Kfz-Finanzierung

Kostenlos fahren?

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Im Zuge der Diesel-Abgas-Affäre haben Verbraucherschützer und vor allem Juristen den "Widerrufsjoker" bei der Kfz-Finanzierung als Option für Fahrzeugbesitzer entdeckt, sich ohne Schaden von ihrem Fahrzeug zu trennen, das durch die Manipulationen der Hersteller einen Wertverlust erlitten hat und von Fahrverboten bedroht ist. Noch bei der Jahrespressekonferenz im April dieses Jahres hatte der Verband Banken der Automobilwirtschaft e.V. diese Thematik als überschaubar eingestuft - vor allem deswegen, weil in den bisherigen Verfahren zumindest eine vom Kunden zu zahlende Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer festgelegt wurde.

Als erstes Gericht in Deutschland hat nun das Landgericht Ravensburg am 7. August dieses Jahres anders entschieden (Aktenzeichen 2 O 259/17). In einem dort verhandelten Fall erhält der Fahrzeugbesitzer nicht nur alle gezahlten Raten zurück. Sondern er muss der VW-Bank zudem weder Wertersatz noch Nutzungsentschädigung für die bisher gefahrenen Kilometer zahlen. Er hatte den im Juni 2015 geschlossenen Finanzierungsvertrag mit der VW-Bank im Mai 2017 widerrufen und sich dabei darauf berufen, bei Vertragsabschluss fehlerhaft über die Widerrufsmöglichkeiten belehrt worden zu sein.

Im konkreten Fall ist der Kläger damit 70 000 Kilometer kostenlos Auto gefahren, konstatiert Anwalt Christof Lehnen von der Kanzlei Dr. Lehnen & Sinnig in Trier. Das Urteil falle für die Autobanken zwar extrem hart aus. Es sei dennoch richtig, denn nur durch diese strenge Rechtsfolge könne erreicht werden, was das Gesetz unbedingt gewährleisten wolle: eine ordnungsgemäße Belehrung des Verbrauchers über seine Rechte beim Abschluss von Kreditverträgen.

Diese Argumentation ist zwar nachvollziehbar. Natürlich muss der Kunde über seine Widerrufsrechte ordentlich informiert werden. Allerdings geht es dem Gesetzgeber beim Thema Widerrufsrecht darum, dem Kunden die Möglichkeit zu geben, es sich anders zu überlegen, wenn er sich beispielsweis von einem beredten Verkäufer hat überreden lassen oder wenn er bei genauerer Durchsicht des Vertragstextes zu dem Schluss kommt, dass die Vertragsbedingungen ihm doch nicht zusagen. In solchen Fällen ist ein Widerrufsrecht gut und wichtig.

Im vorliegenden Fall scheint der Kunde mit dem Vertrag jedoch zwei Jahre lang recht zufrieden gewesen zu. Der Widerruf hat deshalb ganz offenkundig nichts mit dem Vertrag selbst oder dessen Zustandekommen zu tun. Das Widerrufsrecht ist aber nicht dazu da, den Kunden im Nachhinein besserzustellen, wenn es ihm opportun scheint, sich von einem Vertrag zu lösen. Dass so etwas nicht im Sinne des Gesetzgebers ist, zeigt die Abschaffung des unbefristeten "Widerrufsjokers" bei Immobilienfinanzierungen, der vor allem dazu genutzt wurde, sich im Niedrigzinsumfeld von teuren Krediten zu trennen, um einen günstigeren Vertrag abschließen zu können. Dass Fahrzeugbesitzer jahrelang völlig kostenfrei ein Fahrzeug nutzen und es dann ohne Weiteres zurückgeben können, wie es das Ravensburger Urteil nahelegt, wird somit ebenso wenig im Sinne des Gesetzgebers sein.

Wenn das Ravensburger Urteil also Schule machen und durch die Instanzen Bestand haben sollte und wenn es sich, wie die Anwaltskanzlei meint, auf rund 1,5 Millionen Verträge der VW-Bank und deren Zweigniederlassungen Audi-Bank, Seat-Bank und Skoda-Bank und auch die Kreditverträge vieler anderer Banken übertragen lässt, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass eine einsetzende Klageflut auch in diesem Fall erneut die Politik auf den Plan ruft. Analog zu den Immobilienkrediten dürfte dann auch bei den Verbraucherkrediten das Schlupfloch des "ewigen Widerrufsrechts" gestopft werden. Zu hoffen bleibt, dass der Gesetzgeber in diesem Fall etwas schneller reagiert, um den Missbrauch des Widerrufsrechts einzudämmen.

Ob und wann das geschieht, wird freilich vom Ausmaß dieses Missbrauchs abhängen: davon, wie viele Verträge tatsächlich widerrufen werden und davon, wie die Gerichte urteilen. Die Anzahl der Fälle wiederum dürfte nicht zuletzt davon abhängen, wie es mit Nachbesserungen bei den Diesel-Fahrzeugen und mit Fahrverboten weitergeht. Die Banken sind somit in jedem Fall in der Hand der Politik.

Soweit es sich - wie im Fall der VW-Bank - um Konzerntöchter von Automobilherstellern handelt, könnte man natürlich argumentieren, dass der Schaden letztlich ja doch in der Familie bleibt - ganz gleich ob der Hersteller nun für eine Hardware-Nachbesserung aufkommen muss oder der Kunde sich an der Finanzierungstochter schadlos hält. Das kann aber kein Argument dafür sein, dem Missbrauch des Widerrufsrechts Tür und Tor zu öffnen. Denn auch wenn der Diesel-Kunde tatsächlich durch den Wertverlust seines Fahrzeugs einen objektiven Schaden erlitten hat, sollte doch das Verursacherprinzip gelten. Und Verursacher dieses Schadens ist nun einmal nicht die Bank. Red.

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