Robo Advisor

Rolle rückwärts - Digitale Vermögensverwalter mit persönlicher Beratung

Björn Siegismund, Mitglied des Vorstands, wevest Capital Vermögensverwaltung AG, Berlin

Nur drei Prozent der Deutschen haben bisher Robo Advisor in Anspruch genommen. Das liegt nicht am mangelnden Interesse, sondern eher an fehlendem Vertrauen. Um dieses zu gewinnen, haben die digitalen Vermögensverwalter bisher wenig getan, meint Björn Siegismund. Vielmehr reden sie mit Kennzahlen oder Portfoliobezeichnungen wie "chancenorientiert" häufig an den Kundenbedürfnissen vorbei. Die eigentliche Herausforderung sieht der Autor in der Übersetzung des Kundenwunsches in eine Anlagelösung. Genau deshalb muss Hightech und persönliche Beratung kein Widerspruch sein. Um aus Kundensicht attraktiver zu werden, können sich die "Robos" deshalb durch Ergänzung der Stärken klassischer Beratung weiterentwickeln. Red.

Robo Advisor wollen den Vermögensaufbau einfacher, transparenter und kostengünstiger machen. Mit diesem Anspruch agieren derzeit rund 30 digitale Vermögensverwalter in Deutschland mit dem Ziel, die Geldanlage zu revolutionieren. Doch nach einer neuen Studie der Unternehmensberatungen TME AG und Growth Ninjas hinken die Zahlen den hohen Erwartungen hinterher. Banken wie die Haspa oder Bank Santander beenden ihre Partnerschaften mit den Fintechs. Die Commerzbank hat ihr Vorhaben aufgegeben, ebenfalls einen Robo Advisor anzubieten.

Interesse ja - Erfahrung nein

Generell ist unter Anlegern das Interesse an einer digitalen Vermögensverwaltung vorhanden. In einer Online-Umfrage der Börse Stuttgart unter rund 1 200 Anlegern in Deutschland im Frühjahr 2018 zeigte sich ein Drittel offen für Robo Advisor.

Doch den meisten fehlt die notwendige Erfahrung. Sie wollen die Verwaltung ihrer Vermögen nicht einfach dem Computer überlassen. Bei all den Vorteilen, die Robo Advisor heute bieten, stellt sich die Frage, warum bisher nur drei Prozent der Deutschen deren Dienste in Anspruch genommen haben. Die meisten Anleger setzen weiter auf herkömmliche Beratung.

Verdient Technik Vertrauen?

Aus Gesprächen mit Kunden kommen wohl mehrere Aspekte für die Zurückhaltung beim Thema digitaler Vermögensverwaltung zusammen.

Zum einen ist das generelle Interesse am Thema Geldanlage in Deutschland gering. Nach den Statistiken der Deutschen Bundesbank sind der Deutschen liebste Geldanlagen weiterhin Sparbuch und Tagesgeld. Investitionen in Wertpapieren wie Investmentfonds oder Aktien werden stiefmütterlich behandelt. Versuche, die Einlagebestände in das chancenreichere Wertpapiergeschäft zu überführen, sind nicht neu. Auch wenn Robo Advisor die formalen Einstiegshürden zu dieser Form der Geldanlage sehr weit gesenkt haben, so stellt doch eine neue, unbekannte Anlageklasse einen Aufwand und Risiko dar. Gleiches gilt für einen Wechsel vom bisherigen Berater zu einem neuen Anbieter. Um aktiv zu werden sollte die Person die potenzielle Belohnung höher bewerten als das erwartete Risiko. Für viele Kunden stellt es eine besondere Herausforderung und Risiko dar, einzuschätzen, ob das neue Angebot zu ihm selbst passt und ein Wechsel "die richtige Entscheidung" ist.

Reine Robo Advisor tun bisher sehr wenig, um potenzielle Kunden bei dieser Entscheidung zu unterstützen. Offensichtlich schaffen sie es nicht, mit rein digitalen Angeboten das Vertrauen einer Vielzahl von Anleger zu gewinnen. Das mag auch daran liegen, dass sie ihre Zielgruppe nicht genau kennen. Viele Robos "reden" aufgrund der Komplexität ihres Angebots an den Kundenbedürfnissen vorbei. Finanzmathematische Kennzahlen wie Value-at-Risk oder Musterportfolios mit Attributen wie "ausgewogen" oder "chancenorientiert" bieten keine erkennbare Lösung der Bedürfnisse für die große Mehrzahl der Anleger.

Aus den Gesprächen mit Kunden werden meist konkrete Anlagewünsche widergespiegelt. Diese Anlagewünsche in eine geeignete, ganzheitliche Vermögensstruktur zu übersetzen, diese dem Kunden zu erläutern und dabei gleichzeitig seine individuelle Finanzsituation zu berücksichtigen, ist eine komplexe Aufgabe. Die meisten Robo Advisor scheitern an dieser Aufgabe. Sie präsentieren dem Interessenten lediglich ein empfohlenes Musterportfolio, welches irgendein Algorithmus "wissenschaftlich" errechnet hat. Aber gerade der Prozess zur Übersetzung des Kundenwunsches in einen geeigneten Lösungsansatz schafft die vielleicht wichtigste Voraussetzung für eine gute Zusammenarbeit zwischen Vermögensverwalter und Kunde: Vertrauen.

Hohe Erwartungen an eine individuelle Vermögensverwaltung

Für selbstbestimmte Kunden, die kaum Beratungsbedarf bei der Geldanlage haben und über ausreichend Know-how verfügen, ist kein Mehrwert bei den heutigen Angeboten der Robo Advisor erkennbar. Den Investmentprozessen mangelt es an alternativen Ansätzen wie beispielsweise der Einsatz von Big Data oder Schwarmintelligenz. Wertvolle Informationen zu Einzelaktien erhalten sie nicht.

Auf der anderen Seite ist für Kunden mit Beratungsbedarf das Angebot der Fintechs sehr überschaubar. Insbesondere bei hohen Anlagevolumina steigt die Komplexität der Anlagestruktur. Ein naives Portfolio mit Aktien und Anleihen reicht heute nicht mehr aus. Diese Anlageklassen sind maßgeblich beeinflusst vom Gelddrucken der Zentralbanken rund um den Globus und damit anfällig für scharfe Korrekturen. Neben einem Wertpapierdepot sind daher weitere Anlageklassen wie Immobilien, Edelmetalle, Crowdlending oder private Unternehmensbeteiligungen wichtige Bestandteile eines breit diversifizierten Vermögens. Zu einer guten Pizza gehört schließlich auch mehr als nur Mehl und Hefe.

Reine ETF-Portfolios springen zu kurz

Bisher erhalten Robo-Advisor-Kunden in der Regel nur ein ETF-Portfolio als Antwort auf ihre Frage nach einer geeigneten Vermögensanlage. Das ist zu kurz gesprungen und genügt nicht den Ansprüchen der Kunden. Vielmehr wächst die Erwartung an einer holistischen Beratung, die auch zusätzliche Leistungen zum Beispiel im Rahmen einer Finanzplanung umfasst.

Die Frage, wie beispielsweise ein vorgeschlagenes Wertpapierportfolio mit der bestehenden Eigentumswohnung korrespondiert, wird von den Robos in der Regel außer Acht gelassen. Auch die Abbildung weiterer Anlageklassen, das heißt externer, nicht im Hause verbuchter Investments der Kunden wie Immobilien, geschlossene Beteiligungen, Versicherungen et cetera stellt die Mehrzahl der Robo Advisor noch immer vor erhebliche Herausforderungen.

Computer - die besseren Anleger?

Die Erwartung, dass die neuen Algorithmen der Fintechs dauerhaft Überrenditen bei geringsten Schwankungen liefern können, ist naiv. So bemängeln einige Robo-Kritiker die geringen Renditen bei den angebotenen Anlagestrategien. Derartige Kritik vernachlässigt vollkommen die realistisch erzielbaren Erträge an den globalen Märkten und lässt bestenfalls ein mangelndes Verständnis der Finanzmarktzusammenhänge vermuten.

Die langfristig erzielbaren Erträge leiten sich im Wesentlichen aus Wachstumspotenzial und Risikoprämien ab. Wer behauptet, dass es hohe Renditen ohne Risiken geben kann, hat eine falsche Erwartungshaltung. Robo Advisor kochen auch nur mit Wasser - genauso wie persönliche Berater. Einen dauerhaft überlegenen Algorithmus kann es nicht geben. Denn spätestens, wenn dieser seine Überlegenheit beweist, werden alle Investoren folgen und so die zukünftigen Erfolgsaussichten zerstören. Die Geschichte der Finanzmärkte ist gepflastert mit solchen Beispielen.

Allerdings dürfen Kunden von ihrem Robo Anlagealgorithmus erwarten, dass dieser marktkonforme Rendite in Bezug auf ihr Risikoprofil erzielt. Und hier können computerunterstütze Portfolioverwaltungen durchaus einen Vorteil gegenüber den rein manuelle Prozessen haben.

Vorsprung durch Technik

Offensichtlich sind stabile Computersysteme effizienter und weniger anfällig für Fehler, zum Beispiel bei der Verarbeitung von vielen tausend Kauf- und Verkaufsauf trägen. Abläufe lassen sich mittels Digitalisierung schnell und fehlerfrei darstellen und so enorme Effizienzsteigerungen erreichen. Die daraus resultierenden Kosteneinsparungen werden an Kunden weitergereicht. Gerade im heutigen Niedrigzinsumfeld sind reduzierte Gebühren ein entscheidender Erfolgsfaktor für das Anlageergebnis.

Ein weiterer Vorteil, der dem Endverbraucher durch die Digitalisierung der Vermögensverwaltung entsteht, liegt in der Bereitstellung von Informationen. Heute ist es bei klassischen Beratungshäusern vielfach noch Standard, dass Kunden nur viermal im Jahr über ihr Wertpapierdepot und dessen Entwicklung informiert werden. Zu diesem Zweck werden seitenweise Listen in Papierform per Post verschickt, die im besten Fall mit einem zeitlichen Verzug von einem Monat beim Mandanten ankommen. Das schadet nicht nur der Umwelt, sondern ist vor allem nicht mehr zeitgemäß.

Robo Advisor bieten heute in der Regel einen tagesaktuellen und detaillierten Einblick in die Vermögensverteilung und deren Entwicklung. Spezielle Such- und Filterfunktionen erlauben es dem Kunden, sich schnell eine Übersicht über seine Investitionen zu verschaffen oder sich spezielle Informationen zu den einzelnen Wertpapieren anzeigen zu lassen. Zudem stehen ihm über ein digitales Dokumentenmanagement wichtige Unterlagen wie Steuerinformationen, Vertragsunterlagen oder Wertpapierabrechnungen jederzeit zur Verfügung, egal ob zu Hause am PC oder unterwegs auf Handy oder Tablet. Diesen Komfort von umfangreichen Informationen zu jeder Zeit an jedem Ort kennt jeder, der ein modernes Smartphone besitz. Warum sollte er zukünftig auf diesen Komfort bei der Geldanlage verzichten?

Der Komfortgewinn beginnt für den Verbraucher aber bereits bei Vertragsabschluss. Bei einem Robo Advisor muss kein Kunde mehr in die Filiale gehen und dort gemeinsam mit dem Berater rund 30 bis 40 Seiten Papier ausfüllen, bevor überhaupt die Voraussetzungen für die Geldanlage geschaffen sind. Das sogenannte "Onboarding" von Kunden erfolgt bei digitalen Vermögensverwaltungen vollständig online. Innerhalb von 10 bis 20 Minuten kann der Kunde bequem vom heimischen Sofa das Depotkonto eröffnen, den Verwaltungsvertrag abschließen und sich per Video-Ident legitimieren. Keine Wartezeit, kein lästiger Papierkram, keine Öffnungszeiten!

Hightech und persönliche Beratung sind kein Widerspruch

Robo Advice kann heute als eine Art Minimum Viable Product (MVP) in der Anlageberatung gesehen werden. Ein Produkt, welches sich durch die Ergänzung von Stärken klassischer Beratung weiterentwickeln kann, um attraktiver aus Kundensicht zu werden. Hightech und persönliche Beratung müssen dabei kein Widerspruch sein, sondern können einander in hervorragender Weise ergänzen.

Mit ihren modernen Technologien sind Robo Advisor digitale Vorreiter und bieten vor allem in der Vertragsabwicklung, im Management des Portfolios und im Reporting einen großen Mehrwert für Kunden. Ebenso punkten sie durch ihre kompetitiven Gebühren. Das allein schafft allerdings nicht das Vertrauen, welches für eine erfolgreiche Zusammenarbeit notwendig ist. Viele Kunden wollen mehr als nur ein standardisiertes ETF-Portfolio. Erfolgreiche Geldanlage benötigt einen persönlichen Coach und Experten, welcher bei einer ganzheitlichen Vermögensallokation unterstützt und im Bedarfsfall bei individuellen Fragestellungen Hilfe bieten kann.

Auch Fintechs können ihre persönlichen Beratungskapazitäten aufbauen und ihr Angebot ergänzen. Wirklich erfolgreich werden die Ansätze dann sein, wenn für Kunden dabei Mehrwerte generiert werden und die Beratung nicht nur hybrid, sondern auch holistisch und individuell ausgestaltet werden.

Zum Autor Björn Siegismund, Mitglied des Vorstands, wevest Capital Vermögensverwaltung AG, Berlin
Noch keine Bewertungen vorhanden


X