ANLAGEBERATUNG

Nachhaltigkeit: Warten auf die Klassifikation

85 Prozent der Bundesbürger können sich nicht daran erinnern, schon einmal mit ihrem Bankberater über eine nachhaltige Geldanlage gesprochen zu haben. Dies geht aus einer bevölkerungsrepräsentativen Studie hervor, für die die Unternehmensberatung Cofinpro mehr als 1 000 Bundesbürger ab 18 Jahren befragt hat. Studienautorin Melanie Konrad folgert daraus, dass Banken hier ein großes Potenzial ungenutzt lassen. Denn die Zahlen zeigen auch: Jeder Zweite legt mittlerweile Wert auf Nachhaltigkeitsaspekte in der Geldanlage und wäre dafür sogar bereit, auf Rendite zu verzichten. 87 Prozent der Befragten wünschen sich ein staatliches Gütesiegel für nachhaltige Geldanlagen.

Dieses wachsende Interesse der Anleger an nachhaltigen Geldanlagen ist auch anderweitig belegt. Falsch wäre es sicher nicht, wenn Berater das Thema auch heute schon häufiger ansprechen würden. Dass sie das bisher nicht tun, muss aber nicht zwingend ein Nachteil sein - gerade vor dem Hintergrund, dass die EU das Thema stärker regulieren will - von einem Klassifikationssystem für nachhaltige wirtschaftliche Aktivitäten über Informationspflichten in der Beratung bis hin zur Etablierung von Benchmarks. Konkrete Entwürfe werden in den nächsten Monaten erwartet, die Umsetzung soll ab Mitte 2020 erfolgen.

Mit Blick auf diese Regulierungsvorhaben ist es zumindest nachvollziehbar, wenn Berater sich einstweilen noch zurückhalten. So laufen sie zumindest keine Gefahr, ihren Kunden Anlagen zu empfehlen, die vielleicht aus heutiger Sicht als nachhaltig gelten können, der künftigen Regulierung aber vielleicht nicht mehr entsprechen. Nicht umsonst hat der BVI in diesem Kontext bereits die Sorge formuliert, dass die Regulierungsvorhaben im Bereich Nachhaltigkeit teilweise noch vor der Europawahl in Gesetzesform gegossen werden könnten, ehe noch die Basis, nämlich die Klassifikationssystematik, steht. Hier zäumt die EU das Pferd vom Schwanz her auf, so BVI-Hauptgeschäftsführer Thomas Richter.

Am 28. März hat das EU-Parlament nun doch - schneller als erwartet - eine Taxonomie nachhaltiger Wirtschaftsaktivitäten beschlossen, die Anlegern das Investieren in grüne Finanzprodukte erleichtern soll. Aber auch diese gibt nur sehr bedingte Orientierung. Denn sie zielt nur auf sechs ökologische Ziele und hier speziell den klimarelevanten Bereich ab, während soziale Nachhaltigkeit wie Respekt vor Arbeits- und Menschenrechten die die Governance der investierten Unternehmen nicht berücksichtigt werden. Dafür hagelte es prompt Kritik, zum Beispiel vom Forum für nachhaltige Geldanlagen. Aufgrund des sehr begrenzten Fokus der Taxonomie könnten vielleicht schon bald Nachbesserungen anstehen. Damit ist für Berater noch immer keine Klarheit gegeben Red.

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