WERTPAPIERGESCHÄFT

Regulierung eher kontraproduktiv als nützlich

"MiFID2 vertreibt Kunden von den Kapitalmärkten". So fasst die Deutsche Kreditwirtschaft das Ergebnis einer von ihr in Auftrag gegebenen Auswirkungsstudie zusammen, für die Professor Stephan Paul von der Ruhr-Universität Bochum rund 3 000 Kunden und über 150 Banken und Sparkassen in Deutschland befragt hatte.

Die Ergebnisse sind tatsächlich ernüchternd: 83,6 Prozent der Kunden berichten, dass die Gespräche mit dem Berater mittlerweile deutlich mehr Zeit in Anspruch nehmen als früher. 69,1 Prozent empfinden den Aufwand einer Ordererteilung/Wertpapiertransaktion eher nicht oder nicht als angemessen. Die Fülle an Pflichtinformationen trägt erwartungsgemäß nicht zu einem besseren Informationsstand bei. Vielmehr fühlen sich 62,3 Prozent der Kunden durch die Menge an Informationen, die im Beratungsgespräch präsentiert werden, überfordert, 71,1 Prozent würden gerne auf sämtliche Aufklärungen verzichten oder doch zumindest die Möglichkeit dazu haben. Eine Mehrheit von 57,8 Prozent der Befragten ist überdies der Meinung, ihr Berater sei früher flexibler und individueller auf ihre Bedürfnisse eingegangen. Das deckt sich mit den Angaben der Institute selbst, die zu 84 Prozent angeben, die prozessuale Vereinheitlichung mindere die Individualität der Beratung.

Als Ärgernis für Kunden und Banken gleichermaßen weist die Studie erwartungsgemäß die Telefonaufzeichnung. Dass nur noch jede zehnte Order telefonisch erteilt wird, mag sicher zum Teil der regulierungsungabhängig voranschreitenden Veränderung der Kanalnutzungsgewohnheiten zuzuschreiben sein. Die Aufzeichnungspflicht mag diese Entwicklung aber noch beschleunigen. Drei Viertel der Kunden (74 Prozent) möchten darauf verzichten können, 65 Prozent empfinden die Aufzeichnung als störend, 55 Prozent bemängeln eine Gefährdung der Vertraulichkeit. Fast jeder zweite will deshalb von telefonischer Ordererteilung gänzlich absehen

Es gibt freilich auch Informationen, die eine Mehrheit der Kunden als nützlich empfindet. Das gilt vor allem für das Produktinformationsblatt (62,7 Prozent) sowie die nachgelagerten Informationspflichten. Den Bestandsreport empfinden 71,9 Prozent der Befragten als nützlich, den Verlustschwellenreport 62,7 Prozent. Entsprechend gering fällt hier der Wunsch aus, darauf verzichten zu können - anders als bei der Geeignetheitserklärung, auf die 71,4 Prozent der Kunden gern würden verzichten können.

Als Folge der Regulierung wollen sich zwei von fünf Befragten vollständig von den Kapitalmärkten zurückziehen (13 Prozent) oder sich zumindest weniger stark am Kapitalmarkt engagieren und stattdessen auf unkompliziertere Anlageformen wie Tages- oder Festgeld ausweichen (27 Prozent).

Das deckt sich mit den Aussagen der befragten Kreditinstitute, die zu 86 Prozent ihr Produkt- und Leistungsangebot segmentspezifisch neu ausrichten, wobei 59 Prozent vor allem das Retailgeschäft betroffen sehen. Jedes vierte der befragten Institute bietet Wertpapierberatung nur noch in ausgewählten Filialen an, 54 Prozent sieht einen Bedeutungszuwachs des beratungsfreien Geschäfts. Eine Stärkung der Wertpapierkultur wird man so eher nicht erreichen können.

Im Resümee heißt das: Der Nutzen der Regulierung wird als sehr begrenzt wahrgenommen, teilweise wirkt sie sogar als kontraproduktiv. Das ist vor allem deshalb ärgerlich, weil die Implementierungskosten für MiFID, MiFIR und PRIIPs für die Kreditwirtschaft enorm sind - sie werden auf durchschnittlich 3,7 Millionen Euro je Institut beziffert, wobei die Bandbreite von 200 000 bis 900 000 Euro bei kleineren und mittleren Instituten bis hin zu 35 Millionen Euro bei großen Häusern reicht. Die laufenden Kosten werden im Durchschnitt mit 508 000 Euro (44 000 bis 182 000 Euro bei kleineren/ mittleren Instituten bis 4,2 Millionen Euro bei großen Banken) beziffert.

Hätte sich dieser Aufwand in verbesserter Kundenzufriedenheit und einem größeren Vertrauen in Wertpapieranlagen ausgezahlt, würde die Branche diese Kosten vermutlich leichter verschmerzen. So aber liegt der Spruch nahe: "Außer Spesen nichts gewesen". "Bessere Regulierung", wie sie die demnächst scheidende EU-Kommission versprochen hatte, sieht sicher anders aus. Red.

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