BARGELDVERSORGUNG

Ein willkommener Streik

Wie oft die Deutschen Geld am Geldautomaten abheben (in Prozent) Quelle: Yougov

Eigentlich könnte die Kreditwirtschaft der Gewerkschaft fast dankbar sein: Rechtzeitig zum Jahresbeginn, wenn die Menschen nach den Feiertagen die Vorräte aufgebraucht haben, hat Verdi die rund 12 000 Beschäftigten der Geld- und Wertbranche zum Streik aufgerufen, um ihrer Gehaltsforderung Nachdruck zu verleihen. Das Medienecho war erwartungsgemäß enorm - Tenor: Das Bargeld droht knapp zu werden.

Ob Geldautomaten oder womöglich sogar einzelnen Händlern Scheine und Münzen durch den Streik tatsächlich ausgehen, sei einmal dahingestellt. Wenn es wirklich einmal dazu kommen sollte, wäre das für Banken und Sparkassen aber nahezu ein Glücksfall: Die Schuld für den Missstand könnte man der Geld- und Wertbranche beziehungsweise Verdi zuweisen, gleichzeitig jedoch auf die bargeldlosen Bezahlmöglichkeiten verweisen und so vielleicht auch bisherige Kartenmuffel zum elektronischen Zahlen per Karte oder Mobiltelefon bringen. Auch wenn das öffentlich niemand sagen würde, hätten die Wertdienstleister so gesehen eigentlich gar nicht lange genug bestreikt werden können. Schließlich ist es erfahrungsgemäß so, dass derjenige, der einmal den Komfort des bargeldlosen Zahlens verinnerlicht hat, in der Regel in Zukunft zumindest häufiger auf Bargeld verzichtet.

Zu echtem Bargeldmangel und - in dessen Folge - einer massiven Zunahme des bargeldlosen Bezahlens wird es aber wohl gerade deshalb auch bei künftigen Tarifkonflikten nicht kommen. Schließlich muss auch der Gewerkschaftsseite bewusst sein, dass man mit andauernden Streiks in einem den Deutschen so wichtigen Bereich öffentliche Kritik - irgendwann auch aus der Politik - auf sich ziehen, vor allem aber ein gewagtes Spiel spielen würde. Blieben nämlich nur noch Karte und Co. als Bezahloption übrig, dann würden sich die Beschäftigten der Geld- und Wertdienste auf längere Sicht ein Stück weit selbst überflüssig machen. Wer heute darüber klagt, dass vor allem die Münzgeldkisten schwer sind, der würde dieselben vielleicht bald schmerzlich vermissen. Diese Erkenntnis hat vermutlich auch die Kompromissbereitschaft der Arbeitgeberseite erhöht und so zu der relativ raschen Einigung geführt. Red.

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