Altersvorsorge im Umbruch

Lebensversicherer müssen sich neu positionieren

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Vier Treiber macht Marcus Nagel aus, die neuen Wind in die Lebensversicherungsbranche bringen: die Flaute an den Kapitalmärkten, die die Sparanstrengungen der Verbraucher immer mehr lähmt, den demografischen Wandel und die immer größer werdende Versorgungslücke im Alter sowie nicht zuletzt die neuen Eigenkapitalvorschriften. Dennoch geht die Diskussion um die Lebensversicherer in eine falsche Richtung, so Marcus Nagel. Denn es wird dabei ausgeklammert, dass nur Versicherungen das biometrische "Langlebigkeitsrisiko" abdecken können. Die Branche braucht allerdings neue Produkte für verschiedene Zielgruppen. Und dabei verweist der Autor auf fondsgebundene Versicherungen und alternative Garantiemodelle. Red.

Digitalisierung, andauernde Niedrigzinspolitik, wachsende Kosten und höhere regulatorische Anforderungen - die Versicherungsbranche steht vor zahlreichen Herausforderungen. Auch das Kundenverhalten bereitet den Versicherungsvorständen Sorgenfalten. Denn die Nachfrage nach klassischen Lebensversicherungen lässt zu wünschen übrig.

Nach Angaben des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungsbranche e.V. ging die Zahl der Neuabschlüsse im Jahr 2013 um 11,4 Prozent auf 5,3 Millionen Verträge zurück. Die Beitragssumme des Neugeschäfts lag bei 145 Milliarden Euro und damit fast 20 Milliarden unter dem Vorjahresergebnis.

Auch wenn sich für 2014 ein Aufschwung unter anderem durch das Einmalbeitragsgeschäft abzeichnet, erwirtschaften die Lebensversicherer aufgrund der seit 2008 stetig gesunkenen Zinsen kaum noch Rendite.

Gleichzeitig müssen die Gesellschaften neuen gesetzlichen Vorschriften wie Solvency II gerecht werden und die in der Vergangenheit eingegangenen Garantieversprechen - in den neunziger Jahren mit bis zu 4 Prozent auf einen Lebensversicherungsvertrag - einhalten. Ein Umdenken und eine Neupositionierung der Versicherer sind unabdingbar.

Die Haupttreiber, warum sich Lebensversicherer neu positionieren sollten, liegen vor allem in den zu niedrigen Zinsen, der demografischen Entwicklung, der unverändert fortbestehenden Vorsorgelücke und den erhöhten Kapitalanforderungen durch Solvency II.

Flaute an den Kapitalmärkten

Auch Japan leidet bekanntlich schon lange unter niedrigen Zinsen - wenn man die deutsche und japanische Situation miteinander vergleicht, befindet sich Deutschland jetzt in etwa im Jahr acht, wo es in Japan zirka sieben Pleiten von Lebensversicherern gab. Um hier gegenzusteuern, muss die Branche wegkommen von der reinen umsatzgetriebenen hin zu einer wertorientierten Unternehmenssteuerung.

Die Zurich Gruppe Deutschland hat deshalb bereits 2007 mit dem Umbau des Produktportfolios begonnen und sich im Jahr 2013 gänzlich von den hauseigenen klassischen Lebensversicherungsprodukten verabschiedet. Zurich konzentriert sich auf Biometrie- und fondsbasierte Altersvorsorgeprodukte. Sie helfen Menschen, sich gegen die großen Unsicherheiten des Lebens abzusichern. Diese Mission soll mit den Produkten weiter unterstrichen werden. Gerade im aktuellen Marktumfeld sind sie Maßstäbe für ihre Leistungs- und Zukunftsfähigkeit der Versicherung.

Die Flaute an den Kapitalmärkten mit Zinsen auf dem Rekordtief von 0,05 Prozent belastet auch das Sparverhalten der Deutschen. Aus einer aktuellen Umfrage der Comdirect geht hervor, dass die Mehrheit, 80 Prozent der Bundesbürger, nicht an ein baldiges Ende der Niedrigzinsphase glaubt. 38 Prozent befürchten sogar, dass die Zinsen noch weiter fallen. Nur 20 Prozent rechnen damit, dass die Zinsen bald wieder steigen.

Immer weniger Sparanstrengungen

- In Folge legt nur noch jeder Zweite mehr als 100 Euro pro Monat auf die hohe Kante.

- Insgesamt sparen die Verbraucher nur noch sieben Prozent ihres Nettoeinkommens.

- Rund 14 Prozent wollen ihre Sparanstrengungen in Zukunft weiter reduzieren.

Demografischer Wandel erzwingt Anpassungen der Alterssicherung

Deshalb muss den Kunden bewusst gemacht werden, dass es Alternativen gibt und dass sich das Sparen für die Altersvorsorge gerade im aktuellen Niedrigzinsumfeld mit neuen Konzepten weiterhin lohnt.

Die demografische Entwicklung in Deutschland, wie auch in vielen anderen westlichen Industrienationen, ist seit Jahrzehnten geprägt von rückläufigen Geburtenzahlen bei gleichzeitig steigender Lebenserwartung.1) Diese Trends bewirken, dass die Relation von Menschen, die nicht mehr im erwerbsfähigen Alter (ab 65) sind, zu jenen im erwerbsfähigen Alter (15 bis 64) immer ungünstiger wird.

Da die Erwerbstätigen mit ihren Rentenversicherungsbeiträgen im sogenannten Umlageverfahren direkt die Renten der Ruheständler finanzieren, führt eine solche Entwicklung - weniger Beitragszahler, dafür aber mehr Leistungsempfänger - dazu, dass das bisherige Leistungs- und Beitragsniveau in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht aufrechterhalten werden kann. Dieser demografische Wandel ist mittlerweile deutlich spürbar.

Daher wird das Alterssicherungssystem in Deutschland fortwährend an die beschriebene Entwicklung angepasst. Seit der "Riester-Reform" im Jahr 2002 beruht es auf dem sogenannten Drei-Schichten-Modell. Nach diesem gedanklichen Leitbild soll idealerweise für jeden Einzelnen die Basisversorgung - die gesetzliche Rentenversicherung - durch zwei weitere Schichten ergänzt werden: nämlich eine betriebliche Altersversorgung als zweite Schicht sowie eine weitere ergänzende private Eigenvorsorge als dritte Schicht.

Nur Versicherer können das Langlebigkeitsrisiko auffangen

Der Aufbau der zweiten und dritten Schicht ist dringend notwendig, denn die Rentenreformen der Jahre 2002 bis 2007 haben das Leistungsniveau in der gesetzlichen Rentenversicherung bereits deutlich abgesenkt. Dieser Teil der gesetzlichen Rente, der für Rentner künftig wegfällt, soll durch private und betriebliche, kapitalgedeckte Versorgungen "ersetzt" werden.

Das ist eine Möglichkeit, die genutzt werden sollte, um das Knowhow eines Versicherers und Experten zur Absicherung von Langlebigkeitsrisiken einzusetzen. Denn nur Versicherer sind in der Lage, dieses sozialpolitische Problem aufzufangen.

Anlagemöglichkeiten für die 40- bis 60-Jährigen

Mit Blick auf die Alterspyramide wird deutlich, dass die Zielgruppe der 40- bis 60-jährigen bedeutend ist. Für sie müssten Anlagemöglichkeiten geschaffen werden, die ihren Ansprüchen nach Flexibilität und Liquidität gerecht werden.

Speziell für diese Zielgruppe hat Zurich daher Rentenversicherungsprodukte gegen Einmalbeitrag entwickelt - Vorsorgeflex und die Vorsorgegarantie Plus, die die Aspekte Liquidität sowie Sicherheit der Kapitalanlage mit der Chance, an einer positiven Entwicklung der Kapitalmärkte teilzunehmen, kombiniert.

Erwerbs- oder Berufsunfähigkeitsrisiko immer noch unterschätzt

Bei den Jüngeren ist es wichtig, Lösungen zur Absicherung des Einkommens zu bieten. Leider wird das Risiko einer Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit immer noch unterschätzt. Nach den Zahlen der Deutschen Rentenversicherung Bund werden in Deutschland jeder vierte Arbeiter und jeder fünfte Angestellte im Laufe ihres Lebens berufsunfähig. Jedoch sind nur die Wenigsten abgesichert.

Unsere Aufgabe besteht darin, für jeden Kunden und jede Lebenssituation die richtige und bedarfsgerechte Absicherung zu bieten. Daher hat Zurich in den vergangenen Jahren das Produktspektrum zur Einkommensabsicherung komplettiert. Nun bietet das Unternehmen neben der Erwerbs-/Berufsunfähigkeitsversicherung auch eine Schwere-Krankheiten-Police und einen Grundfähigkeits-Schutzbrief an. Mit dieser Produkterweiterung ist es nun möglich, jedem Kunden eine Absicherungsmöglichkeit zu bieten, die zu ihm passt.

Versorgungslücke wächst

In Anbetracht der aktuellen Marktsituation und der steigenden Lebenserwartung wird deutlich, dass die Versorgungslücke der Deutschen größer ist als je zuvor. Denn die Sparziele können bei der heutigen Zinssituation kaum erreicht werden.

Eine 30-jährige Bauzeichnerin mit einem Nettoeinkommen von 1.625 Euro im Monat zum Beispiel erhält bei Renteneintritt mit 67 Jahren rund 940 Euro im Monat von der gesetzlichen Rentenversicherung. Angenommen, sie möchte auch im Alter das Einkommen von 1 625 Euro halten, benötigt sie für die finanzielle Sicherheit zusätzlich 685 Euro im Monat, die sie bis zum Renteneintritt privat für das Alter sparen muss. Bei den heutigen Zinssätzen sind allerdings hohe Sparquoten erforderlich - in dem Beispiel sind es 21 Prozent vom Einkommen bei einem angenommenem Zinssatz von 0,50 Prozent - eine Sparleistung, die meisten Menschen nicht einhalten können.

Vorsorge mit fondsgebundenen Altersvorsorgeprodukten

Für Versicherer bedeutet das, dass sie mit Produktlösungen, die eine optimale Balance aus Sicherheit und Renditechancen bieten, Kunden helfen können - passend zur Lebenssituation und den jeweiligen Vorsorgezielen - diese Versorgungslücke zu schließen. Gerade in der jetzigen Marktsituation sollte auf fondsgebundene Rentenversicherungen gesetzt werden, da diese am Erfolg des Kapitalmarktes partizipieren. Fondsgebundene Altersvorsorgeprodukte und alternative Garantiemodelle sind eine Lösung und dem Banksparplan oder der reinen Aktien- oder Fondsanlage in An betracht des Langlebigkeitsrisikos über legen. Denn anders als bei einem Banksparplan zahlt die Rentenversicherung, solange die Person lebt, und stellt die Zahlungen nicht ein, wenn das ein gezahlte Kapital "verbraucht" wurde.

Dieser Aspekt wird in der gängigen Diskussion völlig vernachlässigt. Je älter die Menschen jedoch werden, umso bedeutender ist es, dass eine lebenslange Rente gezahlt wird - egal ob sie 90 oder 100 Jahre werden.

Haupttreiber Nr. 4: Neue Vorschriften für die Eigenmittelausstattung

Auch hat das europäische Projekt Solvency II (Erläuterungen im Kasten) enormen Einfluss auf das Risikomanagement, die Anlagestrategie und - wie die zuvor benannten Treiber - auf die Produktstrategie der Lebensversicherer. Denn Solvency II hat im Versicherungswesen die Vorschriften, die die Kapitalanforderungen und Unternehmenssteuerung betreffen, grundlegend verändert. Neue gesetzliche Rahmenbedingungen sorgen so zusätzlich für frischen Wind im Lebensversicherungsgeschäft.

Zusammenfassend lässt sich festhalten: Die wesentlichen strategischen Stellhebel zur Neupositionierung der Lebensversicherer sind neue Produkte, die dem demografischen Wandel, den Kundenwünschen, dem Kapitalmarkt und den gesetzlichen Rahmenbedingungen gerecht werden. Aber auch die Anpassung des Kapitalanlageportfolios und die Kostenreduzierung. Versicherer, die das beherzigen, werden auch künftig Kunden von sich überzeugen können.

Fußnote:

1) Vergleiche: booklet team, Die neue Dimension der betrieblichen Altersvorsorge, http://www.zurich.de/nr/rdonlyres/5867e6bfca9a-45fb-8459-2c50749fd64c/0/zurich_gruppe_team_booklet_1403.pdf

Zum Autor

Marcus Nagel, Mitglied des Vorstands, Zurich Gruppe Deutschland, Bonn

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