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Entdecker, Trendscout, Enabler - zwei Jahre Sparkassen Innovation Hub

Martin Schaffranski, Foto: Genossenschaftsverband

Zwei Jahre nach dem Start des Sparkassen Innovation Hub zieht Martin Schaffranski ein Zwischenfazit: Die neuen Formate der Zusammenarbeit haben sich bewährt. Einiges, wie eine im ersten Quartal startende Testerplattform für Kunden, ist bereits vorzuweisen. Jetzt gilt es, Ideenfindung und Prototypisierung zu beschleunigen, damit aus Ideen schneller konkrete Produkte werden. Für 2019 steht zudem die Erweiterung des Fokus auf Versicherungs- und Immobilienthemen auf der Agenda. Red.

Im Lichte fortschreitender Digitalisierung und wachsender Herausforderungen durch globale Tech-Konzerne und Fintechs fällt Ende 2016 die Entscheidung, einen zentralen Think Tank innerhalb der Sparkassen-Finanzgruppe zu gründen.

Eine gemeinsame Initiative der Sparkassen, des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), des Deutschen Sparkassenverlags (DSV), der Finanz Informatik und der Star Finanz nimmt daraufhin Anfang 2017 in Hamburg die Arbeit auf und soll als zentrale Anlaufstelle für Fintechs innerhalb der Sparkassen-Finanzgruppe wirken.

Zu den Aufgaben des neu geschaffenen Sparkassen Innovation Hubs gehört unter anderem, kreative Impulse für sich ändernde Bedürfnisse und Nutzungsverhalten von Kunden, technische Innovationen und kundenzentriertes digitales Banking zu setzen. Zu fünft gestartet, entwickelt das inzwischen auf knapp 30 Mitarbeiter angewachsene Team seitdem neue Produkt- und Serviceideen für den größten deutschen Bankenverbund.

Herzstück Product Discoveries

Das Herzstück ihrer Arbeit bilden sogenannte Product Discoveries - damit ist ein zweiwöchiger Arbeitsprozess gemeint, in denen ein Team nach agilen Prinzipien ein spezifisches Kundenbedürfnis mit diversen Ideen testet und zu ersten digitalen Prototypen entwickelt. Auch Legosteine kommen hier gelegentlich zum Einsatz, um ein Thema zu Beginn einer neuen Arbeitsphase zu visualisieren. Mit aus der IT stammenden Methoden und Tools wie Scrum, Kan-Ban sowie Design Thinking, einem Ansatz zur Entwicklung kundenorientierter Produkte und Dienstleistungen, können interdisziplinäre Teams innerhalb kürzester Zeit zahlreiche Ansätze diskutieren, Ideen schneller bewerten und damit Entscheidungswege radikal beschleunigen.

Seit der Gründung des Hubs im Januar 2017 wurden rund 20 Product Discoveries in Hamburg durchgeführt. Fester Bestandteil der verschiedenen Teams sind stets Mitarbeiter aus den Sparkassen, der DSV-Gruppe und der Finanz Informatik. Das ermöglicht allen Beteiligten ein direktes und sehr realistisches Feedback zu einer möglichen Umsetzung der angestoßenen Produktidee.

Die Themen reichen von der gemeinsam mit dem Münchener Fintech Aboalarm entwickelten Idee, das Vertragsmanagement der Kunden in Verbindung mit dem Banking zu vereinfachen, über Prototypen für eine sparkasseneigene Wallet für Kryptowährungen bis hin zu Anwendungsfällen für das Firmenkundengeschäft, einer Taschengeld-App für Kinder oder intelligente Sparassistenten.

Nicht jede Idee des Sparkassen Innovation Hubs wird umgesetzt - Ideen dürfen bewusst auch verworfen werden, wenn beispielsweise das Kundenfeedback auf die Produktidee nicht positiv ausfällt oder sich eine Umsetzung nicht rentieren würde.

Wirtschaftliche Perspektive im Blick

Daher werden im Rahmen der Product Discovery nicht nur Prototypen umgesetzt, sondern auch die wirtschaftliche Perspektive für die Produkte betrachtet. Dabei wurde der S-Hub bewusst zunächst nicht als Umsetzungseinheit konzipiert. Die Übernahme von Produktideen bis zur Marktreife erfolgt bei etablierten Dienstleistern der Finanzgruppe.

Inzwischen sind einige der Produkt- und Serviceideen von einzelnen Sparkassen oder Verbundpartnern übernommen und umgesetzt worden oder befinden sich in der Umsetzung, sodass sie in naher Zukunft allen Sparkassen zur Verfügung stehen.

Zu den aktuell spannendsten Projekten gehören sicherlich das Vertragsmanagement mit Aboalarm, die Wertpapiersparen-Idee Fux und Sam, eine Lösung, die Kunden beim Management digitaler Werte hilft und perspektivisch den digitalen Nachlass regelt. Hier treten mit der Finanz Informatik, Deka und dem DSV starke Partner auf den Plan, um die jeweiligen Ansätze praktisch weiterzuverfolgen und auf eine nächste Entwicklungsstufe zu heben. Immer verbunden mit dem Ziel, möglichst schnell neue und digitale Produkte für ganz bestimmte Kundenbedürfnisse online zu bringen.

Tester-Plattform "Move" für Kunden

Was denken Kunden wirklich? Was bewegt sie? Und wie können Sparkassen davon am besten profitieren? Solche einfachen Fragen entscheiden in Zukunft über Erfolg und Irrelevanz. Der Prozess der Produktentwicklung hat sich verändert. Kunden, deren individuellen Bedürfnisse, Komfort und eine schnelle Anpassung auf das Kundenfeedback sind der Schlüssel für erfolgreiche digitale Produkte. Das bedeutet, die gesamte Produkt- und Serviceentwicklung beziehungsweise Weiterentwicklung muss darauf ausgerichtet werden.

Die Sparkassen-Finanzgruppe stellt ein flächendeckendes Allfinanzangebot für alle Teile der Bevölkerung sicher. Doch deren Bedürfnisse ändern sich gerade rasant. Insbesondere die jüngeren Generationen, die als Digital Natives eine komplett neue Mediennutzung in allen Lebensbereichen aufweisen, fordern neue Wege ein: Die Mediensozialisation hat Auswirkungen auf die Sparkassen und ihre zukünftigen Entwicklungen in der digitalen Welt, die eine Neuausrichtung erforderlich macht. Die Herausforderungen liegen im digitalen Umgang mit Kunden, Technologien, Mitarbeitern und den eigenen Strukturen.

Dass es der Sparkassen Innovation Hub mit der Ausrichtung auf die Kundenbedürfnisse der jüngeren, digital aufgewachsenen Generationen ernst meint, zeigt neben der konsequenten Ausrichtung der Arbeitsprozesse und den so entwickelten Produktideen ein weiteres neues Angebot, das innerhalb der ersten zwei Jahre entstanden ist: Ab dem ersten Quartal 2019 steht allen interessierten Sparkassen mit Move eine eigene Testerplattform zur Verfügung. Und mit ihr bereits zum Start mehr als 3 000 aktive Teilnehmer aller relevanten Zielgruppen. Die stetig wachsende Community beantwortet dabei grundsätzliche Fragen, bewertet Ideen und Konzepte und testet Prototypen von Apps und Services bis in kleinste Details. Damit wird der Kunde aktiv von Beginn an in die Produktentwicklung eingebunden.

Multibanking-Schnittstelle "Ahoi"

Das Thema Plattformökonomie und Plattformbanking ist in den vergangenen zwei Jahren ebenso in den Fokus des Hubs gerückt. Schnittstellen (APIs) oder Open Banking eröffnen Finanzinstituten und Drittanbietern neue Möglichkeiten, Innovationen mithilfe von innovativen Fintechs oder anderen Kooperationspartnern auszuprobieren und so das Banking für die Kunden komfortabler, vielseitiger, einfacher und damit kundenfreundlicher zu gestalten.

Nicht zuletzt deshalb ist gemeinsam mit der Finanz Informatik die hauseigene Multi-Banking-Schnittstelle Ahoi entwickelt worden, welche interessierten Fintechs zur Verfügung steht. Dies ermöglicht Unternehmen und insbesondere Fintechs eine Reihe unterschiedlicher Anwendungsmöglichkeiten - von der "einfachen" Anbindung an die APIs der deutschen Banken und Sparkassen in bestehende Prozesse bis hin zur Entwicklung völlig neuartiger - und im Idealfall - sparkassennaher Lösungen. Mithilfe des Know-hows der Sparkassen-IT können darüber hinaus gemeinsam mit Fintechs individuelle Use-Cases umgesetzt werden - teilweise über die PSD2 hinaus. Dabei kommen sowohl aktuelle Technologien und Standards als auch für Fintechs gewohnte agile Entwicklungsvorgehen zum Einsatz.

Dies sind wichtige Schritte, um Use-Cases auch außerhalb der bestehenden Lösungslandschaft der Sparkassen zu ermöglichen und so das Ökosystem der Sparkassen mit innovativen Lösungen zu erweitern, ohne dabei immer alles selbst entwickeln oder umsetzen zu müssen. Die Amazons dieser Welt machen das seit Jahren höchst erfolgreich vor - auch wir wollen als Plattform weitere Produkte und Services ermöglichen.

Künftig müssen wir vor allem Fintechs dabei unterstützen, Lösungen so bereitstellen zu können, dass sie regulatorischen Anforderungen genügen können. Das beginnt bei der Erlaubnis, Kontoinformations- oder Zahlungsauslösedienste bereitstellen zu können, und geht bis hin zu der Schaffung von Umgebungen für den sicheren Betrieb solcher Lösungen - zumindest für die Sparkassen-Finanzgruppe. Diese beiden Felder prüft der Sparkassen Innovation Hub derzeit intensiv.

Digitale Kompetenz aufbauen

Neben technischen und regulatorischen Voraussetzungen ist vor allem die richtige Einstellung entscheidend. Daher sind auch weitere Formate wie der Innovation Day, der künftig ein- bis zweimal im Jahr in Hamburg stattfinden wird, oder auch die Symbioticon mit ihrer "Meet-and-Greet"-Fläche zu wichtigen Standbeinen des Hubs gereift. Sie ermöglichen es, sich einerseits einem interessierten Publikum sowie der Fintech-Welt stärker zu öffnen. Zum anderen liegt darin eine zusätzliche Chance für Sparkassen und Verbundpartner, über die Mitarbeit am S-Hub hinaus, sich für digitales Denken und moderne Arbeitsweisen zu sensibilisieren und neue Impulse in die täglichen Abläufe zu integrieren.

Dahinter verbarg sich von Beginn an die Idee, bereits etablierte und erfolgreiche Strukturen, wie das FI-Forum oder bekannte Medien, mit parallelen Formaten zu ergänzen, die die digitale Denkweise des Hubs und seine eigenen Impulse bestmöglich für die Gruppe zum Ausdruck bringen. So hat der Hub neben diesen Veranstaltungen mit Goldilocks auch medial neue Wege beschritten. Als reiner Newsletter für Vorstände der Sparkassen gestartet, steht das Digital-Magazin mittlerweile allen Interessierten per Download als App zur Verfügung. Inhaltlich setzt diese auf einen journalistischen Teil, der aktuelle Neuigkeiten aus der Branche aufbereitet sowie auf einen S-Hub-eigenen Bereich mit den neuesten internen Ideen und Projekten.

Fest steht: Ergebnisse, der Zuspruch, die Herangehensweise an digitale Innovationen sowie das Interesse an einer Umsetzung von hier skizzierten Ideen sind nach den ersten zwei Jahren durchaus vorzeigbar. Die Eventformate, wie der Innovation Day und die Symbioticon, sind erfolgreich angelaufen und haben sich zu spezifischen Eigenmarken weiterentwickelt.

Ein wichtiges Anliegen war es zudem, mithilfe von Vorträgen, Führungen in den Räumlichkeiten des Hubs, Live-Übertragungen und Online-Votings oder durch Meet-and-Greet-Flächen auf den hauseigenen Veranstaltungen die gesamte Sparkassen-Organisation von Anfang an in das eigene Vorgehen einzubinden und somit dem Interesse der Gruppe bestmöglich gerecht zu werden.

Voraussetzung für fundierte digitale Entscheidungen ist in erster Linie der Aufbau von digitaler Kompetenz. Diese als ein Impulsgeber zusammen mit ganz vielen anderen Innovationsinitiativen der Sparkassen-Finanzgruppe in die Breite zu tragen, war und ist ein wichtiges Anliegen, das es auch in Zukunft weiterzuverfolgen gilt.

Klar ist aber auch, dass wir das eigene Arbeitsmodell, interne Strukturen und Abläufe sowie die gemeinschaftliche Arbeitsweise im Sparkassen Innovation Hub und in der Finanzgruppe stetig hinterfragen und verbessern müssen. Bei einigen Projekten des Sparkassen Innovation Hubs hat etwa anfangs der Mut gefehlt, Product Discoveries mit Blick auf einen überschaubaren Mehrwert schlicht zu verwerfen oder aufgrund mangelnder Aussichten auf eine erfolgreiche Umsetzung zu beenden und das Thema konsequent zu den Akten zu legen.

Ideenfindung und Prototypisierung beschleunigen

Es wird in Zukunft viel stärker darauf ankommen, Ideenfindung und Prototypisierung zu beschleunigen und die Begleitung beziehungsweise Übergabe in die laufenden Prozesse der jeweiligen Umsetzungspartner besser zu koordinieren. Sparkassen und insbesondere Fintechs, die zwar begrüßen, dass sie mit dem Hub einen zentralen und vertrauensvollen Ansprechpartner innerhalb der Gruppe gefunden haben, fragen sich zu Recht: Warum benötigen gemeinsam angestoßene Ideen so viel Zeit, um in konkreten Produkten zu münden?

Nachdem wir nun erste Ideen auf den Weg gebracht haben, müssen wir daran arbeiten, diese künftig schneller zur Verfügung zu stellen und hierfür Lösungen in der Finanzgruppe zu suchen. Dabei hoffen wir, auch politisch eine bessere Balance zu finden, uns nicht in philosophischen Fragen zu verzetteln, sondern die Chancen der Digitalisierung konsequenter zu ergreifen und stringenter in einen Testmodus überzugehen. Dafür bietet das Ökosystem Sparkassen-Finanzgruppe ideale Voraussetzungen - alle Beteiligten könnten noch viel stärker voneinander lernen, wenn sie Mechanismen zum Verproben mit beispielsweise regional begrenzten Testmärkten oder einer begrenzten Kundenanzahl finden, um daraus dann die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Damit ist die Sparkassen-Finanzgruppe auch langfristig in einer guten Position, die starke lokale Präsenz intelligent mit passgenauen digitalen Services zu verknüpfen und ihre Markenwahrnehmung und Relevanz auch für künftige Finanzkunden zu behalten und auszubauen.

Fahrplan für 2019: Insurtechs und Multibanking

Für das Jahr 2019 wird sich der Hub über den klassischen Retail-Kunden hinaus mit weiteren für die Sparkassen relevanten Zielgruppen und Themengebieten beschäftigen. Dazu gehören kleine und mittelständische Unternehmen, aber zum Beispiel auch Studierende. Zudem werden verstärkt finanzdienstleistungsnahe Bereiche wie Versicherungen oder Immobilien in den Fokus des Sparkassen Innovation Hubs rücken.

Hier hat es bereits erste Ansätze im Kontext der Sparkassen gegeben, aus der Produktideen wie eine zentrale, digitale Versicherungsmappe oder eine digitale Lösung zur Beratung beim Immobilienerwerb und dessen Finanzierung entstanden sind. Hierdurch sind Insurtechs, Proptechs und weitere Partner aus der Sparkassen-Finanzgruppe auf uns aufmerksam geworden, mit denen der Sparkassen Innovation Hub im Gespräch steht. Eine thematische Erweiterung, die aufgrund der weiterhin hohen Bedeutung des Provisionsgeschäftes in Zeiten einer anhaltenden Niedrigzinsphase auch für die Sparkassen sinnvoll erscheint.

Großes Potenzial steckt für den S-Hub 2019 darüber hinaus in der Schaffung der technischen und regulatorischen Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit mit Fintechs oder Start-ups allgemein. Die Weiterentwicklung der API-Struktur Ahoi und dem Ausbau als Plattform kann Fintechs bei der Umsetzung ihrer Ideen unterstützen. Die Symbioticon und andere Branchenevents haben bewiesen: APIs und Kooperationen werden in Zukunft eine Reihe von Mehrwerten für die Kunden ermöglichen. Je besser die Sparkassen Finanzgruppe aufgestellt ist, je früher Fintechs und Mehrwertservices ermöglicht werden, desto früher und besser kann der Verbund bei deren Gestaltung mitwirken und gewährleistet so in Zukunft die Markenwahrnehmung der Sparkassen. Die Wette auf API-Infrastrukturen ist eine von vielen, die wir eingehen sollten.

Martin Schaffranski, Leiter Sparkassen Innovation Hub, Hamburg
 
Zum Sparkassen Innovation Hub Der Sparkassen Innovation Hub ist das Innovation Lab der Sparkassen-Finanzgruppe und damit der Think Tank, der sich mit Konsumenten, technischen Innovationen und digitalem Banking beschäftigt. Er ist Anfang 2017 als gemeinsame Initiative der Sparkassen, des DSGV, des DSV, der Finanz Informatik und der Star Finanz ins Leben gerufen worden. Der Hub ist ein Geschäftsbereich der Star Finanz. Aktuell arbeiten drei interdisziplinäre Teams in agilen Projektstrukturen zusammen. Dabei sind jeweils die folgenden Fachkompetenzen vertreten: Product Owner, Business Development, User Experience, Design sowie Frontend- und Backend-Entwickler. Insgesamt arbeiten aktuell 30 Mitarbeiter vor Ort in Hamburg.

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