Regulierung

Bankenregulierung - eine Digitalisierungsbremse? - Standpunkte aus der Politik

Hemmt die Regulierung der Fortschritt der Banken bei der Digitalisierung? Diese Frage hat die Redaktion allen Fraktionen des Deutschen Bundestags gestellt. In der Zeit der Suche nach einer Regierungsbildung sahen sich zur Beantwortung dieser Frage nur CDU/CSU, FDP und SPD imstande. Die Redaktion bringt ihre Stellungnahmen in alphabetischer Reihenfolge nach Fraktionsnamen. Die Schnittmengen sind bei dieser Thematik allerdings hoch: Die Bankenregulierung war und ist notwendig. Sie muss aber künftig deutlich stärker als bisher differenzieren, um gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Anbieter zu erhalten und insbesondere regionale Kreditinstitute nicht zu benachteiligen. Das bedeutet auch mehr Regulierung für Fintechs. Darin sind sich die drei Fraktionen einig. Die FDP warnt auch bei der Fintech-Regulierung vor Einheitslösungen - der unterschiedlichen Geschäftsmodelle wegen, aber auch, um die innovativen Unternehmen nicht zu vertreiben. Als Vorbild könnte die britische Sandbox-Regulierung für Neugründungen dienen. Das kommt der SPD-Forderung sehr nahe, die Fintechs der Aufsicht durch die BaFin zu unterstellen, im Gründungsprozess jedoch eine vereinfachte Aufsicht zu praktizieren. Die CDU/CSU-Fraktion betont dabei, dass Banken und Fintechs gleichermaßen für Datenschutz und Sicherheit sorgen müssen. Auch die Fähigkeiten der Aufsicht in Sachen Digitalisierung und IT-Sicherheit gelte es deshalb zu stärken. Red.

CDU/CSU Fraktion im Deutschen Bundestag

"Wir wollen jetzt nicht den Rückwärtsgang einlegen"

Wir mussten seit dem Ausbruch der Finanzkrise sehr viel regulieren: zum Beispiel wurden die Eigenkapitalvorschriften verschärft, die sogenannte Haftungskaskade im Falle einer Bankenabwicklung eingeführt und die Aufsicht schlagkräftiger aufgestellt. Banken mussten sich da Einiges gefallen lassen. Vergessen darf man an dieser Stelle aber nicht, dass die Regulierung kein Selbstzweck ist und als Konsequenz aus der weltweiten Finanzkrise notwendig war. Viel Vertrauen ging auf dem Weg verloren. Vertrauen, das nicht die Politik oder der Kunde verspielt hat, sondern die Banken selbst. Hätten alle Beteiligten verantwortungsbewusst gehandelt und beraten, würden wir nur über Finanzmarktförderung und nicht über Regulierung diskutieren. Es war daher richtig, die Regulierung nach der Lehman-Krise zügig voranzutreiben, um das verlorengegangene Vertrauen zurückzugewinnen. Dies ist zu großen Teilen auch gelungen.

Weitere Reformen notwendig?

Vor weiteren Schritten wollen wir aber zunächst evaluieren, was an Fortschritten im Bereich des Verbraucherschutzes und in der Finanzmarktstabilität erreicht wurde. Dabei wollen wir insbesondere prüfen, ob die Ziele, die mit der jeweiligen Regulierung erreicht werden sollten, auch erreicht wurden, oder ob wir nachjustieren müssen.

Das heißt aber nicht, dass wir jetzt "den Rückwärtsgang einlegen" wollen. Wer die Deregulierung fordert, hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Vielmehr gibt es einen stetigen Prozess, der Banken und Politik zum Handeln zwingt. Dieses Regulierungshandeln muss zielgerichtet sein und jederzeit die Wechselwirkungen zwischen den Maßnahmen berücksichtigen. Dies gilt umso mehr, als das deutsche Bankensystem von vielen Besonderheiten geprägt ist.

Proportionale Regulierung muss ermöglicht werden

Eine Besonderheit sind die vielen regional begrenzt tätigen Finanzinstitute, die ihre Region mit Krediten versorgen. Bei der Umsetzung der Basler Eigenkapitalvorschriften in europäisches Recht gilt es daher, darauf zu achten, dass eine proportionale Regulierung ermöglicht wird, die der Finanzstabilität, der Finanzierung sowie der Wettbewerbsfähigkeit der Realwirtschaft und insbesondere des Mittelstandes, sowie der Struktur und den bewährten Besonderheiten der deutschen Kreditwirtschaft angemessen ist.

Daher wollen wir, dass die Regulierung eine Differenzierung zwischen den Banken dergestalt berücksichtigt, dass kleinere, nicht international tätige Banken wegen ihres geringeren Risikos von sie belastenden Regeln ausgenommen oder zumindest in nur geringerem Maße betroffen werden ("Small Banking Box").

Chancen der Digitalisierung nutzen!

Die Digitalisierung ist eine Herausforderung, die Politik und Banken gleichermaßen beschäftigt. Je nachdem, mit wem man spricht, kann man Digitalisierung als Chance oder Gefahr verstehen. Wichtig ist, dass Politik für Rahmenbedingungen sorgt, die auf der einen Seite die Gefahren der Digitalisierung beschränkt und auf der anderen Seite innovative Prozesse ermöglicht.

Innovation und Fortschritt wollen wir daher unterstützen. Für sogenannten Fintechs heißt das, Rahmenbedingungen zu schaffen, die das Spannungsverhältnis zwischen Nutzerfreundlichkeit und Einhaltung aufsichtsrechtlicher Pflichten berücksichtigt und löst. Es gilt der altbewährter Grundsatz: So wenig Regulierung wie möglich, so viel wie nötig.

Bei etwaigen Regulierungslücken, bei denen Verbraucher und/oder Wettbewerber geschädigt werden, oder dort, wo keine Transparenz herrscht, werden wir handeln. Aus unserer Sicht darf es aber keine Regulierungsunterschiede geben. Es muss auch hier ein "Level-Playing-Field" geben.

Risiken erkennen und beschränken

Die Digitalisierung birgt auch Risiken, die es zu verhindern gilt. Nahezu täglich berichten Medien über Kryptowährungen wie Bitcoin oder über Initial Coin Offering (ICOs). Insbesondere die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und die Deutsche Bundesbank zeigen sich mehr und mehr besorgt über den Hype um diese Themen.

Wie immer ist es auch an dieser Stelle das Ziel der Union, eine ausgewogene Balance aus schlagkräftiger Aufsicht, kluger Regulierung und Möglichkeit zur Innovation zu finden.

Fähigkeiten der Finanzaufsicht im Bereich Digitalisierung stärken

Voraussetzung für ausgewogene Regelungen ist aber, dass Banken und Fintechs gleichermaßen sorgfältig für Sicherheit sorgen. Die Daten der Kunden sind ein hohes Gut und müssen bei Banken und Fintechs in guten Händen sein. Werden hier Fehler gemacht und Vertrauen verspielt, so wird es schwer, dieses Vertrauen zurückzugewinnen. Und die Systeme müssen so aufgestellt sein, dass Cyber-Angriffe abgewehrt werden.

Daher wollen wir die Fähigkeiten der Finanzaufsicht im Bereich Digitalisierung und IT-Sicherheit stärken und auch die Zusammenarbeit mit allen zuständigen Aufsichts- und Sicherheitsbehörden intensivieren.

Die Union wird weiterhin für eine zielgerichtete Regulierung einstehen, die die Digitalisierung der Prozesse in den Banken und neue Ideen durch Fintechs ermöglicht und dabei Risiken durch neue Produkte und Cyberkriminalität weitgehend beschränkt.

Antje Tillmann, MdB, Finanzpolitische Sprecherin, CDU/CSU-Bundestagsfrakation

SPD

"Die Ungleichheit bei der Finanzaufsicht ist aufzuheben"

Banken beschäftigen sich schon seit einigen Jahren intensiv mit dem Thema Digitalisierung. Der digitale Wandel bei Banken heißt Geschäfts- und Informationstechnologie (IT)-Prozesse mithilfe relevanter Daten und geeigneter IT-Systeme zu unterstützen und zu automatisieren. Die Banken werden im Rahmen der Digitalisierung mit technologischen Entwicklungen und Innovationen konfrontiert, die sowohl die IT an sich als auch die Organisation der Geschäftsprozesse von Banken betreffen. Das Banking-Geschäft muss ganzheitlich neu strukturiert werden. Und dabei gilt es auch zu beachten, dass die Welt eben nicht binär ist. Menschen wollen etwas von einer Bank, wir sagen "B2C", wenn wir besonders liebevolle Kundenbeziehungen beschreiben wollen. Diesen Aspekt gilt es nicht aus den Augen zu verlieren. Digitale Innovationen können zu Effizienzsteigerungen der IT-Prozesse und Produktivitätsverbesserungen im Bankbetrieb führen. Gleichzeitig bieten Technologien die Möglichkeit, innovative Bankprodukte und Services zu entwickeln, um sich damit am Markt zu positionieren. Digitalisierungspotenziale sehen die Banken in mehreren Handlungsfeldern.

- So geht es derzeit vorrangig darum, die Performance der Geschäftsprozesse zu verbessern und diese auf neue digitale Technologien und Strategien hin auszurichten und zu flexibilisieren.

- Ebenso geht es darum, die Gesamtbank neu auszurichten und sich auf die neuen Wettbewerber, die Fintechs, einzustellen.

Das Wort Fintech setzt sich zusammen aus "Financial Services" und "Technologies". Dabei handelt es sich in der Regel um kleine, junge und innovative Unternehmen, die durch moderne, meist internetbasierte Technologien den Kundennutzen bei Finanzdienstleistungen und finanznahen Dienstleistungen optimieren wollen. Fintechs verbinden technologische Entwicklungen mit den Wünschen internetaffiner Kunden nach attraktiven Produkten, Diensten und Prozessen.

Dabei treten diese neuen Wettbewerber der klassischen Banken oft nicht als eine Art "Vollbank" für die Kunden auf, sondern sie suchen sich lukrativ erscheinende einzelne Bereiche heraus, in denen sie einen Vorteil sehen. Fintechs ergänzen oder ersetzen die Angebote von Banken oder sie sind zwischen dem Kunden und der Bank. Sie treten entweder selbst als Anbieter oder Vermittler von solchen Dienstleistungen gegenüber dem Kunden auf oder sind Bestandteile der Wertschöpfungskette von Finanzdienstleistern.

Finanzsystem stabilisieren und Anlegerschutz verbessern

Seit Beginn der Finanzmarkt- und Bankenkrise vor zehn Jahren und den daraus resultierenden Forderungen nach einer Eingrenzung potenzieller Risiken im Finanzsektor wurde eine Vielzahl von Maßnahmen zur Regulierung auf dem Weg gebracht. Die Bankenregulierung ist also international als Lehre aus der Finanzkrise strenger aus gestaltet worden. Die Ziele sind, das Finanzsystem zu stabilisieren, negative Auswirkungen neuerlicher Krisen auf Marktteilnehmer und Volkswirtschaften bestmöglich zu verhindern sowie die staatliche Haftung und Verwendung von Steuergeldern für Verluste der Banken auszuschließen.

Im Rahmen der Bankenregulierung sind insbesondere die Europäische Bankenunion, die Basler Eigenkapitalregeln, der finanzielle Anlegerschutz sowie die Europäische Kapitalmarktunion zu nennen. Einzelne, nicht minder wichtige Regulierungsvorhaben, wurden allerdings im politischen Einigungsprozess zerrieben, die Lösungen sind unterkomplex und ihre Krisenpräventionswirkung begrenzt. Als Beispiel denke ich an die Implementierung eines Trennbankensystems.

Durch die Schaffung einer Europäischen Bankenunion wurden neben einer Europäischen Bankenaufsicht für systemrelevante Banken bei der Europäischen Zentralbank auch gemeinsame Strukturen und Regeln für die geordnete Abwicklung von Banken und eine Harmonisierung der Einlagensicherung eingeführt. Die erhöhten Basler Eigenkapitalanforderungen und strukturellen Vorgaben sollen Banken künftig daran hindern, durch eine übermäßig spekulative Ausrichtung ihres Geschäfts erneut anfällig für Krisen zu werden.

Künftig stärker nach Geschäftsmodell und Größe unterscheiden

Durch die Umsetzung der europäischen MiFiD II-Richtlinie durch das erste und zweite Finanzmarktnovellierungsgesetz wird der Anlegerschutz weiter verstärkt, zum Beispiel durch verbesserte Transparenz über die Kosten von Finanzdienstleistungen und durch die Bestimmung eines Zielmarktes für Finanzinstrumente. Auf europäischer Ebene werden im Rahmen einer Kapitalmarktunion zusätzliche Finanzierungsmöglichkeiten insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen geschaffen und der freie Kapitalverkehr unter Berücksichtigung von Verbraucherschutzgesichtspunkten gestärkt.

In den Kreditinstituten haben die Regulierungsmaßnahmen zu umfassenden und einschneidenden Anpassungsmaßnahmen geführt. Sie wirken sich auch auf ihre Geschäftsmodelle aus.

Politisches Ziel ist, dass künftig bei der Regulierung stärker danach unterschieden wird, ob es sich um Sparkassen, Genossenschaftsbanken, Förderbanken beziehungsweise kleine und mittlere Privatbanken handelt oder um systemrelevante Großbanken. Der Proportionalitätsgrundsatz muss also künftig bei der Bankenregulierung eine größere Rolle spielen.

Digitalisierung hilft bei der Compliance

Die Umsetzung regulatorischer Bestimmungen fordert die Informationstechnologien der Banken. Hier schließt sich der Kreis zwischen Bankenregulierung und Digitalisierung. Denn ein angemessenes und hochleistungsfähiges Berichtswesen ist nur mit einer qualitativ guten Datenbasis und entsprechenden Datenverarbeitungssystemen möglich.

Digitalisierung kann in diesem Sinne für die Banken einen Beitrag dazu leisten, Regulierungsanforderungen besser zu bewältigen. So können zum Beispiel externe Pflichtberichte und interne Reportings einfacher erstellt und verbessert werden.

Einen besonderen Zusammenhang zwischen Digitalisierung und Regulierung findet man bei den Fintechs. Sie stellen mit ihrer Geschwindigkeit in der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle auch die Finanzaufsicht vor große Herausforderungen. Zusätzlich besetzen sie gezielt nicht von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) regulierte Geschäftsfelder, wie zum Beispiel als Vermittler von Finanzdienstleistungen.

Fintech-Regulierung prinzipiell ausweiten

Um diese Ungleichheit bei der Finanzaufsicht aufzuheben, ist es schon lange eine Forderung der SPD-Bundestagsfraktion, die Kontrolle der Finanzanlagenvermittler über die Gewerbeordnung aufzulösen und einheitlich der BaFin zu unterstellen. Die BaFin hat die bislang unterschiedliche Regulierung von Banken und Fintechs erkannt und stellt ihnen für die am häufigsten auftretenden Geschäftsmodelle aufsichtsrechtliche Hinweise zur Verfügung.

Die SPD-Bundestagsfraktion wird sich für eine prinzipielle Ausweitung der Fintech-Regulierung stark machen. Aus regulatorischer Sicht gilt die Vorgabe, dass Fintechs im aufsichtspflichtigen Bereich die gleichen Vorgaben einzuhalten haben wie klassische Banken. Wer gleiche Dienste anbietet, muss auch den gleichen regulatorischen Regelungen unterworfen werden.

Koexistenz von Banken und Fintechs als neuer Normalzustand

Um die Entstehung von Fintechs und ihrer innovativen Produkte zu fördern, sollten sie dennoch gerade am Anfang ihrer unternehmerischen Entwicklung unter eine vereinfachte Aufsicht der BaFin gestellt werden. Dabei dürfen gute Beratung und der Schutz der Kunden nicht infrage gestellt werden.

Die Koexistenz von Banken und Fintechs kann als neuer Normalzustand des Bankenmarktes bewertet werden und Banken sollten sich strategisch darauf einrichten. Für Banken stellt die eigene Fähigkeit, Regulierungen effizient umzusetzen, einen zentralen Vorteil da, den sie auch in mögliche Kooperationsverhandlungen mit Fintechs einbringen sollten.

Regulierung ist keine Bremse für die Digitalisierung

Neben der notwendigen schärferen Regulierung stellt auch das gegenwärtige Niedrigzinsumfeld die Banken vor großen Herausforderungen. Unter den niedrigen Zinsen leidet perspektivisch die Profitabilität von Kreditinstituten. Auch vor diesem Hintergrund ist es wichtig, dass sie ihre Geschäftsmodelle hinterfragen und dabei die Chancen der Digitalisierung konsequent nutzen.

Die Bankenregulierung war und ist die richtige Antwort auf die Finanzmarktkrise. Noch vorhandene Lücken, wie zum Beispiel im Bereich des Trennbankensystems, sind weiter zu schließen. Die Regulierung ist insbesondere keine Bremse für die Entwicklung der Digitalisierung.

Fintechs sollen einheitlich von der BaFin beaufsichtigt werden, aber gerade im Rahmen der Gründungsfinanzierung einer vereinfachten Aufsicht unterliegen. Dies ist keine leichte Aufgabe, weil Arbitragegewinne winken und den fairen Wettbewerb stören können. Zudem muss künftig auch für Fintechs das Proportionalitätsprinzip der Regulierung angewandt werden. Für die internen und externen Geschäftsprozesse von klassischen Banken bietet die Digitalisierung gute Möglichkeiten, zum Beispiel bestehende Berichtspflichten aus der Regulierung besser zu bewältigen.

Lothar Binding, MdB, Finanzpolitischer Sprecher, SPD-Bundestagsfraktion

Fraktion der Freien Demokraten FDP

"Es ist durchaus sinnvoll, einzelne Elemente anzupassen"

Digitale Transformation, neue innovative Geschäftsmodelle, historisch niedrige Zinsen und zunehmende Regulierung prägen seit vielen Jahren die internationale Bankenlandschaft. Das klassische Banking hat sich dadurch zweifellos verändert.

Welche Schritte sind in den nächsten Jahren von zentraler Bedeutung? Welchen Stellenwert sollten wir der Differenzierung der Bankenregulierung geben? Welchen Einfluss hat die Regulierung auf die digitale Transformation und welche Rolle wird dabei eigentlich den innovativen Fintechs zuteil?

Zunächst muss konstatiert werden: Die Verschärfung der Bankenregulierung nach der Finanzkrise war zweifellos richtig. Auch wenn die regulatorischen Anforderungen unseren deutschen Banken und Sparkassen das Leben manchmal schwer machen - wir sollten von einer generellen Kritik der regulatorischen Anforderungen Abstand nehmen.

Mehr Zurückhaltung bei One-size-fits-all-Lösungen

Nichtsdestotrotz sollte man darauf verweisen, dass wir bei pauschalen One-size-fitsall-Lösungen, aufgrund einer übermäßigen Belastung für die kleinen und mittleren Banken, deutlich zurückhaltender agieren sollten als bisher. Es ist zwar erfreulich, dass es in der Regulation bereits heute einige Differenzierungen bezüglich des spezifischen Geschäftsmodells oder der Unternehmensgröße gibt (zum Beispiel im Berichtswesen oder bei den Offenlegungspflichten) - ausreichend sind diese aber keineswegs. So werden kleine und mittlere Institute nach wie vor von enormen Fixkosten belastet, die ihnen beispielsweise aus proportional höheren Personal- oder IT-Bedarfen entstehen.

Größere Institute profitieren gegenüber ihren kleineren Wettbewerbern derzeit bei der Bankenregulierung zweifellos von Skaleneffekten. Insgesamt gibt es zwei zentrale Gründe, die uns dabei besorgt stimmen sollten:

Erstens ist es problematisch - insbesondere im Hinblick auf die Anreizstruktur - wenn ausgerechnet die Regulatorik dazu führt, dass die Unternehmensgröße einen Wettbewerbsvorteil darstellt.

Zweitens müssen wir zwingend dafür sorgen, dass wir in der Finanzbranche für alle Marktteilnehmer gleiche Wettbewerbsbedingungen schaffen. Sobald es zu regulatorischen Anforderungen kommt, die einen spezifischen Teil der Institute besonders belasten, dann widerspricht das nicht nur jeglichen ordnungspolitischen Regeln, sondern vor allem ist es auch kontraproduktiv für den gesamten Markt.

Die Folgen liegen auf der Hand: Kleinere Institute werden vom Markt verschwinden, und die Diversität des Angebots für die Kunden wird sich schrittweise reduzieren. Eine Vereinheitlichung des Bankenmarktes wäre die logische Konsequenz.

Banken und Sparkassen die nötige Luft zum Atmen geben

Die Bundesregierung hat die Aufgabe, mit den deutschen Banken und Sparkassen den konstruktiven Dialog zu diesen Fragen fortzusetzen. Die Freien Demokraten suchen diesen Dialog seit vielen Jahren und werden auch künftig an lösungsorientierten Konzepten arbeiten, damit den Banken und Sparkassen auch die nötige Luft zum Atmen gegeben wird. Dabei geht es nicht darum, Anliegen der Branche blind zu folgen, dafür sind die Erfahrungen aus der Finanzkrise zu gravierend. Letztlich gilt aber doch: Die Kreditinstitute selbst müssen gehört werden, da sie am besten wissen, an welchen Stellschrauben Handlungsbedarf besteht und welche Belastungen mit welchen Eingriffen verbunden sind.

In Fragen der weiteren Regulation sollte zudem jetzt abwartend reagiert werden, zumal auch jenseits der Bundespolitik neue regulatorische Richtlinien (zum Beispiel Basel IV) ohnehin bereits in den Startlöchern stehen und aktuell auch die Umsetzung von Anacredit - erstmals 2018 - noch Kopfschmerzen bereitet, um nur einige Stichworte zu nennen.

Tandem aus Regulierung und Digitalisierung

Insgesamt befinden sich Banken und Sparkassen aktuell in einem historisch nie gekannten Spannungsfeld von Regulierung, historischer Niedrigzinsphase und Digitalisierung. Die oben angerissene Regulierung belastet die Flexibilität, die Niedrigzinsphase wirkt sich negativ auf die Einnahmeseite aus und die Digitalisierung verändert nicht nur das operative Geschäft, sondern vor allem auch den Wettbewerb.

Besonders herausfordernd wird es, wenn man einen Blick auf die Kombination aus Regulierung und Digitalisierung wirft, denn die regulatorischen Anforderungen ziehen enorme Folgen in Bezug auf die IT-Architekturen nach sich. So müssen zum Beispiel zunehmend detailliertere Reportings zur Verfügung gestellt werden - idealerweise in Echtzeit.

Die Banken und Sparkassen waren daher in den vergangenen Jahren gezwungen, Milliarden Euro in den Aufbau einer integrierten Finanz- und Risikoarchitektur zu investieren. In der Folge kam es zu einem enormen Anstieg der Datenkomplexität, die nicht nur finanzielle und personelle Ressourcen bindet, sondern auch stetig weitere Anforderungen an die IT-Infrastruktur stellt.

Relevanz von Fintechs spürbar gewachsen

Während sich die Institute des traditionellen Bankenmarkts also intensiv mit regulatorischen Anforderungen und digitaler Transformation beschäftigen und dafür massive Ressourcen bereitstellen müssen, wächst seit Jahren die junge und flexible Fintech-Szene. Mit kreativen und innovativen Produkten ergänzen sie in hohem Tempo die weltweite Bankenbranche und leisten dabei wesentliche Beiträge für einen dynamischen und wettbewerbsfähigen Finanzplatz.

Ob es um den Zahlungsverkehr, um die Kreditvergabe oder um das klassische Anlagegeschäft (vom Daytrading bis hin zur konventionellen Anlage) geht - viele Geschäftsmodelle bieten mithilfe neuester mobiler Lösungen einen enormen praktischen Effizienznutzen für die Kunden und nehmen den traditionellen Banken teilweise in radikaler Geschwindigkeit enorme Marktanteile.

Die Relevanz dieser jungen Unternehmen ist in den vergangenen Jahren spürbar gewachsen. So existierten in Deutschland einer Studie im Auftrag des BMF zufolge in 2015 433 Fintechs mit einem Marktvolumen von rund zwei Milliarden Euro. Ihr Stellenwert für den gesamten Finanzmarkt als Motoren für Innovation und disruptive Umbrüche - und damit auch als Partner der Banken - kann dabei gar nicht überschätzt werden.

Fintech-Regulierung mit Augenmaß

In einem Regulierungsvorschlag der Bundesbank forderte Präsident Weidmann Anfang des Jahres einen gemeinsamen europäischen Kriterienkatalog für die regulatorische Behandlung der Fintechs. Bei der Konzeptionierung der konkreten Regeln ist nun allerdings Vorsicht geboten:

Erstens müssen natürlich auch die Fintechs gewisse regulatorische Vorgaben erfüllen. Es darf vor allem durch das Ausnutzen von Schlupflöchern keine asymmetrische Wettbewerbssituation entstehen. Zweitens ist, analog zur gesamten Branche, auch bei den Fintechs von pauschalen Lösungen abzusehen, die der Diversität der Fintech-Szene nicht gerecht würden. Fintechs fokussieren sich aus Flexibilitäts- und Kostengesichtspunkten in der Regel lediglich auf spezifische Teilbereiche des Geschäftsmodells einer traditionellen Bank. Gleichzeitig gibt es am Markt aber sehr wohl auch Fintechs, die alle zentralen Teilbereiche des klassischen Bankgeschäfts bedienen. Eine Allround-Lösung für die gesamte Branche würde insofern eine kontraproduktive Wirkung entfalten.

Drittens müssen wir zwingend aufpassen, dass wir die innovativen Unternehmen durch überzogene Regulierung nicht vertreiben. Sollten die Regeln zu scharf formuliert werden, könnten derart hohe Markteintrittsbarrieren entstehen, dass diese eine Vollbremsung dieses Innovationsmotors für Deutschland auslösen können.

Wie sollten wir uns bei diesem Thema also positionieren?

Werben für eine differenzierte Betrachtung

Der deutsche Markt liegt im europäischen Größenvergleich aktuell nach Großbritannien auf Platz 2. Wir sollten diese gute Ausgangssituation, die sich durch den Brexit noch verbessern kann, nutzen und versuchen, durch kluge und faire Wettbewerbsbedingungen die Pole Position in der EU-27 anzustreben und zu behaupten - allerdings nicht auf Kosten der Qualität. Der internationale Vergleich zeigt, dass die deutsche Gesetzgebung derzeit auf einem guten Weg ist. Nichtsdestotrotz kommt es in der politischen Diskussion immer wieder zu einem Ruf nach einer deutlich strengeren Regulierung, um die Finanzmärkte sicherer und vertrauenswürdiger zu machen.

Die Freien Demokraten werben für eine differenzierte Betrachtung und für einen Blick auf internationale Best-Practice-Beispiele. Es ist in der derzeitigen Situation durchaus sinnvoll, einzelne Elemente anzupassen, um sowohl einen fairen Wettbewerbsrahmen zu erreichen als auch die Attraktivität unseres Standorts zu verbessern.

Regulatorischer Sandkasten in Großbritannien als Vorbild?

Dabei lohnt sich durchaus ein Blick nach Großbritannien, das mit dem sogenannten regulatorischen Sandkasten durchaus erfolgreich verfährt und im europäischen Größenvergleich bei den Fintechs derzeit mit Abstand den ersten Platz belegt. Die Fintechs erhalten dort die Möglichkeit, ihre Geschäftsmodelle kontrolliert im realen Kundenumfeld zu testen - ohne vorherige Lizenzverfahren durchlaufen zu müssen. Sobald der regulatorische Sandkasten verlassen wird, muss die Lizenz beantragt werden.

Das Konzept schafft dem Standort Großbritannien derzeit zwei wesentliche Vorteile: Einerseits wird in einer Testphase zunächst die Qualität und die Marktfähigkeit des Geschäftsmodells überprüft, womit vor allem auch ein Schutz für die Kunden generiert wird. Andererseits schafft man ein freundliches Klima für die Fintechs und damit einen attraktiven Standort.

Alles in allem hat die BaFin als deutsche Regulierungsbehörde mit der Einsetzung einer Fintech-Arbeitsgruppe, umfassenden Informationsunterlagen oder einer weitreichenden Auskunftsmöglichkeit bereits einige wichtige Schritte für das oben genannte Ziel unternommen. Dennoch gibt es, insbesondere im Vergleich mit Großbritannien, noch einiges zu tun, um unsere Standortattraktivität nachhaltig zu stärken. Denn insgesamt sollten wir zwingend aufpassen, diesen vielversprechenden Innovationsmotor nicht tot zu regulieren.

Christian Dürr, MdB, Stellvertretender Fraktionsvorsitzender, FDP-Bundestagsfraktion

Antje Tillmann , MdB, Vorsitzende der Arbeitsgruppe Finanzen , CDU/CSU-Fraktion, Berlin
Lothar Binding , MdB, Finanzpolitischer Sprecher, SPD-Bundestagsfraktion, Berlin
Noch keine Bewertungen vorhanden


X