Zinsen und Provisionen

Die Bankassurance wird sich wandeln müssen

Ulrich Wiesenewsky, Leiter Distribution Services, Willis Towers Watson GmbH, Frankfurt am Main
Quelle: Willis Towers Watson

In Zeiten niedriger Zinsergebnisse könnten die mit dem Vertrieb von Versicherungen erzielbaren Provisionen eine neue Renaissance erleben - eigentlich. Durch die Digitalisierung ist die Bankassurance in ihrer bisherigen Ausprägung jedoch infrage gestellt, warnt Ulrich Wiesenewsky. Das liegt daran, dass der bisherige Erfolgsfaktor - der gute Kundenzugang in der Beratung - an Bedeutung verliert und das Cross- Selling-Potenzial in Verbindung mit Bankprodukten im internationalen Vergleich wenig genutzt wird. Hier müssen die Banken nachlegen. Auch die neuen kleinteiligen Produkte, die viele Versicherer in letzter Zeit mit Blick auf die digitalen Kanäle entwickelt haben, bieten dem Bankvertrieb neue Möglichkeiten. Red.

Die sogenannte Bankassurance war in ihren vielfältigen Ausprägungen lange eine Erfolgsgeschichte - doch der Wandel durch Digitalisierung, Schließung von Bankfilialen und veränderte Produktlandschaften wirft Fragen auf: Bleiben die Banken eine sichere Säule im Vertrieb? Was macht eine gezielte und kundenorientierte Kooperation mit einem Versicherer aus? Und was sind erfolgversprechende Modelle für den Bankvertrieb der Zukunft?

Banken sind seit Jahren ein starker Vertriebsweg für Versicherungsprodukte - vor allem im Leben-Segment, dessen langfristige Verträge attraktive Provisionen bringen. Natürlich bieten viele auch Policen aus der Sach- und Krankenversicherung an - welche Bank jedoch welche Produkte vertreibt, ist eine geschäftspolitische Entscheidung der Kredithäuser und ihrer Versicherungspartner selbst. Auch die Organisation des Vertriebs variiert von Fall zu Fall: Von der Beratung in der Bankfiliale über mobile Filialen, zum Kundengespräch beim Versicherer bis hin zu digitalen Kanälen ist alles möglich.

Verschiedene Wege der Kooperation

Im Vergleich zu anderen Ländern ist der Bankvertrieb in Deutschland im Regelfall keine Open-Architecture-Lösung, sondern ein Großteil wird durch relativ feste und langjährige Partnerschaften bestimmt. Diese sind teilweise auch mit Kapital hinterlegt. Dabei gehören beispielsweise die Partnerschaften der Deutschen Bank mit der Zurich sowie die Kooperationen zwischen den Sparkassen und deren Versicherern oder den genossenschaftlichen Banken mit der R & V Gruppe zu den längsten Gemeinschaften in Deutschland.

Darüber hinaus gibt es weitere Kooperationsmodelle, zum Teil bundesweite (HVB/ Commerzbank/Allianz) aber auch regionale (Allianz mit Genossenschaftsbanken in Nordbayern) oder Modelle, die nur auf eine Produktgruppe (zum Beispiel Restschuldversicherungen) begrenzt sind. Der gute und stetige Kundenzugang ist über die Jahre hinweg ein Pluspunkt für den Vertriebsweg Bank gewesen - doch wird dieses angesichts der Entwicklungen im Online-Banking und der Filialschließungen so bleiben? Ein kurzer Blick auf die letzten Jahre zeigt, welche Produkte den Bankvertrieb bislang prägen.

Manche Sparten mit Luft nach oben

In der Leben-Sparte finden sich zahlreiche Produkte, die sich für den Vertrieb über den Bankschalter sehr gut bewährt haben. Aufgrund ihrer Nähe zu typischen Anlage- und Sparprodukten sind dies vor allem Lebens- und Rentenversicherungen, egal ob traditionell oder fonds- oder indexgebunden, sowie die klassische Todesfallabsicherung und Risiko- oder Restschuldversicherungen.

Laut Vertriebswege-Survey 2017 von Willis Towers Watson hielten die Banken in den Jahren 2012 bis 2015 beim Vertrieb von Lebensversicherungen sogar die Spitzenposition - das liegt auch am lange Zeit wachsenden Geschäft mit Einmalbeitragspolicen.

Erst durch den Rückgang des Neugeschäfts mit Einmalbeiträgen in den letzten zwei Jahren ist der Bankkanal wieder auf den zweiten Platz knapp hinter den Maklervertrieb zurückgefallen. Im Einmalbeitragsgeschäft liegt sein Anteil mit gut 42 Prozent allerdings immer noch fast doppelt so hoch wie der der Ausschließlichkeit, die mit 22 Prozent danach folgt.

Potenzial bei Annexprodukten nicht ausgeschöpft

Eine Reihe von Bankprodukten hängt außerdem eng mit dem Thema Sachversicherung zusammen: Nimmt ein Kunde beispielsweise eine Hypothek für den Hausbau oder -kauf auf, sollte im Regelfall beim Bauherrn oder Eigentümer auch Bedarf für eine Haftpflicht-, Wohngebäude- oder Hausratversicherung bestehen. In Deutschland aber werden diese Produkte im Vergleich zu anderen Märkten nur in vergleichsweise wenigen Fällen abgeschlossen.

Ähnliches gilt für den Kfz-Schutz: Mit der Autofinanzierung lässt sich eine Beratung zur passenden Versicherung sinnvoll verknüpfen. Dennoch haben die Banken beim Vertrieb von Sachversicherungen bisher nur eine geringe Bedeutung. Im Jahr 2016 lag ihr Anteil im Gesamtmarkt bei rund sechs Prozent.

Geringe Perspektiven in PKV

Auch in der privaten Krankenversicherung (PKV) hat der Bankvertrieb nur einen sehr geringen Anteil: So kam er 2016 auf nur fünf Prozent, die sich zusammensetzen aus knapp drei Prozent in der Vollkostenversicherung und rund acht Prozent in der Zusatzversicherung.

Da die thematischen Anknüpfungspunkte zwischen traditionellem Bankgeschäft und der Krankenversicherung nur gering sind, ist für diese Produktkategorie auch in Zukunft nur wenig Wachstumspotenzial zu erwarten.

Fruchtbare Kooperation - attraktive Ertragschancen?

Die Zusammenarbeit mit Versicherern birgt also in einigen Bereichen noch Potenzial und ist zugleich für Banken ein interessantes Geschäftsfeld. In Zeiten niedriger Zinsergebnisse der Banken liegen hier besonders wertvolle Chancen für zusätzliche Gewinne im Provisionsergebnis.

Sind diese Ertragschancen aber auch zu realisieren? In Zeiten von Konsolidierung im Bankensektor, weit verbreiteten Filialschließungen verbunden mit dem Ausbau des Online-Bankings, neuen regulatorischen Hürden sowohl auf Banken- als auch auf Versicherungsseite bleibt dies fraglich.

Von anderen Branchen lernen

Allerdings können Banken auch von anderen Branchen lernen, die beweisen, dass Cross- und Upselling auch in Zeiten des Digitalvertriebs funktionieren. Die Airline-Industrie gibt hier ein gutes Beispiel: Viele Airlines bieten im Online-Vertrieb systematisch bei einer Flugticketbuchung nahezu alle vorstellbaren Reiseelemente an - vom Mietwagen über Hotels, Versicherungsbausteine bis hin zu Events am Reiseziel. Ein kaufwilliger Kunde liefert mit derartigen Produkten schnell ein Vielfaches an Umsatz zum Kauf des reinen Flugtickets.

Beispiele wie diese lassen sich auch in zahlreichen anderen Industrien finden, warum nicht auch im Bankensektor? Denn Banken verfügen immer noch über ein im Vergleich zu anderen Industrien loyalen Kunden. Dieser wickelt seine Bankgeschäfte nicht heute hier und morgen dort ab, sondern führt sie langfristig über ein oder zwei Institute durch, einmal in der Filiale, ein anderes Mal beim mobilen Kundenberater und immer mehr über das Online-Banking über Laptop, PC oder App.

Cross-Selling-Möglichkeiten stärker wahrnehmen

Die Grundvoraussetzung für einen erfolgreichen Vertrieb ist Banken also gegeben. Nur lässt die konsequente Verknüpfung einzelner Bankprodukte mit passenden Versicherungsbausteinen zu wünschen übrig.

Viele Versicherer haben in den letzten Jahren im Geschäft mit Kooperationspartnern auch neue Produkte entwickelt, bei denen es sich oft um kleinteilige, hochstandardisierte Produkte oder Produktbausteine handelt. Dies sind oft nur Ausschnittsdeckungen oder Produkte mit sehr stark zeitlich eingeschränkten Laufzeiten; sie können aber einfach kommuniziert und damit auch über digitale Kanäle verkauft werden. Hier ist der Bankvertrieb gefragt, Produkte anzubieten, im Detail zu erklären und damit Cross-Selling-Möglichkeiten stärker wahrzunehmen.

Die Zukunft des Bankvertriebs

Der Vertriebsweg Bank wird auch in Zukunft seine Chancen in den bisherigen, klassischen Vertriebsansätzen haben. In der Tendenz werden diese durch den Wandel des Bankengeschäfts aber sinken. Daher ist es wichtig, dass die Banken "ihre Hausaufgaben machen": Sie müssen sich für spezialisierte Versicherungsprodukte öffnen, diese so dicht wie möglich an Bankprodukte und Services knüpfen und dann schwerpunktmäßig in die digitalen Kommunikations- und Geschäftskanäle der Banken einführen.

Damit könnten sie vergleichsweise schnell neue Potenziale erschließen, vor allem in Produktkategorien, die heute noch eine untergeordnete Rolle spielen. Unter dieser Voraussetzung besteht die Chance, dass Banken weiterhin zu den bedeutendsten Vertriebskanälen für Versicherer zählen oder werden können.

Zum Autor Ulrich Wiesenewsky, Leiter Distribution Services, Willis Towers Watson GmbH, Frankfurt am Main
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