restschuld als Vorfälligkeitsentschädigung gefordert, wenn diese ihre Immobilienfinanzierung vor Ende der Zinsbindung zurückzahlen wollten. Für die Berechnung verwendeten Anbieter ausschließlich die vom BGH als zulässig bewertete "Aktiv-Passiv-Methode".

Dennoch kommen die Verbraucherschützer auch in der neuen Studie für 77 Prozent der untersuchten Anbieterberechnungen auf eine niedrigere Entschädigungssumme. Im Durchschnitt lag der von ihnen errechnete Wert um fünf Prozent unter dem des Anbieters. Einen Großteil dieser Abweichungen führt Philipp Rehberg, Teamleiter Immobilienfinanzierung beim Marktwächter Finanzen der Verbraucherzentrale Bremen, darauf zurück, dass die pauschalen Abzüge der Anbieter für entfallende Risiko- und Verwaltungskosten zu niedrig angesetzt seien.

Die Kritik der Verbraucherschützer, dass diese Pauschalen wenig transparent und vom Verbraucher nicht überprüfbar seien, ist sicher nicht unberechtigt. Der Vorwurf zielt in die gleiche Kerbe wie die immer wieder vorgetragene Kritik am Scoring als "Black Box".

Für die Antwort auf die Frage, wie man zu mehr Transparenz kommen kann, setzen die Marktwächter auf die von Prof. Löw entwickelte Methode, die ohne solche Pauschalen auskommt. Bei der Berechnung von 502 Verbraucherfällen nach der Methode Löw und einem Vergleich mit den Berechnungen nach der Aktiv-Passiv-Methode gegenüber, betrug die Entschädigung im Rahmen der Stichprobe durchschnittlich sechs Prozent der Restschuld. Sie war in neun von zehn Fällen und im Durchschnitt um 33 Prozent niedriger als die Entschädigung nach der Aktiv-Passiv-Methode - wenig überraschend, da hier der entgangene Gewinn nicht berücksichtigt wird.

Bei der Deutschen Kreditwirtschaft stößt das naturgemäß auf wenig Gegenliebe. Grundsätzlich sei eine Überprüfung der Berechnungen der Anbieterseite unter Verbraucherschutzgesichtspunkten durchaus positiv anzusehen, heißt es in einer Stellungnahme. Dabei solle es um grundlegende Fehler bei der Berechnung, wie zum Beispiel die fehlende Einbeziehung von Sondertilgungsrechten aufzuzeigen - nicht zuletzt auch zur Herstellung der Wettbewerbsgleichheit - gehen.

Gegen die Nichtberücksichtigung der Forderung des Darlehensgebers nach dem entgangenen Gewinn - nach der Methode Löw - verwahrt sich die Branche jedoch. Denn dies stehe im Widerspruch zum deutschen Schadenersatzrecht, das dem Geschädigten einen Anspruch auf Ersatz des entgangenen Gewinns zubilligt. Schwierigkeiten bei der Berechnung dürften hier nicht die Anwendung einer Methode rechtfertigen, die den entgangenen Gewinn unberücksichtigt lässt. Nicht ohne Grund konnte sich die Arbeitsgruppe auf eine solche Methode offenbar nicht einigen.

Nach Angaben der Verbraucherzentrale Bremen, die sich in einer Fußnote des Untersuchungsberichts versteckten, ist es auch nach Auffassung von Prof. Löw grundsätzlich möglich, die Gewinnmarge in der von ihm entwickelten Berechnungsmethode zu berücksichtigen - allerdings um den Preis, dass dadurch die Nachvollziehbarkeit und Überprüfbarkeit der Methode entfiele. Das lässt durchaus die Frage zu, wofür dann eine neue Methode überhaupt gebraucht wird.

Nicht zuletzt widerspricht die DK der immer wieder vorgebrachten Behauptung, die vom BGH anerkannte Praxis der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung stünde nicht im Einklang mit den Regelungen der Wohnimmobilienkreditrichtlinie. Im Rahmen der Arbeitsgruppe habe das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz ausdrücklich darauf hingewiesen, dass seitens der Europäischen Kommission und des BMJV Einigkeit dahingehend bestand, dass das deutsche System der Vorfälligkeitsentschädigung den Vorgaben der Richtlinie gerecht wird.

Die von den Marktwächtern in der Untersuchung aufgeworfene Frage "Ist das so noch rechtens?" muss demnach wohl ausdrücklich bejaht werden. Der Kritikpunkt der Verbraucherschützer, dass die konkrete Schadensberechnung gesetzlich nicht geregelt ist, sondern vom Gesetzgeber der Rechtsprechung überlassen wurde, scheint gleichwohl nicht unberechtigt. Klare gesetzliche Regelungen wären hier vermutlich hilfreich. Wirklich nachvollziehbar würden die von der Anbieterseite erhobenen Forderungen für den einzelnen Kunden zwar auch dadurch nicht. Sie wären aber besser überprüfbar. Red.

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