Wie IT-Dienstleister die Filiale von morgen mitgestalten

Bild 13

Nach wie vor ist die Bankfiliale wichtig, um den Kontakt zum Kunden zu behalten. Der technologische Wandel bedingt aber eine Transformation des Filialnetzes. Um mit der Zeit zu gehen, müssen Tablets, Smartphones und Video-Lösungen integriert werden. Dazu braucht es nahtlos ineinandergreifende Software-Lösungen und IT-Dienstleister, die den Transformationsprozess begleiten. Red.

Drei- bis fünfmal pro Monat sucht ein durchschnittlicher Kunde derzeit seine Bankfiliale auf. Meistens geht er allerdings nicht in die Filiale hinein, sondern hält sich in der SB-Zone auf. Dort holt er sich seine Kontoauszüge und Bargeld. Den Bankmitarbeitern bleibt sein Besuch verborgen, ein Gespräch kommt nur selten zustande. Fast allen Banken und Sparkassen ist inzwischen klar, dass sich an ihrem Filialnetz etwas ändern muss, um den Dialog mit den Kunden zu intensivieren. Und das betrifft längst nicht nur die deutschen Institute - weltweit bewegen sich alle Geldhäuser weg vom traditionellen Filialsystem.

Studien zeigen, dass gerade die Filiale - obschon ihr Ende bereits propagiert wurde - der wichtigste Vertriebskanal für Bankprodukte ist und bleibt. Und das nicht zuletzt deshalb, weil sie den immer wichtiger werdenden Kundenkontakt garantiert. Damit kommt ihr eine neue Schlüsselrolle zu. Zudem wird sie auch immer wichtiger für das Markenimage einer Bank. Mehr als 80 Prozent der Banken glauben, dass eine Veränderung ihrer Filialen und Filialnetze notwendig ist, um weiterhin erfolgreich zu sein. Doch wo geht die Reise hin? Anhaltspunkte gibt eine Untersuchung des weltweit aufgestellten IT-Marktforschungs- und Beratungsunternehmens International Data Corporation (IDC). Sie zeigt vier Felder auf, in denen Bankfilialen auch künftig unabdingbar sein werden.

- Präsenz: Durch eine Filiale zeigt sich die Bank mit ihrer Marke vor Ort. Dabei spielen alle Filialformate eine Rolle, egal ob SB-Filiale, Video-Geldautomat oder Shop-in-Shop-System, denn auch Selbstbedienungsgeräte und unbemannte Mini-Filialen zeigen Flagge vor Ort. Um ständige Präsenz zu zeigen, muss die Filiale rund um die Uhr zugänglich sein.

- Interaktion: Werden mindestens 90 Prozent der Zahlungsverkehrs-Transaktionen automatisiert, bleiben den Mitarbeitern in der Filiale viel mehr Zeit und Raum für qualitativ hochwertige Beratungsgespräche. So können sie noch besser auf die individuellen Kundenbedürfnisse eingehen. Hierzu eignen sich Express-Filialen ebenso wie kompakte oder mobile Filialformate.

- Beziehungen: Stellt eine Filiale den persönlichen Kundenkontakt in den Fokus, wird sie vom Transaktionsort zum echten Kunden-Service-Zentrum. Hochwertige persönliche Beratung kann in einer Full-Service-Filiale ebenso geschehen wie in einem Community-Zentrum oder im Service-Point-Format.

- Innovation: Durch den 100-Prozent-Fokus auf Innovation differenziert sich die Bank vom Wettbewerb. In Flagship-Filialen wird modernste Technologie eingesetzt.

Filialstandorte optimieren

Laut dieser IDC-Studie werden Banken weltweit in den kommenden Jahren rund 16 Milliarden US-Dollar in die Filialtransformation und die dabei eingesetzten neuen Technologien investieren.

Dabei geht es zunächst um die Analyse des bestehenden Filialnetzes und dessen vorhandener Infrastruktur: Wie effizient ist ein Filialstandort mit Blick auf das Produktportfolio, den Beratungsaufwand und den damit erzielten Ertrag? Welche Produkte und Dienstleistungen generieren die höchsten Umsätze? Welche Produkte werden besonders häufig genutzt und wann wenden sich Kunden lieber an den Mitbewerber? Ist der Standort der Filiale bezogen auf die Kundenfrequenz noch optimal? Wann kommen wie viele Kunden in die Filiale? Wie sind die Kundenströme innerhalb des Raumes? Was tun die Kunden wo? Wo halten sie sich wie lange auf? Wie muss diese Filiale gestaltet sein, um optimalen Kundenservice bieten zu können? Welches der vorhandenen Geräte verursacht welche Betriebskosten? Beim Sammeln dieser Daten unterstützen Unternehmen wie Wincor Nixdorf die Banken.

Bereits bei dieser Analyse stellen sich neue Erkenntnisse ein: Filialen in Wohngebieten haben eine geringere Kundenfrequenz als früher, weil mehr Einwohner auspendeln. Vielleicht hat ein paar Straßen weiter ein großes Einkaufszentrum mit den darin stehenden Geldautomaten übernommen. Auszahlungsmöglichkeiten für Bargeld an der Supermarkt- oder Tankstellenkasse gab es früher nicht. Selbst Online-Banking ist für die junge mobile Generation zu stationär.

Verschiedenste Filialtypen nutzen

Mit diesem neuen Wissen als Grundlage geht es an den nächsten Schritt: die Differenzierung des bestehenden Filialnetzes. Unrentable traditionelle Standorte müssen geschlossen werden. Dafür entstehen an anderen Standorten neue Filialen, sodass die Neuaufstellung der Standorte nicht unbedingt mit einer Reduzierung von deren Anzahl einhergeht.

Als nächstes wird der für den jeweiligen Standort passende Filialtyp bestimmt. Die eine für alle Standorte passende Filiale gibt es nicht. Ein regional tätiges Geldinstitut wird wahrscheinlich nur seine Hauptstelle als Flagship-Filiale gestalten. Diese wirken wie eine Mischung aus Apple-Store und Hotel-Lounge, laden Kunden zum angenehmen Aufenthalt ein - und so erhalten die Berater Ansprechmöglichkeiten und Beratungsoptionen.

Mitarbeitergestützte Selbstbedienung ist großer Trend

In allen bemannten Filialen erlauben neue Softwarelösungen gebündelt mit modernsten Technologien neuartige mitarbeitergestützte Selbstbedienungskonzepte. Mithilfe von Tablets sieht ein Bankmitarbeiter, was welcher Kunde an welchem Geldautomaten macht. Benötigt der Kunde Unterstützung, kann der Mitarbeiter die Transaktion remote oder auch direkt am Gerät gemeinsam mit dem Kunden durchführen. Möchte zum Beispiel ein Kunde einen höheren Betrag von seinem Konto abheben, der sein Tageslimit übersteigt, kann der Mitarbeiter diesen Vorgang sofort autorisieren. Der Kunde erhält seinen Geldbetrag und der Bankmitarbeiter kann die Gelegenheit nutzen, seinen Kunden direkt anzusprechen.

Auf seinem Tablet sieht der Mitarbeiter auch, welche Marketingbotschaften an die anwesenden Kunden kommuniziert wurden und zu welchen Themen zuletzt Gespräche geführt wurden. So kann er den Kunden zielgerichtet ansprechen und qualifizierte Gespräche führen.

Kleinstfilialen sind nur mit wenigen Mitarbeitern bemannt. Diese können die alltäglichen Fragen rund ums Geld selbst beantworten und dabei helfen, Termine mit Experten zu organisieren. Die Spezialisten für die Anlageberatung oder die Baufinanzierung sitzen im Kompetenzzentrum des Hauses und werden per Videoberatung hinzugezogen werden. Auch hier wird das Tablet zum vollwertigen Arbeitsplatz und mitarbeitergestützte Selbstbedienungssysteme finden Anwendung.

SB-Filialen für den Standardbedarf

Mitarbeiterlose SB-Filialen decken in Zukunft den Standardbedarf der Kunden an Bargeldversorgung, Zahlungsverkehrstransaktionen und Finanzprodukten ab. Auch hier spielt die Möglichkeit, mit Mitarbeitern per Video-Kommunikation in Kontakt treten zu können, eine wachsende Rolle. Auch unter Kostengesichtspunkten ist es empfehlenswert, eine Video-Lösung auszuwählen, die auch in bereits aufgestellte Geräte nachträglich integriert werden kann.

Abhängig vom Markt und der Strategie des Instituts werden Ableitungen aus diesen primären Filialtypen gewählt, beispielsweise die mobile Filiale als Alternative zur Kleinstfiliale in Flächeninstituten. Auch die mitarbeiterlose Box, die nicht nur in Fernost, sondern auch bereits in einigen europäischen Ländern wie zum Beispiel in Polen weit verbreitet ist und die Präsenz der Bank gewährleistet, könnte in Deutschland Einzug halten.

Der Trend hin zu mehr Selbstbedienungstechnik entwickelt sich kontinuierlich weiter, die Geräte in der Filiale schlagen dabei auch die Brücke zu anderen Kanälen. In diesem Jahr werden die ersten über Smartphone bedienbaren Geldautomaten in Deutschland installiert. Der Kunde autorisiert dabei seine Auszahlung über eine Mobile App und erhält das Bargeld am Geldautomaten ohne Debit- oder Kreditkarte und kann die Transaktion schnell, bequem und sicher ohne Karte durchführen.

Integration von Filial- mit digitaler Welt

Generell wird der Erfolg einer neuen Filiale mit deren Akzeptanz durch den Kunden stehen oder fallen. Dazu müssen nicht nur die jeweiligen Kanäle Filiale, Online, Mobile jeweils für sich gesehen perfekt bedient werden. Vielmehr ist die Filiale komplett zu integrieren in die digitale Welt, in der sich immer mehr Kunden ständig bewegen und auch ihre Bankgeschäfte erledigen. Das ist eine enorme Herausforderung, eröffnet aber auch große Chancen. Ein überarbeitetes Filialnetz spart mit aktualisierter Filialstruktur und -ausstattung deutlich an Kosten ein.

Gegenüber der bestehenden Filialinfrastruktur gewinnt das Institut im Schnitt 30 Prozent mehr Effizienz. Erfahrungswerte belegen, dass auch die Kundenzufriedenheit dadurch steigt. Durch bessere Beratung, die sich durch rund 25 Prozent mehr Kundenkontakte manifestiert, erreicht die Weiterempfehlungsquote, also der Net Promoter Score, vorher nie dagewesene Höhen. Und nicht zuletzt können die Geldinstitute in den unterschiedlichen Filialtypen auch Innovationen einfacher ausprobieren.

Video-Kommunikation am Geldautomaten

Trotz des reduzierten Formates einer Mini- oder SB-Filiale sollte eine breite Service- und Beratungsvielfalt erhalten bleiben. Das wird durch moderne Technologien wie in die SB-Terminals integrierte Videokonferenzsysteme möglichen. Per Knopfdruck kann der Bankkunde direkt mit einem auf das gewählte Thema spezialisierten Bankberater kommunizieren.

Im Ausland sind solche SB-Systeme mit Videofunktion bereits verbreitet, in Deutschland werden gerade erste Pilotprojekte gestartet. Mithilfe dieser Technologie lassen sich auch erweiterte SB-Angebote abbilden, zum Beispiel die Eröffnung eines Kontos. Video-Technologie hilft, Distanzen zu überbrücken, Beratung in ländlichen Gebieten anzubieten und eine flächendeckende Präsenz zu gewährleisten.

Eine komplette und nahtlose Integration von Video-Lösungen in die bestehende IT- und Geldautomaten-Infrastruktur ist eine der Kernherausforderungen. Ein Geldautomat mit Videofunktionen übernimmt sowohl die Schalterkasse- als auch Selbstbedienungsfunktionen. Zudem sollte die Videolösung Hardwareun abhängig, das heißt ein Einbau in alle existieren Geldautomatenstrukturen möglich sein, egal wer der Hersteller des Gerätes ist. Nur dann müssen die Geldinstitute nicht in einen komplett neuen "Fuhrpark" an Geldautomaten invesieren.

Sicherheit steigt durch integrierte Software-Lösungen

Mit der Vielzahl an neuer Technologie, die in die Filialen Einzug hält, befürchten Mitarbeiter eine Zunahme der von ihnen zu bedienenden Software-Anwendungen. Dies ist dann nicht der Fall, wenn die Programme aus einer Hand kommen und daher alle Anwendungen der gleichen Bedienlogik folgen. Greifen die einzelnen Software-Komponenten ineinander, fühlen sich die Mitarbeiter wohl in der bewohnten Software und es sind weniger Schulungen nötig.

Spätestens seit dem NSA-Abhörskandal hat sich der Fokus vieler Kunden noch mehr auf der Sicherheit ihrer Finanzdaten gerichtet. Gerade bei Transaktionen per Smartphone befürchten viele Nutzer eine Anfälligkeit für Hacker und Viren.

Stattdessen steigt die objektive Sicherheit der Finanztransaktionen weiter an. Mobil initiierte Zahlungen werden bei Wincor Nixdorf beispielsweise auf einem einzigen Server gespeichert. Selbst wenn das Handy gestohlen wird, kann der Dieb im schlimmsten Fall nur diese eine Transaktion ausführen, nie das ganze Konto leerräumen. Somit ist das Bezahlen per Smartphone sicherer als mit der herkömmlichen ec-Karte.

Digitales Filialmarketing

Eine weitere wirksame Möglichkeit zur Interaktion zwischen Bank und Kunde ist das digitale Filialmarketing. Zentral über eine Software gesteuert, verstärkt dabei der Einsatz bewegter, interaktiver, individueller und regionaler Inhalte die Kundenbeziehung. Insbesondere Multi-Touch-Installationen machen Finanzprodukte "anfassbar" und schaffen ein völlig neues Filialerlebnis. Aus dem so geweckten Interesse entstehen Potenziale für additive Beratungsgespräche.

All diese neuen technischen Einzellösungen zeigen erst im Zusammenspiel ihre wahre Stärke. Eine Filialumgestaltung mit Einsatz von neuen Technologien und deren Steuerung durch auf integrierter Datenbasis aufsetzender Software ist dazu unerlässlich.

Personalisierte Marketing-Kampagnen über alle Kanäle werden so erst möglich. Durch eine Verzahnung der aus allen Kanälen stammenden Informationen wird zum Beispiel eine individuelle Ansprache am Geldautomat erreicht, individuelle Einstellungen und intuitiv bedienbare Touch-Oberflächen am SB-Terminal sorgen für eine schnellere Auszahlung.

Filial-Transformation duldet keinen Aufschub

Solch ein Umbauprozess des Filialnetzes und der Filial-IT klappt nicht von heute auf morgen. Erfahrungswerte zeigen, dass von der ersten Analyse über die Planung bis zum abgeschlossenen Rollout ein kompetenter und vertrauenswürdiger Partner wie Wincor Nixdorf an der Seite der Banken stehen sollte. Nur dieser garantiert, dass die zeitlichen und finanziellen Planungen eingehalten werden.

Vor allem die Dauer der Transformation sollten Finanzinstitute nicht unterschätzen - und daher gestattet die Umgestaltung des Filialnetzes keinen Aufschub. Wer zögert, wird sich in einer schlechteren Wettbewerbsposition wiederfinden, darüber sind sich die Experten einig. Und sind die Kunden erst einmal von der Filiale entwöhnt, ist es schwer, diese Gewohnheit wieder zu ändern.

Zum Autor

Christian Albrecht, Leiter Marketing und Business Development, Wincor Nixdorf International AG, Paderborn.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X