BANKEN UND STEUERN

Steuerliche Anerkennung von Verlusten aus dem Verfall von Knock-out-Zertifikaten

Lea Maria Siering und Elnaz Mehrkhah , Taylor Wessing Partnerschaftsgesellschaft
Quelle: Taylor Wessing

Steuerrechtlich ist bislang ungeklärt, wie Gewinne aus Knock-out-Zertifikaten zu qualifizieren sind. Was die steuerliche Behandlung von Verlusten angeht, hat der Bundesfinanzhof im November 2018 jedoch im Sinne der Anleger entschieden. Weil mit der Einführung der Abgeltungssteuer eine vollständige steuerrechtliche Erfassung aller Wertveränderungen im Zusammenhang mit Kapitalanlagen erreicht werden sollte und es keine steuerlich irrelevante Vermögensebene gebe, so der BFH, sind Verluste in jedem Fall steuerlich zu berücksichtigen. Die Autorinnen weisen allerdings darauf hin, dass es noch offen ist, ob das Urteil im Bundessteuerblatt veröffentlicht wird. Nur nach einer Veröffentlichung müssen die Finanzämter das Urteil berücksichtigen. Red.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat jüngst seine Entscheidung vom 20. November 2018 (Az. VIII R 37/15) veröffentlicht, in der er entschied, dass die Verluste aus dem Erwerb von Knock-out-Zertifikaten einkommensmindernd zu berücksichtigen sind. Damit wendet sich der BFH gegen die Auffassung der Finanzverwaltung und entscheidet im Sinne der Anleger.

Dem Rechtsstreit lag der Sachverhalt zugrunde, dass der Kläger 2011 verschiedene Knock-out-Zertifikate erwarb, bei denen noch im selben Jahr die Knock-out-Schwelle erreicht wurde. Daraufhin wurden die entsprechenden Zertifikate ohne Differenzausgleich oder Restwert ausgebucht. Im Rahmen der Einkommensteuererklärung machte der Kläger hierfür die entsprechenden Verluste geltend, die das Finanzamt nicht anerkannte. Bei Knock-out-Zertifikaten handelt es sich um Schuldverschreibungen, die nicht fest verzinst sind, sondern den Kurswert eines Basiswertes (Underlying) gehebelt abbilden.

Die Bezeichnung des Knock-out resultiert daher, dass das Wertpapier mit einem sogenannten Knock-out ausgestattet ist und ersatzlos verfällt, wenn der Kurs des Basiswerts während der Laufzeit unter eine entsprechend festgelegte Knockout-Barriere fällt. In diesem Fall er leiden Anleger einen Totalverlust. Entsprechend handelt es sich bei Knock-out-Zertifikaten um ein hochriskantes Hebelprodukt.

Steuerliche Gewinnbehandlung unklar

Soweit ersichtlich, herrscht weder im Schrifttum noch in der Rechtsprechung Einigkeit darüber, ob der Gewinn aus Knock-out-Zertifikaten steuerlich als Gewinn aus einem Termingeschäft im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 lit. a EStG oder als Gewinn aus der Veräußerung von sonstigen Kapitalforderungen im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 zu qualifizieren ist.

Je nach konkreten Konditionen des Kock-out-Zertifikats gibt es erstinstanzliche Entscheidungen, die solche Zertifikate als Termingeschäft qualifizieren (vgl. FG Hessen vom 22.10.2010, Az. 8 V 1266/10; FG Köln vom 26.10.2016, Az. 7 K 3387/13). Im Gegensatz dazu hat das Finanzgericht Düsseldorf vom 06.10.2015 (Az. 9 K 4203/13 E) als Vorinstanz in der vorliegenden Entscheidung die Frage aufgeworfen, ob die streitgegenständlichen Zertifikate nicht unter § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG zu subsumieren seien und sie somit zu den sonstigen Kapitalforderungen gehörten (vgl. auch FG Baden-Württemberg vom 25.06.2013, Az. 5 K 2444/12). Diese Frage konnte das Gericht auf Grundlage seiner alternativen Betrachtung allerdings ausdrücklich offenlassen und dennoch zu dem Ergebnis gelangen, dass die Verluste des Steuerpflichtigen aus dem Verfall der Knock-out-Zertifikate unabhängig von deren Qualifizierung als Termingeschäft steuerrechtlich voll zu berücksichtigen sind.

Der Bundesfinanzhof hat diese Frage bisher ebenfalls offengelassen und begründet das damit, dass die Verluste ungeachtet der rechtlichen Qualifikationen zu berücksichtigen seien (vgl. auch BFH vom 09.04.2014, Az. I R 52/12).

Verluste in jedem Fall berücksichtigungsfähig

Vor diesem Hintergrund erübrigen sich im Ergebnis weitgehende Ausführungen zur rechtlichen Qualifikation von Knock-out-Zertifikaten. Entscheidend ist vielmehr, dass Verluste aus dem Verfall von Knock-out-Zertifikaten in beiden Fällen berücksichtigungsfähig sind.

- Liegt ein Termingeschäft vor, ist der Verlust gemäß § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Buchst. a EStG i. V. m. § 20 Abs. 4 S. 5 EStG zu berücksichtigen. Die Vorschrift erfasst auch den automatischen Verfall des Termingeschäfts bei Erreichen der Knock-out-Schwelle, der ohne Zahlung eines Restwerts zur Ausbuchung führte. Dabei stellt der Senat ausdrücklich klar, dass die gegenteilige Auffassung zu § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG a. F., wonach entsprechende Gewinne (oder eben auch Verluste) im Rahmen von Termingeschäften durch eine "Beendigung des Rechts" erzielt werden müssten, um steuerrechtlich anerkannt zu werden, überholt ist.

- Sollten die Voraussetzungen eines Termingeschäfts dagegen nicht erfüllt sein, folgt die steuerliche Anerkennung des Verlusts aus § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG i. V. m. § 20 Abs. 2 S. 2 und Abs. 4 S. 1 EStG. Der Eintritt des Knockout-Ereignisses stellt in diesem Fall eine (automatische) "Einlösung" im Sinne des § 20 Abs. 2 S. 2 EStG dar. Die Einbeziehung eines solchen Verfalls als automatische Einlösung entspräche dem verfassungsrechtlichen Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und dem Gebot der Folgerichtigkeit in Art. 3 Abs. 1 GG.

Anschaffungskosten stellen den steuerlichen Verlust dar

Verdeutlichend sind schließlich die Ausführungen des Senats, dass mit der Einführung der Abgeltungsteuer eine vollständige steuerrechtliche Erfassung aller Wertveränderungen im Zusammenhang mit Kapitalanlagen erreicht werden sollte. Es gäbe keine steuerlich irrelevante Vermögensebene, sodass kein sachlich gerechtfertigter Grund bestünde, den Verfall eines Kockout-Zertifikats grundsätzlich nicht zu erfassen.

Der Gewinn (oder eben der Verlust) aus Kapitaleinkünften ist gemäß § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG der Unterscheid zwischen den Anschaffungskosten der Knockout-Zertifikate und den Einnahmen aus ihrer Veräußerung nach Abzug der Aufwendungen, die im unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit dem Veräußerungsgeschäft stehen. Im Falle des Verfalls von Knock-out-Zertifikaten stellen grundsätzlich die Anschaffungskosten den steuerlichen Verlust dar.

Der BFH hatte bereits im Zusammenhang mit Optionen entschieden, dass selbst das Verfallenlassen von Optionen einen steuerlich zu berücksichtigenden Verlust darstellt (Vgl. BFH, 12.1.2016 - IX R 48/14, BB 2016, 865; vgl. auch Schlund, BB 2018, 1047, 1049). Diesem Ansatz folgend bleibt es nun auch bei Knock-out-Zertifikaten dabei, dass ein Steuerpflichtiger den Verlust, den er dadurch erleidet, dass die Knockout-Zertifikate durch das Erreichen der Knock-out-Schwelle verfallen, im Rahmen seiner Einkünfte aus Kapitalvermögen geltend machen kann.

Fortsetzung der bisherigen Rechtsprechung

Mit dem aktuellen Urteil setzt der Bundesfinanzhof somit seine Rechtsprechung fort, dass seit Einführung der Abgeltungsteuer sämtliche Wertveränderungen im Zusammenhang mit Kapitalanlagen zu erfassen sind und dies gleichermaßen für Gewinne und Verluste gilt.

Eine Veröffentlichung des Urteils im Bundessteuerblatt Teil II bleibt abzuwarten. Erst dadurch werden die Finanzämter grundsätzlich angewiesen, die BFH-Urteile auch in anderen Fällen anzuwenden. Die obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder beschließen, welche BFH-Urteile im Bundessteuerblatt Teil II veröffentlicht werden und somit allgemein anzuwenden sind.

Lea Maria Siering, Anwältin für Bank- und Bankaufsichtsrecht sowie Kapitalmarktrecht, Taylor Wessing Partnerschaftsgesellschaft mbB, Berlin
Elnaz Mehrkhah, Anwältin für Steuerrecht, Taylor Wessing Partnerschaftsgesellschaft mbB, Frankfurt am Main
Dr. Lea Maria Siering , Chief Risk Officer (CRO) , Finleap Connect GmbH

Weitere Artikelbilder

Noch keine Bewertungen vorhanden


X