INSOLVENZ UND INKASSO

Forderungen gegenüber Gläubigern in der Unternehmenskrise

Martin Heidrich, Foto: Taylor Wessing

Bei der Beitreibung von Forderungen in der Krise eines Unternehmens, gibt es eine Reihe von Fallstricken, raten die Autoren. Vor allem ist es nicht ratsam, Forderungen besonders nachdrücklich geltend zu machen. Denn das kann im Insolvenzfall zur Anfechtung kommen, wonach erhaltene Zahlungen möglicherweise zurückgezahlt werden müssen. Beim Vorliegen von Ab- und Aussonderungsrechten halten es die Autoren auch für einen gangbaren Weg, einen Fremdantrag beim Insolvenzgericht zu stellen, um eine mögliche Insolvenzreife des Schuldners überprüfen zu lassen. Red.

Im täglichen Geschäftsleben kann sich der Forderungseinzug bei krisenbehafteten Schuldnern als echte Herausforderung gestalten. Die Schwierigkeiten für den Gläubiger beginnen bereits damit, ob beziehungsweise wann er die Krise des Schuldners erkennt und setzen sich bei der Auswahl der angemessenen Inkassomaßnahmen fort. Einen Überblick über die sich stellenden Problemfelder versucht dieser Artikel an die Hand zu geben. Die Autoren empfehlen genaues Hinsehen und Abwägen, bevor eine Forderung besonders nachdrücklich geltend gemacht wird.

Der Begriff Forderung bezeichnet im juristischen Sinne einen schuldrechtlichen Anspruch, §§ 241 ff. BGB. Eine Forderung, die auf einem Schuldverhältnis beruht, ist damit von dinglichen Ansprüchen (also sachbezogenen) zu unterscheiden.

Eine Forderung (also ein schuldrechtlicher Anspruch) entsteht regelmäßig mit Abschluss eines schuldrechtlichen Vertrages. Ein Anspruch kann jedoch auch aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis hervorgehen. Ein solches entsteht, wenn alle gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorliegen (zum Beispiel § 823 BGB). Der entstandenen Forderung steht grundsätzlich eine Verbindlichkeit gegenüber, sodass die Forderung grundsätzlich erlischt, sobald die Verbindlichkeit erfüllt, erlassen oder beispielsweise aufgerechnet wurde.

Eine Forderung ist fällig, wenn der vereinbarte Leistungstermin erreicht ist und die entsprechend damit verbundene Leistungspflicht des Schuldners eintritt. Die Fälligkeit ist folglich der Zeitpunkt, ab dem der Gläubiger die Leistung gegenüber dem Schuldner fordern kann. Ist ein Leistungszeitpunkt nicht gesondert vereinbart oder ergibt er sich nicht aus den Umständen, so kann der Gläubiger die Leistung sofort verlangen und der Schuldner sie sofort erbringen, § 271 Abs. 1 BGB.

Zwangsvollstreckungstitel verlängert die Verjährungsfrist

Insofern ein Schuldner seinen Zahlungspflichten nicht nachkommt, stellt sich die Frage, wie man seine Forderung dann gegenüber dem Schuldner durchsetzen kann. Hierfür bietet sich die Zwangsvollstreckung als ein mögliches Mittel an. Die Zwangsvollstreckung kann jedoch nicht einfach aufgrund einer fälligen Forderung betrieben werden, sondern bedarf zuerst einmal der Titulierung der betreffenden Forderung. Der Zwangsvollstreckungstitel befugt einen dann zur Zwangsvollstreckung.

Grundsätzlich erhält man einen solchen Titel, indem man beim zuständigen Mahngericht einen Mahnbescheid beantragt. Gegen diesen kann der Schuldner innerhalb von zwei Wochen Widerspruch einlegen. Insofern er dies nicht tut, kann der Gläubiger beim Mahngericht einen Vollstreckungsbescheid beantragen. Sollte der Schuldner dem Mahnbescheid fristgemäß widersprechen, kann sich der Gläubiger überlegen, ob er ein gerichtliches Verfahren im Rahmen einer Zivilklage anstrengen möchte.

Darüber hinaus kommen als Zwangsvollstreckungstitel insbesondere in Betracht:

- Urkunden, in denen sich der Schuldner der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwirft,

- Prozessvergleiche mit vollstreckbarem Inhalt,

- rechtskräftige oder aber für vorläufig vollstreckbar erklärte Endurteile,

- für vollstreckbar erklärte Anwaltsvergleiche und

- Insolvenztabelle im Insolvenzverfahren (man beachte das Vollstreckungsverbot, § 89 InsO sowie die Restschuldbefreiung bei natürlichen Personen).

Zahlungsstockung oder Zahlungsunfähigkeit

Ein Zwangsvollstreckungstitel ermöglicht dem Gläubiger nicht nur die entsprechend zwangsweise Durchsetzung seiner Forderung, sondern sorgt auch für eine deutlich verlängerte Verjährungsfrist (grundsätzlich 30-jährige Verjährung - allerdings kürzere regelmäßige Verjährung der nach Titulierung auflaufenden Zinsen).

Grundsätzlich hat der Begriff "Krise" verschiedene Bedeutungen und wird im betriebswirtschaftlichen Sinne schon recht früh verwendet. Im juristischen Sinne besteht eine Unternehmenskrise, wenn die benötigte Finanzierung des Unternehmens von außen nicht mehr gesichert ist, also folglich eine Beschaffung von Fremdkapital zu marktüblichen Bedingungen kaum noch funktioniert. Dies ist insbesondere der Fall, wenn einer der in der InsO normierten Insolvenzgründe vorliegt (Zahlungsunfähigkeit, drohende Zahlungsunfähigkeit sowie die Überschuldung, § § 17 ff. InsO).1)

Die Insolvenzgründe sind jeweils im Gesetz gesondert definiert. So ist beispielsweise eine bloße sogenannte Zahlungsstockung (durch die Rechtsprechung entwickelter Begriff) vom Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit zu unterscheiden. Nicht jedwedes Ausbleiben kurzfristiger Liquidität soll nämlich direkt zum Insolvenzeröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit führen. Dem Schuldner wird - insbesondere wichtig, wenn es sich um eine Kapitalgesellschaft handelt - ein dreiwöchiges Zeitfenster zum Beheben des Liquiditätsengpasses eingeräumt.2) Ein solcher kurzfristiger Engpass ist folglich als Zahlungsstockung zu bewerten.

Definitionsgemäß ist demgegenüber die Zahlungseinstellung ein Indiz für das Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners. Eine Zahlungseinstellung liegt vor, wenn der Schuldner einen maßgeblichen Teil der fälligen Verbindlichkeiten nicht bezahlt.3)

Insolvenzanfechtung macht Zwangsvollstreckung angreifbar

Die Insolvenzanfechtung ermöglicht dem Insolvenzverwalter, Vermögensabflüsse, welche vor der Insolvenzeröffnung vorgenommen werden, rückgängig zu machen. Sie ist ein Ausfluss des Prinzips der gemeinschaftlichen Befriedigung, § 1 S. 1 InsO. Die Anfechtungsproblematik stellt sich insbesondere im Rahmen der Zwangsvollstreckung für die letzten drei Monate vor Eröffnungsantragstellung.

So ist nach ständiger Rechtsprechung des BGH eine im Rahmen der Zwangsvollstreckung beziehungsweise unter Vollstreckungsdruck erlangte Befriedigung (oder Sicherung) im benannten Zeitraum als i.S.v. § 131 Abs. 1 InsO inkongruent, also grundsätzlich anfechtbar. Vollstreckungsdruck (auch sogenannte Druckzahlung) ist, kurz gesagt, dann anzunehmen, wenn der Gläubiger deutlich zum Ausdruck gemacht hat, er würde zeitnah die ihm zur Verfügung stehenden Wege der Zwangsvollstreckung gehen, insofern der Schuldner nicht für eine Befriedigung der Forderung sorge.

Dabei ist jedoch auf die objektivierte Sicht des Schuldners abzustellen. So reicht beispielsweise ein Mahnschreiben aus, welches ohne konkrete Fristsetzung und unter Ankündigung der Zwangsvollstreckung, zur umgehenden Leistung auffordert.4)

Der Zwangsvollstreckung steht es insoweit gleich, wenn der Schuldner während der bereits im Gang befindlichen Zwangsvollstreckung zur Abwendung selbiger an den Vollstreckungsgläubiger leistet.5) Ebenfalls inkongruent ist eine Leistung des Schuldners, welche dieser unter, nicht zwingend expliziter, Androhung der Insolvenzantragstellung durch den Gläubiger tätigt.6)

Praxistipp - Vorsatzanfechtung

Darüber hinaus sind noch deutlich längere Anfechtungszeiträume im Rahmen von anderen Konstellationen möglich. Dafür ist nicht einmal kollusives Zusammenwirken von Gläubiger und Schuldner nötig, denn der sogenannte Benachteiligungsvorsatz sowie die Kenntnis davon werden in der Regel aufgrund äußerer Umstände (Beweisanzeichen) unterstellt.

Im Rahmen der Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO sind Rechtshandlungen bis zu zehn Jahre vor Insolvenzeröffnungsantrag anfechtbar. Auch wenn die Vorsatzanfechtung häufig als nebensächlich wahrgenommen wird, sollte erwähnt sein, dass sich ein sehr großer Teil der anfechtungsrechtlichen Rechtsprechung um diese Norm dreht. Diese möglichen Fallstricke sind hinsichtlich der Forderungseintreibung in der Krise des Schuldners zu beachten.

Verzugszinsen nach Insolvenzantrag sind nachrangig

Die Beitreibung einer Forderung kann auch durch einen Insolvenzantrag erfolgen. Hier muss der Gläubiger allerdings sowohl seine Forderung als auch den Insolvenzgrund durch präsente Beweismittel glaubhaft machen können. Andernfalls riskiert der Gläubiger unter Umständen zusätzliche Kostentragungen und Schadensersatzpflichten.

Hinsichtlich der Rangordnung ist zwischen einfachen Insolvenzgläubigern gemäß § 38 InsO und nachrangigen Insolvenzgläubigern gemäß § 39 InsO zu unterscheiden.

Einfache Insolvenzgläubiger sind solche, die einen zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung begründeten Vermögensanspruch gegen den Insolvenzschuldner zur Insolvenztabelle angemeldet haben, §§ 38, 174 ff. InsO. Diese werden sodann im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 1 InsO gemeinschaftlich gleichmäßig im Rahmen des Insolvenzverfahrens befriedigt.

Erst wenn die Insolvenzgläubiger im Sinne des § 38 InsO vollständig befriedigt wurden, werden die nachrangigen Insolvenzgläubiger in der Reihenfolge des § 39 Abs. 1 InsO, je nach Rang, gemeinschaftlich befriedigt. In der Praxis findet aufgrund der nach wie vor niedrigen Quoten eine Befriedigung der nachrangigen Gläubiger nur in Ausnahmefällen statt, wenn eine gesonderte Forderungsanmeldung auch erst nach expliziter Aufforderung durch das Gericht stattfindet, § 174 Abs. 3 S. 1 InsO.7)

Ein besonderes Augenmerk ist in diesem Zusammenhang auf Zinsen und Säumniszuschläge zu lenken. Zinsen und Säumniszuschläge, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens angefallen sind, gelten ebenso wie die Hauptforderung als einfache Insolvenzforderung im Sinne des § 38 InsO. Dahingegen sind Verzugszinsen, für die Zeit nach Verfahrenseröffnung, nachrangig im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 1 InsO.

Nachrang beeinträchtigt Banken in der Regel nicht

Mit Verfahrenseröffnung erlischt gemäß § § 116, 115 InsO auch der Bankvertrag als Geschäftsbesorgungsvertrag und zeitgleich das Kontokorrentverhältnis, sodass es zu einem außerordentlichen Saldenabschluss kommt. Infolgedessen können von diesem Zeitpunkt an keine Zinseszinsen, sondern lediglich einfache Zinsen vom, im Zweifel, negativen Schlusssaldo berechnet werden.8)

Keine Auswirkungen hat § 39 Abs. 1 Nr. 1 InsO auf die Haftung von Bürgen. Diesen können neben der Hauptforderung auch hinsichtlich der nach Verfahrenseröffnung aufgelaufenen Zinsen in Anspruch genommen werden.

Der beschriebene Nachrang beeinträchtigt jedoch Absonderungsberechtigte (in der Regel Banken) nicht. Denn bei der Berechnung der letztlichen Ausfallforderung ist auf § 50 Abs. 1 InsO abzustellen, welcher nach Ansicht des BGH nicht von der Anrechnungsreihenfolge des § 367 Abs. 1 BGB abweicht.9)

Dies hat zur Folge, dass zunächst Kosten sowie Zinsen und erst dann die Hauptforderung zu berücksichtigen sind. Dadurch wird der ermittelte Ausfall der Hauptforderung zuzurechnen sein, welche wiederum eine einfache Insolvenzforderung gemäß § 38 InsO darstellt.

Factoring als Option

Ein Forderungsverkauf, typischerweise auch Factoring genannt, ist natürlich auch mit Forderungen gegenüber Unternehmen in der Krise möglich. Rechtlich ändert sich dabei in der Regel nichts, es handelt sich weiterhin um einen zivilrechtlich nicht ausdrücklich geregelten aber verkehrstypischen Vertrag, im Rahmen eines Rechtskaufs, § 453 BGB. Hierbei haftet der Verkäufer der Forderung normalerweise lediglich für die Verität, also das Bestehen, die Abtretbarkeit und das sie nicht schon einem Dritten zusteht.

Dabei ist natürlich aufgrund des deutlich erhöhten Ausfallrisikos der Forderung gegenüber einem Schuldner in der Krise mit erheblichen Abschlägen beim Verkauf zu rechnen.

Befindet sich der Schuldner in der Krise, bieten sich letztlich drei Optionen:

Zum einen kann natürlich ein gewisser Druck auf den Schuldner ausgeübt werden, der sich aber eng im Rahmen des unter anderem benannten halten sollte, um sich nicht den weitreichenden Möglichkeiten der Insolvenzanfechtung auszusetzen.

Zudem gibt es grundsätzlich die Möglichkeit, einen Fremdantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens beim zuständigen Insolvenzgericht zu stellen, um die mögliche Insolvenzreife des Schuldners überprüfen zu lassen und damit gegebenenfalls zumindest eine quotale Befriedigung zu erreichen. Insbesondere beim Vorliegen von Ab- und Aussonderungsrechten ist dies eine durchaus gangbare Möglichkeit. Darüber hinaus besteht natürlich auch in der Krise der Weg des Factorings, wenn auch mit spürbaren Abschlägen.

Fußnoten

1) Hauschka/Moosmayer/Lösler, Corporate Compliance, § 31, Rn. 1.

2) Vgl. BGH ZIP 2011, 1416 (1417); 2007, 1469 (1470).

3) Andres/Leithaus/Leithaus InsO § 17 Rn. 4.

4) BGH NZI 2011, 189 (Rn. 8).

5) BGH NZI 2009, 297 (Rn. 21).

6) K. Schmidt InsO/Ganter/Weinland InsO § 131 Rn. 40.

7) Uhlenbruck/Hirte InsO § 39 Rn. 1 f.

8) Uhlenbruck/Hirte InsO § 39 Rn. 17.

9) BGH ZIP 2011, 579. N

Martin Heidrich, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Taylor Wessing Partnerschaftsgesellschaft mbB, Hamburg
 
Bastian Clement, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Taylor Wessing Partnerschaftsgesellschaft mbB, Hamburg

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