DIGITALISIERUNG

Frag Sina: Chatbot im Personalwesen

Markus Müller, Foto: Sparda Bank Hessen

Die Sparda-Bank Hessen hat eine Software-Umstellung in der Personalabteilung dazu genutzt, die Mitarbeiter durch Einführung eines virtuellen Assistenten zu entlasten. Dass dieses Ziel erreicht wurde und Chatbot Sina von den Beschäftigten gut angenommen wird, ist nach Einschätzung von Markus Müller der Einbindung der Mitarbeiter sowie der Kommunikationsstrategie zu verdanken. Nicht zuletzt ging es dabei darum, übertriebene Erwartungen im Vorfeld zu dämpfen. Der Einsatz von Sina auch in der Kundenkommunikation ist derzeit bestenfalls Zukunftsmusik, da hier die Anforderungen höher sind. Als gute Vorbereitung auf veränderte Kommunikationsgewohnheiten sieht Müller das System aber allemal. Red.

"Was muss ich bei einer Krankmeldung machen?", "Kann ich ein Jobticket beantragen?" oder "Wie stelle ich einen Urlaubsantrag?": Das sind einige der häufigsten Fragen, die im Bereich Personalverwaltung gestellt werden. Es ist nur natürlich, dass diese Fragen auch in einem etablierten Unternehmen immer wieder aufkommen. Neue Mitarbeiter haben gerade ihr Onboarding hinter sich, da fangen die Fragen auch schon an, an die man in der ersten Zeit nicht gedacht hat. Andere wechseln die Abteilung oder erhalten neue Aufgabengebiete. Auch Krankheitsfälle oder Vertretungen werfen immer wieder Fragen auf, mit denen man vielleicht das erste Mal in seinem Arbeitsleben konfrontiert ist, deren Beantwortung für die Institution aber Routine darstellt.

Meist möchte man dann schnell eine Antwort. Aber die Personalverwaltung ist nicht immer gleich erreichbar. Oftmals werden auch Zuständigkeiten zwischen den Organisationseinheiten der Personalwirtschaft nicht richtig unterschieden. Das kostet Zeit.

Wenn dann auch noch zeitgleich ein neues Computersystem für die Verwaltungsaufgaben im Bereich Personal etabliert werden soll, das vielfältige zusätzliche Vorbereitungen und Unterstützungen bei der Implementierung erfordert, kommen alle leicht an ihre Grenzen.

Mitarbeiter von Routineabfragen entlasten

Vor dieser Situation stand die Sparda-Bank Hessen Anfang des vergangenen Jahres, als klar war, dass die Personalverwaltung auf ein zeitgemäßes, digitales Verwaltungssystem umgestellt werden sollte und zunächst das Arbeitsaufkommen evaluiert wurde. Schnell war klar, dass die Mitarbeiter im Personalbereich, trotz avisierter Neuanstellung, schnell überfordert werden könnten, wenn keine Vorsorge für die alltägliche Arbeitsbelastung getroffen würde. Es lag nahe, nicht nur für die Verwaltungsaufgaben selbst, sondern auch für die Beantwortung von Personalfragen im Arbeitsalltag auf eine digitale, softwarebasierte Unterstützung zu bauen.

Das war der Start für Sina (Spardas Intelligente Nutzer Assistentin). Die Bearbeitung über einen Chatbot könnte eine praktikable und schnelle Alternative zur Lösung der genannten Problemstellungen bieten und wäre außerdem ein guter Showcase für eventuelle weitere Anwendungsfälle innerhalb der Bank, so die Idee. Die Mitarbeiter der Personalverwaltung und -betreuung könnten sich voll und ganz auf die Implementierung der Verwaltungssoftware und ihre sonstigen Kernaufgaben konzentrieren und wären durch die Unterstützung mit einem virtuellen Assistenten von Routineabfragen entlastet.

Bis zur Umsetzung war es aber noch ein weiter Weg. Bei den ersten Meetings war schnell klar, dass vor allem die Rahmenbedingungen und Ziele genau umrissen sein müssen. Aber es gab auch noch eine besondere Herausforderung: die interne Kommunikation des Projekts.

Keine übersteigerte Erwartungshaltung fördern

Beim Thema "Chatbot" sind die Erwartungen ungeheuer hoch. Schnell ist man beim Dauerbrenner "Künstlicher Intelligenz" und den scheinbar unendlichen Fähigkeiten solcher Systeme. Tatsache ist aber: Wir stehen in der Finanzbranche und darüber hinaus noch ganz am Anfang der Entwicklung. Insbesondere im deutschsprachigen Raum gibt es nicht viele zuverlässige Systeme, die auch ein gutes Preis-/ Leistungs-Verhältnis haben. Deshalb war es der Bank ein Anliegen, verantwortungsvolle Erwartungen zu kommunizieren. Ein paar Rahmenbedingungen waren von Beginn an klar:

- Die Entlastung der Personalverwaltung und -betreuung von Routineanfragen war das Hauptziel. Somit war das Themengebiet "HR" schon genau umrissen.

- Das System sollte als textbasierter, virtueller Assistent im Intranet der Sparda-Bank Hessen für alle Mitarbeiter jederzeit zugänglich sein.

- Außerdem galt es, die Latte zu Anfang nicht zu hoch zu hängen und bescheiden zu starten: Zunächst 50 der häufigsten Anfragen sollten trainiert und mit zuverlässigen Antworten, Prozessbeschreibungen und Lösungen ausgestattet werden, mit der Aussicht auf Erweiterung.

Sina lernt - und lernt und lernt und lernt ...

Man muss sich darüber im Klaren sein: Ein kognitives System kann nur so "intelligent" sein, wie seine grundsätzliche Konzeption es zulässt - und die Datenquellen, auf die es zurückgreifen kann. Für die Anlage, einen realistischen Funktionsumfang, ein systematisches Implementierungsvorgehen und selbstverständlich auch für die technische Umsetzung brauchte die Bank professionelle Unterstützung. Mit dem jahrelangen Software-Partner IBM wurde ein agiler Umsetzungsplan mit insgesamt drei Sprints und diversen Testläufen mit Unterstützung der Mitarbeiter aufgesetzt und auch die richtige Software-Mischung aus selbstlernenden "Machine-Learning"-Algorithmen, smarter Datenbankverknüpfungen und semantischer Spracherkennung gefunden.

Sina wurde in der Grundprogrammierung, basierend auf IBMs künstlicher Intelligenzsoftware "Watson", mit Datenquellen gefüttert. Insgesamt mehr als 600 Seiten Text und über 100 elektronische Datenquellen, wie Antrags- und Mailformulare und bestehende Intranet-Ressourcen, wurden angezapft. Schon im Verlauf der ersten Nutzertests wurden die Themengebiete von den ursprünglich 50 kontinuierlich auf bis heute rund 300 Themen aus geweitet, von A wie "Altersteilzeit" bis Z wie "Zeiterfassung".

Insgesamt sieben Testläufe

Bei den User-Tests konnten die Mitarbeiter das System auf Herz und Nieren prüfen und scheuten sich nicht, es auch herauszufordern. Ein bisschen Spielerei ("Sina, hast du einen Freund?") gehört natürlich auch dazu. Das war nicht zuletzt ein wichtiges Indiz für die Nutzerfreundlichkeit der Oberfläche. Hier nicht zu viele Beschränkungen aufzuerlegen, ist aus zwei Gründen wichtig:

1. Die Test-User sollen eventuelle Scheu vor dem neuen System verlieren. Das geht am besten in der unmittelbaren Interaktion.

2. Außerdem muss der virtuelle Assistent gerade im Verlauf der Sprints an seine Grenzen gebracht werden, um potenzielle Schwachstellen rechtzeitig zu identifizieren und auszubessern. Je mehr Input man dabei von den Mitarbeitern bekommt und je vielfältiger dieser ist, umso besser - auch für die zukünftige Akzeptanz der virtuellen Unterstützung.

So kamen insgesamt geschätzte 3 000 (seriöse) Testfragen zusammen. Die Gesamtbank an den Tests zu beteiligen (die Sparda-Bank Hessen hat aktuell fast 500 Beschäftigte mit 36 Filialen), war organisatorisch nicht möglich. Deshalb wurde bei der Zusammensetzung der Testgruppen besonders darauf geachtet, Beschäftigte aus allen Abteilungen zu finden, die sich dann auch als Multiplikatoren in ihre jeweiligen Einheiten betätigten. Im Verlauf der insgesamt sieben Testläufe wurde das aufbereitete Wissen kontinuierlich ausgewertet, optimiert und die technischen Parameter feinjustiert. Das Ergebnis ... ist ein Zwischenstand, denn das System lernt immer weiter.

Sina lernt mit jedem Dialog dazu. So werden die Antworten mit jeder Anfrage ein bisschen präziser und treffsicherer - und Sina wird schneller. Die Mitarbeiter sind Nutznießer der neuen Technik, aber gleichzeitig auch ihre wichtigsten Kritiker. Denn nicht nur über die aktuelle Interaktion mit Sina, sondern auch über das Feedback dazu kann das System sich verbessern. Im Dialog mit Sina können die Mitarbeiter Sina über eine einfache "Thumbs-up/ down"-Funktion unmittelbar Rückmeldung geben, ob sie mit ihrer Antwort zufrieden waren oder nicht. Es ist aber ebenso wichtig, auch qualitatives Feedback zu ermöglichen. Das machen wir beispielsweise über ein Forum im Intranet möglich, in dem bestehende Fehler gemeldet und Verbesserungsvorschläge gemacht werden können. Auch diese Anregungen fließen in die kontinuierliche Verbesserung von Sina ein.

Überwiegend positives Feedback

Zum 1. Januar 2019 war die technische Umsetzung nach vier Monaten Projektzeit und acht Monaten Vorbereitung abgeschlossen. Der Startschuss für den Go-live mit bankweitem Roll-out fiel am 28. Januar. Insgesamt waren in der ersten Woche rein quantitativ 1 418 Anfragen zu verzeichnen. Die Beantwortungen dieser Anfragen durch Sina wurden 215 Mal positiv und nur 34 Mal negativ bewertet. Qualitativ konnten von 761 sinnvollen An fragen 593 (= 78 Prozent) korrekt beantwortet werden.

Das Hauptziel, die deutliche Entlastung der Personalverwaltung und -betreuung von Routineanfragen, spielt sich inzwischen zur Zufriedenheit der Beteiligten ein. Die schnelle und unkomplizierte Hilfe im Intranet, ohne mühselige Suche im Organisationshandbuch oder in anderen Quellen, wird zunehmend geschätzt, denn Sina bietet auch eine schnellere Orientierung und Hinweise auf konkrete Ansprechpartner, sollte sie selbst bei einer Frage einmal an ihre Grenzen stoßen.

Als Fazit lässt sich festhalten: Virtuelle Assistenten sind nicht nur als Ressourcen-Entlastung zu betrachten, sondern als Teil der internen Kommunikationsstrategie. Die ersten Gehversuche von Sina sind für die Sparda-Bank Hessen sehr erfolgversprechend. Dies war aber nur möglich, weil im Vorfeld versucht wurde, ein paar Stolpersteine zu umgehen, die sich nicht auf der technischen, sondern auf der kommunikativen Ebene abzeichneten. Ein leistungsstarker, technischer Partner, wie das Team um Executive Partner Stephan Schwebe bei IBM, ist eine Grundvoraussetzung.

Denn bei der technischen Implementierung können immer unvorhergesehene Probleme auftauchen, für die man einen zuverlässigen und flexiblen Software-Profi braucht, der einem den Rücken für die Diskussion der unternehmerischen Implikationen des neuen Systems freihält. Wenn sich schon bei der Technik keine Verlässlichkeit erzielen lässt, sollte ein anderer Partner gesucht werden.

Die eigentliche Aufgabe der Führungsebene liegt darin, Akzeptanz für dieses neue System zu schaffen, also sich mit dem Kulturwandel auseinanderzusetzen, der damit einhergeht. Denn Sina ist, aus der Vogelperspektive betrachtet, nur ein kleiner Baustein im großen Mosaik der Digitalisierungsstrategie.

Mitarbeiterbeteiligung und interne Kommunikation

Für die Akzeptanz eines virtuellen Assistenten sind die interne Kommunikation und die Involvierung der Mitarbeiter unerlässlich. Die technische Leistungsfähigkeit versteht sich von selbst. Nur, wenn das System zunehmend zuverlässig wird, baut sich Vertrauen auf. Es gilt deshalb, möglichst viele Kollegen am Prozess der Umsetzung zu beteiligen. Die Unternehmenskommunikation kann dabei be raten und unterstützen, denn es geht um mehr als nur eine neue Software. Auch ein realistisches Erwartungsmanagement ist wichtig: Es muss klar sein, dass das System sich auch nach der Implementierung immer weiter verbessert und nicht als abgeschlossen betrachtet werden kann. Das ist nur möglich, wenn es auch tatsächlich genutzt wird. Deshalb darf man nicht nachlassen, die Beschäftigten dazu zu ermuntern.

Am Anfang ist dabei auch ein bisschen Geduld vonnöten, denn das kognitive System ist wie ein Kleinkind, das erst langsam laufen und sprechen lernt und dabei auf Unterstützung angewiesen ist. Das Wichtigste: Bescheiden bleiben und Schritt für Schritt gemeinsam vorwärts gehen. Denn Lernende sind wir in diesem digitalen Zeitalter alle - nicht nur die virtuellen Assistenten.

Einsatz in der Kundenkommunikation?

Es ist noch zu früh, um eine seriöse Prognose darüber abzugeben, ob Sina vielleicht einmal auch in der Kundenkommunikation eingesetzt werden kann. Das Standard-Bankgeschäft, wie Überweisungen oder Kontostandsabfragen, wird heute von Banking-Apps immer noch schneller und komfortabler erledigt (man denke nur an den zeitlichen Aufwand des Eintippens einer Frage).

Das heißt aber nicht, dass Sina in der Kundenkommunikation keine valide Rolle spielen könnte. Zunächst könnte sie auch hier Call-Center und Mitarbeiter von Standardanfragen, beispielsweise zu Filialöffnungszeiten oder Standorten von SB-Centern, entlasten, Effizienz steigern und eine schnelle Rund-um-die-Uhr-Versorgung der Kunden mit den wichtigsten Informationen gewährleisten.

Aber auch an dieser Stelle sollte gut abgewogen werden, ob die Investition lohnt, die bei einem Kunden-Chatbot wegen der erhöhten Sicherheitsanforderungen noch einmal ungleich höher sein wird. Die Logik und Technik hinter der Nutzeroberfläche "Chatbot" muss einfach stimmen.

Wenn es um den reinen Service geht, sollte man die eigene Homepage einer ehrlichen und ungeschönten Prüfung unterziehen, vor allem der Suchfunktion. Wenn sich hier Defizite ergeben, könnte sich die Investition lohnen.

Die Königsdisziplin, die personalisierte Beantwortung von Kundenanfragen oder gar die zuverlässige Abwicklung von Überweisungsaufträgen und an deren Bankdienstleistungen, wie beispielsweise die Einrichtung eines Dauerauftrags, die weit über die Funktionalitäten eines reinen Service-Chatbots hinausgehen, kann nur erfolgreich sein, wenn verlässlich alle Sicherheitsvoraussetzungen und die entsprechende Nutzerfreundlichkeit geschaffen sind. Ein Vorteil ist hier der Betrieb auf den bankeigenen Servern der heimischen Banking-IT. Denkbar wäre beispielsweise die möglichst nahtlose Zusammenarbeit zwischen Chatbot und menschlichen Kundenbetreuern, sei es über das Call-Center, per E-Mail oder im Austausch mit Beratern. Dafür müssen die Schnittstellen stimmen.

Auch hier ist eins wichtig: offene und transparente Kommunikation und Erwartungsmanagement. Die Kunden sollten jederzeit wissen, dass sie mit einer Maschine sprechen. Um einen entsprechenden Sicherheitsstandard zu gewährleisten, könnte Sina Kunden zunächst ausschließlich über den geschützten Bereich des Online-Bankings zur Verfügung stehen und dort dann gegebenenfalls komplexere Anfragen, wie zum Sparen und zur individuellen Budgetplanung, beantworten.

Dies alles ist aber noch Zukunftsmusik. Ein echter, technischer Durchbruch in diesem Bereich steht wohl erst noch bevor. Wir tasten uns zusammen mit Sina langsam vor und schaffen so eine solide Grundlage. Erst, wenn wir intern mit Sinas Unterstützung rundum zufrieden sind, werden eventuell weitere Schritte in Richtung Kundenkommunikation unternommen.

Eins ist aber auch klar: Die Kommunikationsgewohnheiten der Kundenändern sich und Chatbots werden zunehmend zum selbstverständlichen Kommunikationskanal. Aber auch sie müssen sich ins Gesamtbild des Kundenservice einfügen. Es lohnt sich, hier Vorkehrungen für die Zukunft zu treffen.

Markus Müller, Vorsitzender des Vorstands, Sparda-Bank Hessen eG, Frankfurt am Main

Weitere Artikelbilder

Noch keine Bewertungen vorhanden


X