REGULIERUNG

Wie und warum Riester reformiert werden muss

Peter Maier, Foto: BVI Portraits FFM

Bisher ist Riester eine Erfolgsgeschichte, meint Peter Maier. Ohne weitere Impulse scheint die Verbreitung jedoch nicht weiter zu wachsen. Weil Riester jedoch künftig mehr leisten muss, um die Versorgungslücke im Alter zu schließen, setzt sich der BVI für eine Reform ein. Dazu gehört die Förderung allein auf Zulagenbasis - und damit einhergehend der Wegfall von Zulageanträgen, die Ausweitung des Kreises der Förderberechtigten zum Beispiel auf Selbstständige, die Erhöhung der Förderhöchstgrenze und der Wegfall der Garantiepflichten. Eine entsprechende Reform würde nach Einschätzung des BVI die Verbreitung wieder steigen lassen. Red.

In Deutschland gibt es rund 37 Millionen Erwerbstätige, von denen etwa 33 Millionen nichtselbstständig beschäftigt sind. Bei etwa 16,5 Millionen Riester-Verträgen, die allesamt freiwillig abgeschlossen wurden, ist dies ein großer Erfolg. Zwar lässt sich die Anzahl der Verträge nicht mit der Anzahl der geförderten Personen gleichsetzen und in der Gruppe der geförderten Personen befinden sich auch Personen, die nicht zu den 33 Millionen nichtselbstständig Beschäftigten gehören. Dennoch lässt sich festhalten, dass ein sehr großer Teil der Förderberechtigten bereits einen Riester-Vertrag abgeschlossen hat.

Die Anzahl der Riester-Verträge, unabhängig von der Art des Vertrages, wächst aber seit Jahren so gut wie nicht mehr: Dies bedeutet jedoch auch, dass ein großer Teil der Förderberechtigten noch keinen Riester-Vertrag abgeschlossen hat, obwohl die staatliche Förderung über Zulagen (Grundzulage, Kinderzulage, Berufseinsteigerbonus) und Steuerentlastungen (Sonderausgabenabzug) attraktiv ist. Dies kann (auch) daran liegen, dass die Vorteile des Riester-Sparens von zu komplizierten Regelungen verdeckt werden.

Ohne neue Impulse stagniert die Verbreitung

Daneben gibt es knapp 4 Millionen Selbstständige (davon etwa 2 Millionen sogenannte Solo-Selbstständige, das heißt Selbstständige ohne Arbeitnehmer), die nicht förderberechtigt sind, obwohl ein großer Anteil (insbesondere der Solo-Selbstständigen) nicht oder nur ungenügend für das Alter vorsorgt. Unter dem Strich ist die Riester-Rente nach ihrem Verbreitungsgrad eine Erfolgsgeschichte. Dennoch scheint die Verbreitung - ohne neue Impulse - nicht weiter zu wachsen.

In der gesetzlichen Rentenversicherung wurde 2000/2001 eine Anpassung der Rentenformel vorgenommen, die bewirkte, dass die gesetzliche Rente weniger von Lohnzuwächsen profitierte als zuvor, mit der Folge, dass das Nettorentenniveau sank. Die Riester-Rente wurde eingeführt, um eben diese Anpassung in der Rentenformel abzufedern. Dementsprechend kann auch nicht erwartet werden, dass ein Riester-Vertrag zum Beispiel einen ähnlich hohen Beitrag zur Alterssicherung leistet wie die gesetzliche Rentenversicherung.

Riester erfüllt die Erwartungen

Um ein Gefühl dafür zu bekommen, wieviel Kapital notwendig ist, um zum Beispiel eine lebenslange Leibrente beginnend mit dem 67. Lebensjahr zu finanzieren, bieten sich entsprechende Rechner im Internet an. Eine garantierte sofort beginnende Leibrente von 1 000 Euro im Monat kostet für einen 67-Jährigen derzeit rund 275 000 Euro.

Im Durchschnitt erhielt beispielsweise ein 2017 neu in Rente gegangener Mann eine gesetzliche Rente von rund 1 100 Euro pro Monat. Für einen Musterkunden (geboren am 1. Januar 1981, unmittelbare Förderberechtigung, monatliche Einzahlung von 85 Euro, Einzahlungsdauer 30 Jahre) ergibt sich ein garantiertes Kapital in Höhe von 35 675 Euro. In Abhängigkeit von dem gewählten Riester-Produkt (Rentenversicherung, Fondssparplan, Banksparplan) wird von den Anbietern ein angespartes Kapital von bis zu knapp 75 000 Euro in Aussicht gestellt. Damit darf der Musterkunde, bei dem insbesondere eine monatliche Einzahlung entsprechend dem derzeit vorhandenen Durchschnittswert unterstellt wird, mit einer monatlichen Rente aus dem Riester-Vertrag von 110 Euro bis etwa 250 Euro rechnen.

Im Verhältnis zur gesetzlichen Rente ist dieser Beitrag zur Alterssicherung also relativ gering. In Anbetracht der derzeitigen (und der aufgrund der steigenden Lebenserwartung weiter steigenden) Kosten einer Leibrente und des Ziels der Riester-Rente die Absenkung des Nettorentenniveaus abzufangen, erfüllt die Riester-Rente jedoch die Erwartungen.

Riesterrente muss künftig mehr leisten

Ein höherer Beitrag zur Alterssicherung kann nur erreicht werden, wenn in der Ansparphase mehr Kapital gebildet wird. Dies kann nur durch höhere Beiträge, höhere Renditen oder höhere Förderungen beziehungsweise Kombinationen dieser Elemente erreicht werden.

Die derzeit relativ solide Finanzsituation der gesetzlichen Rentenversicherung darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die jüngeren Generationen aus dem-umlagefinanzierten-System-lediglich noch eine Grundversorgung erhalten werden. Für eine Aufrechterhaltung des bisherigen Lebensstandards werden die Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung bei Weitem nicht genügen. Grund dafür ist insbesondere die - seit langem bekannte – demografische Entwicklung in Deutschland. Dies lässt sich plastisch an der folgenden Formel, die in einem Umlageverfahren gilt, zeigen:

Durchschnittsrente = Zahl der Beitragszahler x Durchschnittsbeitrag : Zahl der Rentner.

Da die Babyboomer, das heißt die dreizehn Millionen Menschen, die zwischen 1956 und 1965 geboren wurden, in großem Umfang zwischen 2020 und 2030 in den Ruhestand gehen werden und danach die Geburtenrate das hohe Niveau der Jahre 1956 bis 1965 nicht wieder erreicht hat, sinkt gleichzeitig die Zahl der Beitragszahler und die Zahl der Rentner steigt. Zusätzlich steigt die Lebenserwartung, die zusätzlich die Zahl der Rentner steigen lässt. Die Durchschnittsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung muss also fallen, wenn der Staat nicht eingreift (insbesondere durch höhere steuerfinanzierte Zuschüsse).

Daneben ist zu beobachten, dass insbesondere Solo-Selbstständige keine oder nur eine geringe Altersvorsorge haben und dass deren Altersvorsorge im Zeitablauf schlechter geworden ist. Vor diesem Hintergrund ist der Ausbau der kapitalgedeckten Altersvorsorge dringend geboten.

Die Vorschläge der deutschen Fondsbranche dazu lauten wie folgt:

Kreis der Förderberechtigten ausweiten

Der derzeitige Kreis der Förderberechtigten ist zu eng gefasst, gleichwohl er systematisch begründet ist. Ehemals wurden Riester-Rente und Riester-Förderung als Ausgleich zum sinkenden gesetzlichen Rentenniveau konzipiert. Innerhalb der sich stark wandelnden Arbeitswelt greift diese Abgrenzung aber zu kurz und bedingt den Ausschluss breiter Bevölkerungsgruppen von einer insbesondere für untere Einkommensgruppen attraktiven Zulagenförderung. Besonders mit Blick auf die sogenannten Solo-Selbstständigen ist dies nicht zielführend. Der Kreis der Förderberechtigten sollte daher unabhängig vom beruflichen-Statusallein-Deutschlandunbeschränkteinkommensteuerpflichtigen Personen einbeziehen.

Das Vorhandensein einer möglichst umfassenden Förderberechtigung ermöglicht weitere Vereinfachungen. Insbesondere die Aufspaltung in unmittelbar und mittelbar beziehungsweise nicht zulagenberechtigt kann damit vereinfacht werden. Sie erschwert in vielen Fällen die korrekte Feststellung der persönlichen Fördersituation und ist dem Verbraucher nur schwer zu vermitteln. Darüber hinaus würden Zulagenrückforderungen in vielen Fällen entfallen (zum Beispiel aufgrund von Statuswechseln zwischen Selbstständigkeit und angestellter Beschäftigung).

Auch hinsichtlich des im Koalitionsvertrag vorgesehenen Ziels, für Selbstständige eine Pflicht zum Abschluss einer insolvenzsicheren Altersvorsorge einzuführen, ist eine solche umfassende Förderberechtigung anzustreben, da gefördertes Riester-Vermögen aufgrund gesetzlicher Vorgaben unpfändbar ist und somit eine sinnvolle Option für die Absicherung Selbstständiger darstellt.

Die Riester-Rente erreicht durch ihre differenzierte Förderung sozialpolitisch wichtige Zielgruppen. Von der neben der steuerlichen Abzugsfähigkeit gewährten Zulagenförderung profitieren in besonderem Maße Geringverdiener, Familien mit Kindern und Frauen.

Fördersystematik vereinfachen

Die mit der zweigleisigen Förderung einhergehende Komplexität - insbesondere auch mit Blick auf die Administration - lässt sich durch eine reine Zulagenförderung und dem Verzicht auf den Sonderausgabenabzug für alle Förderberechtigten reduzieren. Zumal die gewährten Steuervorteile für den Konsum verfügbar sind und nicht in die Altersvorsorge fließen.

Eine reine Zulagenförderung könnte wie folgt gestaltet werden:

Bei Einzahlungen in zertifizierte Altersvorsorgeverträge bis zur maximalen Höhe von 4 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze (West) der gesetzlichen Rentenversicherung (abgerundet auf die letzten 500 Euro, dies entspricht aktuell 3 000 Euro) sollte ein Eigenbeitrag von 1 Euro durch eine Zulage in Höhe von 0,40 Euro gefördert werden.

Um Menschen mit geringeren Einkommen Anreize für die zusätzliche private Altersvorsorge zu bieten, sollten diese verstärkt gefördert werden. Bei Brutto-Einkommen bis zu 20 000 Euro sollte ein Mindestbeitrag von jährlich 60 Euro ausreichen, um die Grundzulage in Höhe von 175 Euro zu erhalten. Sofern sie entsprechend höhere Bei träge leisten, können auch diese Sparer von der prozentualen Förderung profitieren. Ab einem Eigenbeitrag von 437,50 Euro würden die Sparer zusätzlich von der prozentualen Förderung profitieren. Die Höhe der Kinderzulage wird unabhängig vom Zeitpunkt der Geburt einheitlich auf 300 Euro pro Kind festgelegt und zusätzlich zur prozentualen Zulagenförderung beziehungsweise Grundzulage gezahlt.

Förderhöchstgrenze anheben

Eine solche reine Zulagenförderung führt nicht nur zu einem erheblichen Abbau von Komplexität, sie führt auch dazu, dass die staatliche Förderung vollständig und zielgerichtet dem Aufbau einer zusätzlichen Altersvorsorge zugutekommt. Die Zulagen werden so direkt in den Altersvorsorgevertrag eingezahlt und erhöhen das Vorsorgekapital-signifikant.

Eine Anhebung der Förderhöchstgrenze auf 4 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung trägt der Einkommensentwicklung seit 2001 Rechnung, denn der Förderhöchstbetrag von 2 100 Euro entsprach im Jahr 2001 4 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze.

Die beitragsproportionale Förderung ist einfacher zu verstehen als die bisherige Fördersystematik über den Sonderausgabenabzug. Sie wird dazu beitragen, dass mehr gespart wird, weil höhere Beiträge erkennbar mehr Förderung auslösen. Sie wird auch dazu beitragen, dass Riester-Verträge weiter verbreitet werden. Wichtig ist auch, dass die Förderung dem Riester-Vertrag und damit dem aufzubauenden Kapitalstock zugutekommt.

Verzicht auf Zulagenantrag

Überdenken sollte man auch das Erfordernis eines Antrags für die Gewährung der Zulagen. Schon kleine Fehler bei der Antragstellung führen dazu, dass die Förderung nicht oder nicht in vollem Umfang gewährt wird. Hier könnte das Verfahren aufgrund der vereinfachten Fördersystematik dahingehend angepasst werden, dass die Höhe der Zulage für jeden Riester-Sparer durch eine zentrale Stelle allein auf Basis von Einkommen und Kinderzahl automatisiert ermittelt und anschließend in den Vertrag gezahlt wird. Ein umfangreicher Antrag wäre dann nicht mehr erforderlich und eine bedeutende Fehlerquelle beseitigt.

Zulagenkürzungen beziehungsweise spätere Rückforderungen werden in Verbindung mit der vereinfachten prozentualen Zulagenförderung nicht mehr notwendig, da die Höhe der Zulage nach Ende des jeweiligen Kalenderjahres fest steht.

Die 100-prozentige Garantiezusage erschwert eine uneingeschränkte Partizipation an den Chancen des Kapitalmarktes für Anleger, die dies wünschen. Es ist daher erforderlich, Garantieelemente im Einvernehmen mit dem Kunden seinen Bedürfnissen entsprechend gestalten zu können, wie dies bei der staatlich geförderten Basis-Rente schon seit deren Einführung möglich ist. So kann jeder Kunde, seiner persönlichen Zielsetzung entsprechend, geeignete Produkte finden und die für ihn richtige Balance zwischen Garantie und Renditechance wählen.

Flexibilisierung der Beitragsgarantie

Gerade über lange Laufzeiten hat sich gezeigt, dass hohe Aktienquoten positiv im Hinblick auf Chancen und Risiken wirken. Gerade junge Kunden sollten die Chancen hoher Aktienquoten wahrnehmen können. Eine höhere Rendite liefert einen weiteren Beitrag zu einem höheren Kapitalstock.

Die Riester-Rente ist - unter den gegeben Umständen - eine Erfolgsgeschichte. Sie muss dennoch reformiert werden, um weiter verbreitet zu werden und damit für mehr Menschen einen Beitrag für die Altersvorsorge zu leisten. Sie muss auch im Hinblick auf ihre Leistungsfähigkeit verbessert werden. Die Ausweitung des Kreises der Förderberechtigten, weniger Komplexität, wodurch die attraktive Förderung offensichtlicher wird, Anreize für höhere Beiträge und Rahmenbedingungen, die höhere Renditen zulassen, sind ein möglicher Weg.

Peter Maier, Leiter Steuern und Altersvorsorge, Bundesverband Investment und Asset Management e.V. (BVI), Frankfurt am Main

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