Verbandsklagen

Verbraucherschutz oder reine Klageflut?

Bundesgerichtshof

Regelmäßig beschäftigen Streitfragen zwischen Finanzdienstleistern und ihren Kunden die deutschen Gerichte - immer wieder bis hinauf zum Bundesgerichtshof. Das zeigt auch ein Blick in die Tätigkeitsstatistik des BGH. Ihr zufolge sind im Jahr 2017 zum Beispiel 664 Revisionen und Nichtzulassungsbeschwerden aus dem Bereich Darlehen/Kontokorrente in Karlsruhe eingegangen, 276 aus dem Rechtsgebiet Versicherungssachen. Die Finanzbranche stellt damit rund ein Viertel aller Streitfälle, mit denen sich der BGH befasst oder befassen soll. Kein Wunder also, dass die Deutsche Kreditwirtschaft die Pläne der EU-Kommission zur Einführung einer "Richtlinie über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher" kritisch unter die Lupe genommen hat.

Die damit verbundenen Bedenken sind beträchtlich - steht doch die Gefahr im Raum, dass Unternehmen künftig nach US-amerikanischem Vorbild mit einer Flut von Sammelklagen überzogen werden könnten, initiiert von spezialisierten Klage-Kanzleien.

Um dies zu verhindern, schlägt die DK an etlichen Stellen Konkretisierungen vor. So gelte es zu definieren, was eigentlich die "kollektiven Interessen der Verbraucher" sind. Dass die sich durchaus auch widersprechen können, ist bei der Diskussion um die Ausschüttung von Bewertungsreserven der Lebensversicherer deutlich geworden, wo es die Interessen der ausscheidenden Versicherten gegenüber dem Kollektiv abzuwägen galt. Nicht immer wird der Interessenwiderspruch so deutlich sein. Trotzdem setzten "kollektive Interessen" immer auch eine gewisse Masse voraus. Deshalb fordert die Deutsche Kreditwirtschaft, eine wenigstens dreistellige Mindestanzahl von Fällen als Grundvoraussetzung für die Zulässigkeit von Verbandsklagen vorzuschreiben.

Wenn die neue Verbandsklage tatsächlich dem Verbraucherschutz dienen soll, dann gilt es zudem sicherzustellen, dass die klagenden Organisationen tatsächlich ein berechtigtes Interesse haben und dieses nicht nur die Gewinnmaximierung von Anwaltskanzleien darstellt. Dazu reicht es nach Einschätzung der deutschen Kreditwirtschaft nicht aus, dass die "qualifizierten Einrichtungen", die eine solche Klage einreichen, keinen Erwerbszweck verfolgen dürfen. Sondern die Gerichte sollten verpflichtet sein, diese Einrichtungen auf ihr berechtigtes Interesse hin zu überprüfen. Auch bezeichnet die DK es sicher zu Recht als inakzeptabel, dass die Erwirkung von Verfügungen weder das Mandat nur eines betroffenen Verbrauchers noch einen tatsächlichen Verlust oder Schaden noch ein Verschulden des Unternehmers voraussetzt. Damit würde dem Missbrauch des Gesetzes durch "reine Klageeinrichtungen" vermutlich wirklich Tür und Tor geöffnet. Die Forderung, diese gesetzlich vom Verbandsklagerecht auszuschließen, ist deshalb sinnvoll. Denn das hieße natürlich nicht, dass Verbraucherschutzorganisationen keine Anwälte beauftragen dürften.

Nachvollziehbar ist auch die Forderung, dass ein harmonisiertes kollektives Rechtsschutzinstrument in Form einer Verbandsklage weitere nationale verfahrensrechtliche Instrumente in diesem Bereich ausschließen solle. Wenn es - wie jetzt in Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie vorgesehen - den Mitgliedsstaaten unbenommen bleibt, auf nationaler Ebene weitere verfahrensrechtliche Mittel zur Klageerhebung vorzusehen, dann bietet dies weder Rechtssicherheit noch dient es der von der Politik eigentlich angestrebten Harmonisierung des EU-Binnenmarkts.

In einem Punkt schießt die DK jedoch vielleicht übers Ziel hinaus. Auch Ad-hoc-Einrichtungen, die speziell zu dem Zweck gegründet werden, eine Verbandsklage ein zureichen, sollen nach ihren Vorstellungen von diesem Recht ausgeschlossen werden. Hier käme es indessen vermutlich auf den Einzelfall an. Wenn eine große Anzahl von Verbrauchern sich von einem Unternehmen in der gleichen Angelegenheit geschädigt sieht, dann sollte es ihnen vielleicht doch möglich sein, sich zusammenzuschließen, um gemeinsam eine Anwaltskanzlei mit der Vertretung ihrer Angelegenheiten zu beauftragen. In solchen Fällen wäre dann auch die Forderung der DK nach einem unbedingt erforderlichen Mandat der Verbraucher erfüllt. Red.

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