RECHTSFRAGEN

Stillschweigen

Quelle: Bundesverfassungsgericht

bild_raum stephan baumann

Selten gab es zwei so bedeutende Urteile der höchsten deutschen Instanzen der Legislative in so kurzer Zeit. Da erklärte zum einen das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die nationalen Klimaschutzziele und die bis zum Jahr 2030 zulässigen Jahresemissionsmengen mit den Grundrechten unvereinbar. Durch fehlende hinreichende Maßgaben für die weitere Emissionsreduktion ab dem Jahr 2031 würden zukünftige Generationen zum Teil in ihren Grundrechten verletzt, heißt es zur Begründung. Denn es sei zu befürchten, dass dadurch hohe Emissionsminderungslasten unumkehrbar auf Zeiträume nach 2030 verschoben würden.

Die Bundesregiering, die damit heftigst kritisiert wurde, beklatschte das Urteil bemerkenswerterweise sofort und schob wenige Tage später eine spürbare Verschärfung der deutschen Klimaziele durch das Kabinett. Bis zum Jahr 2045 will die Bundesrepublik nun klimaneutral sein. Von Widerspruch oder wenigstens einem kritischen Auseinandersetzen mit dem Urteil keine Spur. Aber vielleicht ist es kurz vor einer Bundestagswahl einfach keine gute Idee, über das Klima zu diskutieren.

Nahezu zeitgleich erklärte der Bundesgerichtshof (BGH) die bislang gängige Praxis, Schweigen als Zustimmung zu werten, als nicht zulässig. Konkret heißt es: "Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Bank, die ohne inhaltliche Einschränkung die Zustimmung des Kunden zu Änderungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Sonderbedingungen fingieren, sind unwirksam." Die Klauseln seien zu weitreichend und benachteiligten die Kunden unangemessen, so die Karlsruhe Richter.

In der Regel wird dieses Vorgehen von Banken und Sparkassen genutzt, um Änderungen am Kontomodell oder Gebührenanpassungen flächendeckend durchzusetzen. Sollte diese Praxis nun tatsächlich unzulässig sein, könnte das gravierende Folgen für die Bankenbranche haben. Doch auch hier hört man von Verbänden und Instituten bislang wenig bis nichts. Man will erst einmal die Urteilsbegründung abwarten. Wie die künftigen Klauseln formuliert sein müssen, hat der BGH im Übrigen nicht entschieden.

Das Abwarten ist aber vielleicht gar nicht so verkehrt. Die Bankenvertreter haben vor Gericht zwar vor dramatischen Folgen für die Institute gewarnt, wie schlimm es am Ende aber tatsächlich kommen wird, muss sich in der Urteilsbegründung zeigen. Und die Einschätzung der Folgen geht weit aus einander: Während die einen wie die Experten der Stiftung Warentest überzeugt sind, dass mit dem Urteil "so ziemlich alle Gebührenerhöhungen" von Banken und Sparkassen nach dem 1. Januar 2018 unwirksam seien, gehen andere von kaum nennenswerten Vorteilen für die Kunden aus. Denn das Recht auf Erstattung früherer Beträge müsse explizit eingefordert werden - von den gleichen Kunden übrigens, die bislang stets stillschweigend zugestimmt haben - und sei teilweise bereits verjährt.

Es ist also zu befürchten, dass auch in diesem Fall gut gemeinter Verbraucherschutz, der in erster Linie mehr Transparenz fordert, am Ende den einen Betroffenen wenig bringt, für die anderen aber ungleich mehr Aufwand bedeutet. Denn die Informationspflichten für Banken und Sparkassen sind heute schon enorm und werden bei der Zustimmungspflicht von Millionen von Kunden sicherlich nicht geringer. Ob die Kunden künftig wirklich Dutzende von Seiten an AGBs lesen wollen, denen sie zustimmen müssen, sei einmal dahingestellt. Vielleicht haben sie dafür ja auch gar keine Zeit, weil sie noch über den Stapeln von KIDsen, BIBsen und PIBsen brüten, die sie von ihrer Bank oder Sparkasse pflichtgemäß bekommen haben. P.O.

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