OUTSOURCING

Rollen der Bank in der digitalen Transformation - Modelle im Vergleich

Harald Zenke, Foto: North Channel Bank

Die Digitalisierung wird die Prozesslandschaft von Banken und ihre Geschäftsmodelle grundlegend verändern und die "Economy of Scale" außer Kraft setzen. Wie das aussehen kann, spielt Harald Zenke anhand praktischer Beispiele an drei Modellen durch. Klassiker der Kooperation mit Fintechs ist die Partnerschaft auf Augenhöhe. Als "Fronting Bank" wird die Bank vom Nutzer von Dienstleistungen selbst zum Dienstleister in einer externen Prozesskette, der die Umsetzung der Geschäftsmodelle durch Bereitstellung der Banklizenz ermöglicht. Oder sie kann selbst zur Plattform werden beziehungsweise sich komplett in eine neu entstehende Plattform integrieren und "Banking as Service" bieten. Red.

Edgar Degas, Rembrandt van Rijn wie auch Vincent van Gogh waren als Maler in ihrer Zeit alle "Meister des Lichts" und trotzdem im Vergleich sehr unterschiedlich von Konzeption, Zielrichtung und Technik - und veränderten alle drei Dimensionen im Laufe ihres Lebens(zyklus). Die gleiche Schwierigkeit eines Vergleichs ergibt sich auch bei verschiedenen am Markt etablierten Fintechs, Finanzplattformen und anderen Startups der Finanzszene. Ebenso können sich Fintechs in sehr kurzer Zeit deutlich verändern und diese Veränderung kann sich auf das Zusammenspiel mit Bankpartnern auswirken, welche diese Entwicklung hemmen wie auch begleiten können - je nach Sichtweise und Agilität des Geschäftsmodells der Bank.

Im ersten Abschnitt dieses Artikels soll anhand eines praktischen "Use Cases" Greenmatch dargestellt werden, wie es zu einer erfolgreichen Partnerschaft zwischen Bank und Fintech in einem klassischen Sinne kommen kann und welche Parameter hierbei beachtet werden müssen. Darüber hinaus wird durch einen weiteren Use Case (Fronting Bank) dargestellt, wie man Prozesse noch enger aufeinander ab stimmen kann, um dann in einem dritten Fall (Banking as a Service) die Bank selbst als Teildienstleister in ein neues Geschäftsmodell komplett zu integrieren.

Der zweite Teil soll dann eine darauf aufbauende Gesamtstrategie aus Sicht der Bank darstellen, welche auf diesem Weg auch die Weise hinterfragt, wie wir aktuell und zukünftig "Banking" auf ihrer gesellschaftsrelevanten Ebene begreifen werden.

Die Sichtweise beider Teile wird geprägt durch zwei Überzeugungen:

- Alles, was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert.

- Digitalisierung in Verbindung mit neuen Technologien (wie Artificial Intelligence oder Blockchain) wird die Prozesslandschaft von Banken und ihre Geschäftsmodelle grundlegend verändern, da Digitalisierung die Economy of Scale außer Kraft setzt.

Ansatz 1 - Der Klassiker: In der Vergangenheit näherten sich Bank und Fintech in einer ersten Phase an, in der die Überlegung eines Fintechs sehr geprägt war durch drei wesentliche Fragen, wie sie auch in einem Pitch Deck zum Ausdruck kommen:

- Welchen Bedarf im Markt gibt es (Größe des Marktes und Beschreibung des Problems)?

- Wie kann ich diese Lücke schließen (entwickelte Produkte/Dienstleistungen)?

- Wie kann ich meine Leistung monetarisieren (mögliches Preismodell)?

Banken hingegen stellten sich die folgenden grundlegenden Fragen:

- Wie kann ich durch Integration/Anbindung meine Prozesse optimieren? *

- Wie kann ich durch diese Partnerschaft den Absatz meiner bestehenden Produkte erhöhen?

- Wie kann ich neue Produkte entwickeln oder neue Märkte/Kundensegmente erreichen?

Diese Überlegungen skizzieren auch die Anfänge der Zusammenarbeit der North Channel Bank mit Greenmatch, einem Schweizer Fintech, welches über ein auf Erneuerbare-Energien-Projekte ausgerichtetes Financial Modelling verfügt, über einen darauf aufbauenden digitalen Marktplatz und ein ausgefeiltes Asset Controlling Modul. Damit passte Greenmatch ideal in die neue Strategie der North Channel Bank, welche sich ab 2017 verstärkt mit Nachhaltigkeitsthemen beschäftigte.

Basis erfolgreicher Zusammenarbeit

Greenmatch sah einen erheblichen Bedarf im Markt für eine Standardisierung der Wertermittlung in Verbindung mit einer deutlich gesteigerten Prozesseffizienz. Über einen SaaS-Ansatz (Software-as-a-Service) wurde ein erster Preismechanismus gefunden, der durch das Angebot Basislizenzen wie Professional-Lizenzen aufgefächert wurde.

Mit dem digitalen Marktplatz wie dem Asset Controlling wurden weitere Felder belegt, die sich um die Steuerung der "finanziellen Sphäre" eines Projektes bewegen. Andere Schnittstellen zur technischen Performance (SCADA-Schnittstellen) wurden integriert, sodass aus Greenmatch eine Plattform für alle Themen rund um Erneuerbare-Energien-Projekte entstand.

Die North Channel Bank, die sich seit rund drei Jahren auch auf das Thema Impact Financing/Renewables Finance ausrichtet, fokussiert sich auf den Bereich der Eigenkapital- oder Projektzwischenfinanzierung in der Bauphase, da man hier eine deutliche Lücke im Markt erkannt hat.

Durch die Partnerschaft konnten deutliche Vorteile erreicht werden, unter anderem:

- Grenmatch wurde als wesentliche Auslagerung über ein Service Level Agreement an die Bank angebunden, was dem Fintech bei anderen Finanzpartnern in der Diskussion hilft.

- Gemeinsame Messeauftritte (wie Husum oder Spreewind) erhöhen die Effektivität in der Kundenanbindung beider Häuser, da Modelling und Eigenkapitalzwischenfinanzierung eng verwoben sind.

- Für die North Channel Bank hilft der Einsatz von Greenmatch nicht nur in der schnellen Analyse von Projekten, sondern auch in Bezug auf die Vergleichbarkeit von Projekten untereinander, dem schnellen Informationsfluss und dem sich daraus ergebenden schnelleren Abschluss von Finanzierungsrunden.

Gleichzeitig ist es wesentlich für eine Partnerschaft auf Augenhöhe, dass beide Partner ihre Strategie auch losgelöst weiterentwickeln können. So ist die Ausrichtung von Greenmatch eine globale, das heißt auch Projektentwickler aus Südamerika, Asien und Afrika greifen auf die Software zu und nutzen den Marktplatz - die North Channel Bank hingegen ist noch sehr stark auf die DACH-Region und den angrenzenden Wirtschaftsraum fokussiert. Auf der anderen Seite entwickelt die North Channel Bank mit anderen Fintechs Partnerschaften, um auch ihr Geschäftsmodell konsequent weiterzuentwickeln.

Ansatz 2 - Fronting Bank: In diesem Use Case stellt die North Channel Bank ihre Banklizenz zur Verfügung. Ihr Partner bietet E-Commerce-Verkäufern die Finanzierung ihres Umlaufvermögens (Working Capital) über die Bank an. Damit ist es möglich, den Wareneinkauf sowie sämtliche Bezugsausgaben der Warenbeschaffung zu bezahlen. Das Angebot richtet sich speziell an Multichannel-E-Commerce-Verkäufer, die bereits über ein erfolgreich eingeführtes Produkt verfügen.

Die Kreditvergabe erfolgt auf Basis abgestimmter Underwriting-Guidelines automatisiert, das heißt der Onboarding-Prozess wie die Kreditdokumentation erfolgt hochstandardisiert und rein digital. Dieses Verfahren bindet weitere Partner ein (beispielsweise für das Ident-Verfahren IDNow und KYCNow, die Unterschriftsleistung zum Bespiel durch Docusign und so weiter), die Anlieferung der für die Kreditvergabe notwendigen Daten erfolgt in einem vorgegebenen technischen Format ("AcI-Batch").

Die Bonitätsprüfung des jeweiligen potenziellen Kreditnehmers erfolgt durch die Analyse des Geschäftskontos (zum Beispiel Fino.ai) sowie die Ana lyse des Accounts des Händlers (zum Beispiel mit Blick auf die Anzahl der veräußerten Waren). Nach Vollvalutierung (in der Regel Einmalzahlung) erfolgt der direkte Verkauf der Forderung an einen Investor (der über die Akzeptanz der "Underwriting Guidelines" einen sicheren Verkauf der Forderung garantiert).

Von der Partnerschaft zur Dienstleistertätigkeit

In diesem Use Case wandelt sich die Position der Bank von einer gleichwertigen Partnerschaft wie im vorherigen Fall in eine reine Dienstleistertätigkeit, die auf eine automatisierte interne Prozesskette und die dadurch erzielbaren Transaktionserlöse ausgerichtet ist. Die Skalierbarkeit des Ansatzes über den Kunden beziehungsweise das Produkt steht hierbei im Vordergrund, die Digitalisierung löst das Economy-of-Scale-Denken ab.

Die meisten Daten entstehen auf Ebene des Fintechs, welches auch über die speziellen Algorithmen verfügt, um eine ausreichende Analyse des Kontos wie des Warenbestandes durchzuführen - und um bei Nichtbegleichung der Forderung gegebenenfalls über Netzwerkpartner eine verlustfreie Verwertung herbeizuführen.

Da die Bank hier über keine Zusatzinformationen verfügt beziehungsweise diese auswerten kann, ist ihr Geschäftsmodell in dieser Beziehung auf Erhöhung der Prozesseffizienz fokussiert, nicht auf die Entwicklung von Zusatzdienstleistungen.

Ansatz 3 - Banking as a Service: Aufbauend auf vielen Teilaspekten des vorhergehende Use Cases befindet sich die North Channel Bank in der Prüfung und im Aufbau eines weiteren Ansatzes, der die Digitalisierung/Optimierung der Nutzung von "Immobilen Assets" als Zielrichtung hat und der Bank dadurch erlaubt, völlig neue Marktpotenziale zu erschließen.

Viele Plattformansätze sind als "Vergleichsplattformen" und/oder "Vermittlerportale" gegründet worden. Analysiert man diese Ansätze hin auf den Prozess des aktuellen Abrechnungslaufes, so ergeben sich noch deutliche Verbesserungspotenziale, insbesondere dort, wo neben der reinen Abrechnungsfunktion auch eine Kontaktmöglichkeit hin zum Endkunden besteht, den man nun anders analysieren und damit bewerten kann ("Scoring & Forecasting"). Hierdurch können ihm nicht nur bessere Abrechnungsmodalitäten angezeigt, sondern auch bedarfsgerechte Zusatzleistungen angeboten werden (Beispiel: bei ausreichendem Scoring-Ergebnis zusätzlich zu einer angefragten Mietkaution gleich noch der Ratenkredit für die ersten Anschaffungen in der neuen Wohnung).

Um dieses vom "Customer-Journey-Gedanken" her optimal zu gestalten, ist die gesamte Retailprozesskette in die eigentliche Asset-Plattform zu integrieren. Dieses ist nur möglich bei vollautomatischen Abläufen des Onboardings des Endkunden und einer proaktiven und zielgruppengerechten Ansprache.

Hilfreich ist hierbei neben dem Zugriff auf die Kontendaten auch das Wissen um das Geburtsdatum sowie die Wohnadresse, da aus all diesen Daten eine sehr valide Umfeldanalyse erstellt werden kann, sodass die Platzierung von Dienstleistungs- und Produktangeboten hin zum Endkunden optimiert werden kann. Hierbei ist gegebenenfalls das vorhandene Retailgeschäft und seine bisherigen Abläufe nur eingeschränkt von Nutzen, sodass sich die Etablierung ein er Zweitmarke anbietet, welche so vom "Brand" her auch anders platziert werden kann und muss.

In den vertraglichen Abläufen kann nun unter Zuhilfenahme von Blockchain-Anwendungen auch der Grad der Automatisierung deutlich erhöht und so neben der verbesserten Transaktionssicherheit auch die Abschlussgeschwindigkeit deutlich erhöht werden. Dieses ist besonders dort geboten, wo jüngere Kundengruppen angesprochen werden sollen, da es hier ansonsten zu einer schnellen Reaktion der Endnutzer über die sozialen Medien kommen kann.

Aktive Nutzung sozialer Medien

Wesentlich ist ebenfalls eine ausreichende Abdeckung und aktive Bespielung der sozialen Medien durch die Bank, wie auch die Steuerung über die richtigen Kennzahlen. So werden hier die Steuerung "Leads" und Konversionsraten deutlich wichtiger als im herkömmlichen Retail-Ansatz einer Bank - was ein weiteres Argument für eine strikte Trennung vom klassischen Retail-Bankgeschäft ist.

Steuert man dieses Geschäft auf der Teilebene der Bank richtig, so ergibt sich ein weiterer Hebel aus der eigentlich darüber gelagerten Plattform, die einerseits die "Leads" auf sich überleitet und für das ursprüngliche Geschäft nutzt beziehungsweise auswertet und andererseits über einen Rückfluss aus ihrem Geschäftsmodell (Verwaltung und Optimierung der Assets) wiederum Transaktionsgeschäft auf die Bankplattform zurückspielt.

In diesem Geschäftsmodell agiert die Bank somit nicht nur als Fronting Bank, sondern integriert sich (beziehungsweise eine Teilkomponente) komplett in die neu entstandene Plattform, um so neue Produkte wie Kundensegmente zu gewinnen. Durch den Einsatz neuester Technologien können Daten zielgerichtet genutzt und so eine neue "User Experience" für den Endkunden (Prosumer) entwickelt werden. Letztlich handelt es sich um eine vollautomatisierte Version des ersten Use Cases unter kompletter Integration.

"Farbspektrum" weiter verändern

Eingangs wurde der Vergleich der Malerei bemüht, um das Farbspektrum dessen zu verdeutlichen, was sich gerade im Markt abspielt. Wie sich dieses Spektrum noch verändern kann, soll nun noch anhand der folgenden Entwicklungsbeispiele erläutert werden.

Die Entwicklung der Partnerschaft mit Greenmatch soll in folgende Richtungen entwickelt werden: Unter Hinzuziehung eines externen Rating-Anbieters und der Möglichkeit, über das Financial Model hochstrukturierte Daten zu generieren, kann relativ leicht ein sehr valides Ratingmodell entwickelt werden. Mit der Nutzung eines externen Ratings, einer sehr aktuellen Bewertung des Assets (zum Beispiel Windparks) durch die Auswertung aktueller technisch-ökonomischer Daten (wie MW-Leistung oder Wartungskosten) und einer relativ schnellen Transaktionsumsetzung (über den Marktplatz unter Einsatz von blockchainbasierten Verträgen) kann die Fungibilität/Liquidität des Assets deutlich verbessert werden wodurch sich der Markt für Alternative Investments im Bereich der erneuerbaren Energien (eine relativ homogene Assetklasse) deutlich beleben kann.

Eine Tokenisierung würde ihn auch noch weiteren Investorengruppen öffnen und neue Investmentstrategien (über die Schaffung von Baskets) ermöglichen. Dieses öffnet nicht nur auf der Eigenmittelebene neue Perspektiven für den Vertrieb, sondern bedeutet auch eine Flexibilisierung der Langfristfinanzierung hin zu Debt Funds.

Analoge Entwicklungsideen könnten auch in das Banking-as-a-Service-Modell einfließen beziehungsweise beide verbinden lassen. Über die Entwicklung eines Kunden-Wallets und die Auswertung der Kontodaten unter PSD2 (offene APIs) und weiterer zur Verfügung stehender Touchpoints können unter Zuhilfenahme von Künstlicher Intelligenz (genauer: Machine Learning) sehr präzise Schätzungen erfolgen und so neue Produkte entwickelt und angeboten werden.

Entwicklungsdynamik: Regulatorik anpassen

Die Regulatorik ist hier gefordert, damit diese "brave new world" sich nicht in eine Richtung begibt, die kein ausgeglichenes Kräfteverhältnis mehr zwischen Konsumenten und Produktlieferant (Bank und Plattform) hat. Damit ist sie aber auch gefordert, sich der Dynamik der aktuellen technologischen Veränderung anzupassen und hierfür adäquate Regelungen zu finden.

Abschließend noch ein paar andere gewagte Thesen:

- In absehbarer Zeit (10 oder 15 Jahren) wird es kein Bargeld mehr geben, jeder wird über "Wallets" abrechnen.

- Jede Währung, die zur Weltwährung wurde, ist bislang langfristig gescheitert.

- In einer globalen Wirtschaft ist das Konstrukt einer lokalen Währung angreifbar.

- Die Digitalisierung der Wirtschaft wird den Bedarf nach Energie langfristig weiter steigen lassen.

Warum diese Thesen? Hieraus ergibt sich die unbedingte Notwendigkeit, als Bank die Digitalisierung in den Mittelpunkt der Entwicklung eines zukünftigen Geschäftsmodells zu stellen (Smart Data des Kunden und neue Produkte mit höherem und/oder neuem Kundennutzen) und sich gleichzeitig die "Währungsfrage" zu stellen (das heißt die Entwicklung von Blockchain-Anwendungen auf vielen Ebenen).

Fußnote

* Da Banken in der Regel Prozesseffizienz - insbesondere in ihren eigenen Prozessketten - besser beurteilen und validieren können, als Marktpotenziale neuer Produktinnovationen, werden B2B-Modelle von Banken B2C-Modellen deutlich vorgezogen.

Harald Zenke, Geschäftsführer, North Channel Bank, Mainz
Harald Zenke , Geschäftsführer, North Channel Bank, Mainz

Weitere Artikelbilder

Noch keine Bewertungen vorhanden


X